Milliarden für das Gesundheitswesen |
22.03.2011 17:19 Uhr |
Von Brigitte M. Gensthaler, Stuttgart / Apotheker nehmen ihre Verantwortung in der Selbstmedikation sehr ernst, beraten sorgfältig und raten auch ab. »Durch ihre Leistungen sparen die Apotheker dem Gesundheitswesen Milliardenbeträge«, folgert Dr. Günther Hanke, Präsident der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg, aus einer Studie zur apothekergestützten Selbstmedikation.
An der gemeinsamen Studie von der Landesapothekerkammer (LAK) und dem Kölner Institut für Handelsforschung (IfH) beteiligten sich im Jahr 2010 in ganz Baden-Württemberg 564 Apotheken. Jede Apotheke dokumentierte 100 Patientenkontakte »am Stück«. Letztlich wurden mehr als 46 000 Patientenkontakte und -anfragen ausgewertet, sagte Hanke am 18. März in Stuttgart. Er sei stolz, dass sich jede fünfte Apotheke im Bundesland an der Untersuchung beteiligt habe.
Durch ihre Beratung zur Selbstmedikation helfen Apotheker, Gesundheitsprobleme und Gefahren zu vermeiden. Einer Studie zufolge raten Apotheker in Baden-Württemberg jeden Tag etwa 29 000 Patienten von einem Präparatewunsch in der Selbstmedikation ab.
Foto: ABDA
Mehr als die Hälfte der Apothekenkunden – genau 56,8 Prozent – kam mit einem Selbstmedikationswunsch in die Apotheke. Zwei Drittel verlangten ein konkretes Präparat, ein Drittel schilderte ein Gesundheitsproblem. Rund zwei Drittel der Kunden waren Frauen. Vier von zehn hatten vorher keinen Arzt konsultiert; für sie ist der Apotheker der erste und oft auch einzige Heilberufler, den sie ansprechen, unterstrich Hanke. Dies zeige das Vertrauen in die Apotheke.
In jedem Fall überprüft die Apotheke die Eigendiagnose, mitunter mit diskreten Fragen, unterstrich Kammergeschäftsführer Dr. Karsten Diers. Jede zehnte Anfrage wurde von den Apotheken als ungeeignet für die Selbstmedikation eingestuft. Am häufigsten geschah dies in den Indikationsbereichen Urogenitaltrakt, Augen/Ohren/Zähne, Herz-Kreislauf sowie Haut und Schleimhaut. Noch kritischer gingen die Kollegen mit Anfragen zur Selbstbehandlung von Kindern um: Hier lehnten sie die Selbstmedikation bei 17 Prozent der Patienten ab. In rund der Hälfte der Fälle, bei denen der Apotheker dem Selbstmedikationswunsch nicht nachkam, empfahl er dem Kunden, einen Arzt aufsuchen. In jedem zehnten Fall riet er zu einer nicht-medikamentösen Behandlung; Diers nannte als Beispiel die Indikation Schlafstörungen.
Dr. Günther Hanke: »Durch ihre Leistungen sparen die Apotheker dem Gesundheitswesen Milliardenbeträge.«
Foto: Maks Richter
Hochgerechnet auf ganz Baden-Württemberg bedeutet dies: Täglich raten Apotheker etwa 29 000 Patienten von der Selbstmedikation ab, und etwa 15 000 empfehlen sie, einen Arzt aufzusuchen, erklärte Diers. Kaufmännisch betrachtet ist dies nicht erfreulich, aber es hilft, Gesundheitsprobleme und Gefahren zu vermeiden, die durch ungeeignete Selbstmedikation und zu späte ärztliche Konsultation entstehen können. Dies erspart persönliches Leid und Folgekosten für das Gesundheitssystem. »Die jetzige Apothekenstruktur, Fremd- und Mehrbesitzverbot schützen die Verbraucher«, folgerte Diers.
Immense Wertschöpfung
Welche Einsparungen die Heilberufler mit ihrer Arbeit generieren, rechnete Dr. Markus Preißner vom IfH vor. »Apotheker schaffen einen immensen geldwerten Vorteil.« Denn die Vermeidung unnötiger Arztbesuche spart Geld für das System. Laut Arztreport 2011 der Barmer GEK fallen beim Hausarzt durchschnittliche Behandlungskosten von 56,01 Euro pro Fall an.
Gemäß einer repräsentativen bundesweiten Befragung vom Februar 2011 ersetzt jede fünfte Selbstmedikationsanfrage in der Apotheke einen Arztbesuch, das sind bundesweit 313 000 Patienten täglich. Selbst bei sehr defensiver Rechnung werden so täglich 17,5 Millionen und 4,9 Milliarden Euro pro Jahr eingespart, errechnete Preißner. Bezogen auf die GKV-Versicherten verbleibe ein Wertschöpfungsanteil von 4,2 Milliarden Euro pro Jahr. Das sei mehr, als sie das System kosten. Dabei sei noch nicht berücksichtigt, dass Folgekosten vermieden werden, wenn Apotheker von falscher Selbstmedikation abraten.
»Apotheker sind nicht Kostentreiber, sondern die treibende Kraft bei Einsparungen im Gesundheitswesen. Das gibt uns gute Argumente für die inhabergeführte Apotheke«, unterstrich Hanke. Er erwarte nun von der Politik, die Apotheke und ihre Leistungen in anderem Licht zu sehen. /