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Drogenpolitik

Ein Balanceakt

09.03.2016  09:03 Uhr

Von Jennifer Evans, Berlin / Der Internationale Suchtstoff- Kontrollrat (INCB) der Vereinten Nationen hat vergangene Woche in Berlin seinen Jahresbericht 2015 vorgestellt. Demnach liegt die Herausforderung darin, einerseits Rauschdrogen zu medizinischen und wissenschaftlichen Zwecken verfügbar zu machen, aber gleichzeitig deren Missbrauch und Handel zu bekämpfen.

»Es nicht so, dass die Welt zwischen einer militarisierten Strafverfolgungspraxis bei Drogendelikten einerseits und der Legalisierung von Drogen zu nicht medizinischen Zwecken andererseits entscheiden müsste«, sagte INCB-Präsident Werner Sipp in Berlin. Es gehe vielmehr darum, Gesundheit und Wohlergehen der Menschen ins Zentrum der Drogenpolitik zu rücken.

Eine weltweit wachsende Bedrohung sieht Sipp in der massiven Verbreitung neuer psychoaktiver Substanzen, sogenannter Legal Highs. Diese Rauschmittel imitieren chemisch bereits verbotene Substanzen, sind aber legal, weil die Molekülstruktur minimal verändert ist. »Bis Oktober 2015 hatten die Mitgliedstaaten 602 neue Substanzen gemeldet. Das entspricht einem 55-prozentigen Anstieg gegenüber dem Vorjahr«, so Sipp. Mit diesem Tempo Schritt zu halten, sei eine Heraus­forderung für die internationale Drogenkontrolle. Deshalb habe der INCB vergangenes Jahr ein neues Kommunikationssystem einführt, über das Regierungen in Echtzeit Informationen über neue Substanzen austauschen und so Menschen schnell schützen können. Denn wie Legal Highs auf den Körper wirken, ist kaum abzuschätzen.

 

Am Beispiel von Cannabis illustriert der Bericht, dass auch durch Legalisierung von Drogen der illegale Handel nicht verschwindet: In einigen US-Staaten wie Colorado und Washington ist die Droge neben der medizinischen Anwendung auch als Freizeitdroge erlaubt. Das Problem: Eine Menge des Cannabis, das auf offiziellem Weg in Umlauf kommt, wird abgezweigt und landet schließlich auf dem illegalen Markt.

 

Zudem wird viel über die Grenzen aus Südamerika geschmuggelt. In Brasilien, Chile, Kolumbien und Ecuador sind zwar gerade neue Gesetze auf dem Weg, um zumindest den Cannabis-Anbau und den Besitz für nicht medizinische Zwecke zu regulieren. Doch Uruguay will auch weiterhin die Droge außerhalb medizinischer Zwecke vollständig legalisiert lassen, um damit den illegalen Handel zu entkriminalisieren. Das widerspräche laut INCB aber dem internationalen Drogenkontrollabkommen. Deutschland engagiert sich im Sinne des Abkommens, Kleinbauern Alternativen zum Drogenanbau zu schaffen.

 

Marlene Mortler, Drogenbeauftragte der Bundesregierung: »Wir setzen die international diskutierte Philosophie um, das Angebot illegaler Drogen auf der einen Seite zu verringern und auf der anderen Seite die Nutzung für medizinische Zwecke im Sinne der Patienten zu fördern.«

 

Kosten erstatten

 

Gerade bereitet Mortler ein Gesetz vor, das den Krankenkassen ermöglichen soll, Patienten die Kosten für Cannabis zu erstatten. Derzeit beziehen hierzulande nach Angaben des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte 581 Patienten Cannabisblüten oder -extrakte, weil sie eine Ausnahmegenehmigung laut Betäubungsmittelgesetz haben. Die Kosten müssen sie bislang selbst tragen /

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