Pharmazeutische Zeitung online
Uni Bonn

Patientenorientierte Pharmazie für Erstis

03.03.2015  11:10 Uhr

Von Anna Dohm, Anna Nickel und Ian Wittenberg, Bonn / Damit Studienanfänger erste Einblicke in die patientenorientierten Aspekte der Pharmazie erhalten, läd der Leiter des Bereichs Klinische Pharmazie an der Uni Bonn, Professor Dr. Ulrich Jaehde, neuerdings zu einer freiwilligen Vorlesung für Erstsemester ein. Ein Erfahrungsbericht.

Gespannt saßen wir alle pünktlich in der ersten Vorlesung. »Der Apotheker als Therapiebegleiter« war das Thema, in dem die folgenden Fragen im Mittelpunkt standen: Wie sicher ist die Arzneimitteltherapie? Welche arzneimittelbezogenen Probleme gibt es und wie entstehen sie? Wie können wir als Apotheker später zur Problemlösung beitragen? Zur Einführung stelle Jaehde den Fall einer Brustkrebspatientin vor, die wegen einer vierfachen Überdosierung des Chemotherapeutikums Cyclophosphamid verstarb. Sehr schnell wurde uns klar, dass die Dosierung einen großen Einfluss auf die Auswirkungen einer Arzneimitteltherapie hat.

Durch das Fallbeispiel einer 85-jährigen Heimbewohnerin wurden wir auf ein ganz besonderes Risiko aufmerksam: das Alter. Je höher das Alter, desto häufiger kommt es zu Multimorbidität und Polymedikation. Und schon wurde uns noch unerfahrenen Erstis klar, dass kleine Fehler und Unaufmerksamkeiten im Medikationsprozess schwerwiegende Konsequenzen haben können. Wegen starker Nebenwirkungen wurde die ältere Dame mehrfach ins Krankenhaus eingeliefert, bis endlich die Dosierung an das Alter angepasst wurde. Dass im Medikationsprozess so viele Dinge von der Verordnung, über Abgabe und Applikation bis zum Monitoring schiefgehen können, haben bis dahin wohl die meisten von uns nicht geahnt.

 

Interdisziplinäre Zusammenarbeit

 

Welche Möglichkeiten gibt es, um diese Probleme, besonders bei Polymedikation, zu lösen? Jaehde stellte uns einen Medikationsplan vor, bei dem die Arzneimitteldokumentation als Grundlage für die Arzneimitteltherapie und Medikationsanalysen dient. Weiterhin stellte er heraus, dass die multiprofessionelle Betreuung des Patienten von großer Bedeutung ist. Dabei bringt jede Berufsgruppe, also etwa Ärzte, Apotheker und Pflegende, ihre eigenen Kernkompetenzen ein. Um einen ersten Eindruck zu bekommen, wie arzneimittelbezogene Probleme auch tatsächlich entdeckt werden können, stellte der Professor 14 Kriterien vor, die bei einer komplexen Medikation regelmäßig überprüft werden sollten, zum Beispiel der Wechselwirkungs-Check, die Überprüfung der Dosierung und der korrekten Einnahme.

 

Auch Selbstmedikation beachten

 

Nachdem wir somit eine Vorstellung davon bekommen hatten, was uns in den nächsten Wochen, aber auch in späteren Semestern erwarten würde, brachte uns Dr. Ronja Woltersdorf in den nächsten Vorlesungen in jeder Stunde ein anderes arzneimittelbezogenes Problem näher. Schnell wurde deutlich: Nicht nur durch den Patienten kommt es zu Abweichungen vom idealen Medikationsprozess, sondern auch durch Arzt und Apotheker. Hinzu kam das Thema der Selbstmedikation, die wohl die meisten von uns schon selbst durchgeführt hatten, ohne genauer danach zu fragen, welche Risiken damit verbunden sein könnten.

 

In der letzten Vorlesung wurde es dann noch einmal richtig kreativ. Jaehde und Woltersdorf spielten uns Szenen aus dem Apothekenalltag vor, die alles andere als perfekt abliefen. Einer von beiden spielte den Patienten, der andere den Apotheker. Auf diese Weise konnten wir als nun schon erfahrenere Erstis die vorher in der Theorie besprochenen Probleme »miterleben« und gemeinsam Vorschläge zur Verbesserung der pharmazeutischen Beratung und der Kommunikation zwischen Patient und Apotheker anbringen. Bei den zwei Fallbeispielen spielten mit magnesium- und aluminiumhaltigen Antacida und Calcium zur Osteoporoseprophylaxe anorganische Arzneistoffe eine wichtige Rolle, sodass wir auch unser in der Zwischenzeit erworbenes Wissen aus der anorganischen Chemie einbringen konnten.

 

Unserer Meinung nach hat die Vorlesung eine wichtige Lücke geschlossen. Wir haben nicht nur einen Einblick bekommen, was uns später einmal im Beruf erwarten wird, sondern es wurde auch unser Interesse an der Pharmazie und die freudige Erwartungshaltung auf die höheren Semester gestärkt. Durch die im Verhältnis zu den anderen Vorlesungen kurze Vorlesungsreihe ist zudem kein anderes Fach des ersten Semesters zu kurz gekommen, sodass wir uns trotz dieser Extra-Stunden gut auf die anderen Seminare und Vorlesungen konzentrieren und ohne Probleme dem Chemiepraktikum widmen konnten. Uns allen ist aufgefallen, dass wir seit dieser Vorlesung mit anderen Augen in die Apotheke gehen. /

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