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Masern

Impflücken bei Erwachsenen

04.03.2015  09:27 Uhr

Von Christina Hohmann-Jeddi / Um die Masern in Deutschland ausrotten zu können, müssen Impflücken bei Kindern, aber vor allem bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen geschlossen werden. Über geeignete Maßnahmen, dieses Ziel zu erreichen, sprach die Pharmazeutische Zeitung mit Dr. Jan Leidel, Vorsitzender der Ständigen Impfkommission (STIKO).

Nicht nur der aktuelle Masernausbruch, sondern schon vorherige haben gezeigt, dass bei Erwachsenen Impflücken bestehen. Mehr als die Hälfte der Masernfälle betreffen heute Jugendliche und junge Erwachsene. Daher empfiehlt die Ständige Impfkommission bereits seit 2010 allen Personen, die nach 1970 geboren sind und nicht oder in der Kindheit nur einmal gegen Masern geimpft wurden, oder die ihren Impf­status nicht kennen, eine Vakzinierung gegen Masern.

 

Einmalige Impfung für Erwachsene

 

Der Hintergrund für diese Empfehlung ist, dass in den frühen 1970er-Jahren die Masernimpfung Standard wurde. Wer vor 1970 geboren wurde, hat mit hoher Wahrscheinlichkeit die Erkrankung durchgemacht und ist daher immun. Das belegen sero-epidemiologische Daten, nach denen in der Vorimpfära 95 bis 98 Prozent der Kinder bis zum zehnten Lebensjahr eine Immunität gegen Masern aufwiesen. Aber mit Einführung der Impfung ging die Zahl der Erkrankungen zurück, während nur ein kleiner Anteil der Kinder geimpft wurde. Daher bestehen in dieser Altersgruppe Impflücken. Wie groß diese sind, lasse sich nicht genau quantifizieren, sagte Leidel.

Die Empfehlung hat sich in der Bevölkerung und auch in Fachkreisen noch nicht vollständig durchgesetzt. »Einige Ärzte wissen das gar nicht«, so Leidel. Aus praktischen Gründen empfiehlt die STIKO hier eine einmalige Vakzinierung statt der zwei Dosen im Kindesalter. »Wenn die Erwachsenen diese eine Impfung in Anspruch nehmen würden, wäre schon viel getan.« Die Empfehlung gilt besonders für Personen, die im Gesundheitsdienst, in Gemeinschaftseinrichtungen wie Kindergarten oder Schulen oder in der Betreuung von Personen mit stark geschwächtem Immunsystem arbeiten.

 

Als Einzelimpfstoff gegen Masern ist in Deutschland die Vakzine Masern Impfstoff Mérieux zugelassen, aber nicht auf dem Markt. Die monovalente Vakzine kann aber aus der Schweiz bezogen werden, informierte Leidel. Die STIKO empfiehlt allerdings einen tri­valenten Impfstoff gegen Masern, Mumps und Röteln (MMR) zu verwenden, »denn auch bei Mumps und Röteln bestehen noch Impflücken«. Bis auf das eine Monopräparat stehen in Deutschland nur Kombinationsimpfstoffe gegen Mumps, Masern und Röteln mit oder ohne Windpocken-Komponente (Varizellen) zur Verfügung. Auch wenn bereits gegen eine oder zwei der Komponenten der Kombinationsimpfstoffe eine Immunität besteht, ob durch frühere Impfung oder eine Wildvirusinfektion, ist eine MMR-Impfung ohne erhöhtes Risiko von Nebenwirkungen möglich, schreibt das Paul-Ehrlich-Institut auf seiner Internetseite.

 

Kinder oft zu spät geimpft

 

Bei Kindern sind die Impfquoten dagegen relativ hoch. »Bei den Schul­eingangsuntersuchungen wird der Impfstatus der Kinder erfasst«, sagte Leidel. Ein Anteil von etwa 8 Prozent kann dabei keinen Impfpass vorlegen. »Über diese Kinder wissen wir nichts.« Von denen, die einen Impfpass vorlegen konnten, hatten 96,7 Prozent die erste Impfung und 92,4 die zweite Impfung erhalten, wie die letzte Auswertung aus dem Jahr 2012 zeigt. »Ein Problem bei Kindern ist, dass sie zum Teil zu spät geimpft werden«, sagte der STIKO-Vorsitzende. »Dadurch sind in vielen Kitas noch ungeimpfte Kinder.«

 

Anders als für Erwachsene ist für Kinder eine Impfung in zwei Schritten empfohlen. Die erste MMR-Impfung sollte im Alter von 11 bis 14 Monaten und die zweite im zweiten Lebensjahr im Alter von 15 bis 23 Monaten vorgenommen werden. Die zweite Impfung ist dabei keine Auffrischimpfung, sondern soll Impfversager erfassen. Denn etwa 5 bis 9 Prozent der Kinder bauen nach einer MMR-Impfung keine Immun­antwort auf. Sie erhalten durch die zweite Impfung eine weitere Chance. Unter bestimmten Voraussetzungen können auch Säuglinge unter neun Monaten, die in eine Kindertagestätte oder bei einer Tagesmutter aufgenommen werden sollen, eine MMR-Impfung erhalten.

 

Um die Impfquoten zu verbessern, sei noch viel Aufklärungsarbeit notwendig, sagte Leidel. Er hoffe in dieser Hinsicht auf ein verstärktes Engagement der Ärzteschaft. Schon seit Längerem empfiehlt die STIKO, jeden Arztbesuch zu nutzen, um den Impfpass zu kontrollieren und mögliche Impflücken zu schließen. »Ich würde mir wünschen, dass sich jeder Hausarzt beim nächsten Besuch den Impfpass zeigen lässt«, so Leidel.

 

Inzwischen steigt das Interesse an der Masernimpfung, wie die Tageszeitung »Die Welt« berichtet. Das zeige sich an der verstärkten Nachfrage nach dem Impfstoff. Mehrere pharmazeutische Großhändler hätten einen deutlichen Anstieg der Bestellungen registriert, insbesondere nach Bekanntwerden des Maserntodes eines kleinen Jungen. Alliance Healthcare Deutschland sprach von einem Anstieg der Bestellung durch Apotheken um etwa 10 Prozent im Februar. In Berlin sei die Nachfrage sogar teilweise um bis zu 250 Prozent gestiegen, sodass der Impfstoff kurzfristig ausverkauft war. /

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