Guten Ruf wahren |
07.03.2011 14:09 Uhr |
Verfolgt man die Diskussionen rund um den Rücktritt des Verteidigungsministers, so kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass viele nicht wahrhaben wollen, dass es im Fall Guttenberg nicht nur um den Absturz eines Politsuperstars geht, sondern vor allem um die Glaubwürdigkeit des Wissenschaftssystems eines der führenden Industrieländer dieser Welt. Der Vorsitzende des Wissenschaftsrates, Professor Dr. Wolfgang Marquardt, bringt es in einer Stellungnahme auf den Punkt:
»Mit zunehmender Besorgnis nehme ich derzeit zur Kenntnis, wie infolge der Diskussionen um die Doktorarbeit von Karl-Theodor zu Guttenberg das gesellschaftliche Ansehen der Wissenschaft Schaden zu nehmen droht. Eine erfolgreiche Wissenschaft kann es ohne einen sorgfältigen Umgang mit Quellen, ohne eine unmissverständliche Unterscheidung fremden und eigenen Wissens und ohne die Dokumentation und kritische Diskussion der eigenen, sachlich weitestgehend abgesicherten Forschungsergebnisse nicht geben.« Diesen Worten ist kaum noch etwas hinzuzufügen. Ich hoffe sehr auf einen gesellschaftlichen Grundkonsens, wonach wissenschaftliches Fehlverhalten keinesfalls bagatellisiert werden darf.
Eigentum bleibt Eigentum, egal ob es sich um materielle oder geistige Werte handelt. Wer dieses Prinzip verletzt, darf sich anderer Stelle nicht beschweren, wenn zum Beispiel patentgeschützte Arzneimittel gefälscht werden. Der Fall Guttenberg hat somit neben einer moralischen auch eine wirtschaftliche Komponente. Da stellt sich auch die Frage, wie glaubwürdig eine deutsche Kanzlerin ist, die in Peking Patentverletzungen anmahnt und gleichzeitig das ministerielle Fälschen von Doktorarbeiten augenzwinkernd durchgehen lässt. Die Politik muss sich an dieser Stelle klar positionieren, wenn sie sich nicht lächerlich machen will.
Es ist klar, dass im Fall Guttenberg die Qualitätssicherungssysteme der Bayreuther Universität völlig versagt haben. Der Betrug hätte bei gewissenhafter Begutachtung auffallen müssen. Und: Die Causa Guttenberg ist leider kein Einzelfall.
Wie sehr wissenschaftliches Fehlverhalten im medizinisch-pharmazeutischen Bereich zur möglichen Gefährdung von Patienten führt, zeigt der Fall des Anästhesisten Boldt, der in »Anesthesia & Analgesia« eine Originalarbeit veröffentlicht hat, in der der hochdosierte Einsatz von Hydroxyethylstärke (HES) und Humanalbumin als Volumenersatztherapie bei Herzoperationen mit Unterstützung von Herz-Lungen-Maschinen verglichen wird.
Die Arbeit wurde vergangenes Jahr zurückzogen, da die Studie – und möglicherweise auch andere – sehr wahrscheinlich eine Fälschung ist. Es ist zu befürchten, dass HES auf der Basis gefälschter Studien überbewertet wurde und möglicherweise mehr Nach- als Vorteile gegenüber Alternativtherapien besitzt. Auch in diesem Fall hat das Qualitätssicherungssystem zunächst versagt.
Die Universität Gießen hat das einzig Richtige getan und erfreulich schnell reagiert. Nach Bekanntwerden und Prüfung der Fakten war Herr Boldt seinen Professorentitel schnell los.
Professor Dr. Manfred Schubert-Zsilavecz
Mitglied der Chefredaktion