Novartis-Affäre sorgt für Politik-Skandal |
28.02.2018 10:06 Uhr |
Von Filippos Sacharis, Athen / Die Affäre um den Pharmakonzern Novartis sorgt in Griechenland für Schlagzeilen. Das Unternehmen soll Schmiergeld eingesetzt haben, um sich eine marktbeherrschende Stellung in Griechenland zu sichern. Zahlreiche Politiker sollen in die Affäre verwickelt sein.
Novartis soll mit Schmiergeldzahlungen an Politiker und Ärzte versucht haben, höhere Preise für seine Medikamente durchzusetzen. Zehn hochrangige Personen aus der Politik werden in Athen der Untreue, Bestechung und Geldwäsche verdächtigt.
Farbanschlag auf Novartis-Gebäude in Athen: Der Unmut in der Bevölkerung gegen den Pharmakonzern ist groß.
Foto: Picture Alliance
Betroffen sind ehemalige Spitzenpolitiker – zwei frühere Ministerpräsidenten und acht Ex-Minister. Unter anderen der EU-Kommissar Dimitris Avramopoulos, Zentralbankchef Yannis Stournaras, der ehemalige sozialdemokratische Finanzminister Evangelos Venizelos und mehrere Ex-Minister. Kommissar Avramopoulos soll 2009 den Ankauf von 16 Millionen Novartis-Grippeimpfungen für Griechenland veranlasst haben, so die Vorwürfe.
Von den beschuldigten Spitzenpolitikern sitzen fünf Abgeordnete in der Volksvertretung. Der ehemalige Vizepräsident von Novartis Hellas, Konstantinos Frouzis, soll die treibende Kraft hinter dieser Korruptions-Affäre gewesen sein. Alle Beschuldigten bestreiten die Vorwürfe. Insgesamt 7000 Seiten Papier wurden dem Parlament übergeben.
Bestechung im großen Stil
Die Regierung sieht in der Novartis-Affäre einen der größten Skandale in der griechischen Geschichte. Auch Staatsanwalt Dimitris Papangelopoulos bezeichnete den Korruptionsskandal um Novartis als den »größten Skandal seit der Gründung des griechischen Staates.«
Die Oppositionspartei Nea Dimokratia, deren Parteimitglieder im Verdacht stehen, in den Bestechungsprozess involviert gewesen zu sein, sprechen dagegen von Verleumdung, unbeweisbaren Aussagen und zweifelhaften Zeugen. Der amtierende Parteichef von Nea Dimokratia, Kyriakos Mitsotakis, kritisiert den Vorgang als »Schlammschlacht« seitens der Regierung. Es handele sich um ein Ablenkungsmanöver.
Im Raum steht der Vorwurf, es seien etwa 4000 Ärzte bestochen worden, ihren Patienten Arzneimittel von Novartis zu verschreiben. Unter den mutmaßlich Beteiligten sind auch der ehemalige Premierminister Antonis Samaras sowie der Premierminister der Übergangsregierung zwischen Mai und Juni 2012, Panagiotis Pikrammenos.
Zeugen zufolge soll Ex-Premier Samaras einen Koffer voller Geldscheine für Leistungen an Novartis Hellas entgegengenommen zu haben. Dieser bestreitet allerdings kategorisch die Anschuldigungen gegen ihn. Und hat eine Klage gegen den amtierenden Ministerpräsidenten Alexis Tsipras eingereicht. Tsipras wiederum wirft Samaras vor, einen Komplott geschmiedet zu haben.
Der griechische Premierminister seinerseits, will nun einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss einsetzen. Er werde alle rechtlichen Mittel ausschöpfen, um das Geld zurückzuerhalten, das dem Volk gestohlen worden sei.
Nach Darstellung der Behörden belasten illegalen Absprachen mit Novartis den Staatshaushalt um 3 Milliarden Euro. Laut der staatlichen Nachrichtenagentur ANA – MPA fanden die Ermittler Belege für Schmiergeldzahlungen in Höhe von 50 Millionen Euro. Novartis selbst gibt sich trotz der Anschuldigungen gelassen. Es liege keine Anklage gegen den Konzern oder derzeitige Mitarbeiter in Griechenland vor.
Andere Pharmakonzerne im Fokus?
Der Präsident des Athener Apothekervereins, Kostas Lourandos, fürchtet, dass nach Novartis auch andere Pharmakonzerne im Fokus der Justizbehörde stehen könnten. Er stichelte darüber hinaus gegen Ärzte, die offenbar gezielt Medikamente von bestimmten Pharmakonzernen verschreiben und sich so eine weitere Einnahmequelle aufbauen.
Die Novartis-Affäre dürfte noch eine ganze Weile weitergehen. Nach einer Marathon-Sitzung am 21. Februar hat das griechische Parlament über die Angelegenheit abgestimmt. Es billigte mehrheitlich die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses. Die zehn Politiker müssen mit einem Ermittlungsverfahren rechnen. /