Erster Wirkstoff für kausale Therapie |
28.02.2012 16:03 Uhr |
Von Daniel Merk und Manfred Schubert-Zsilavecz / Wie die positiven Studiendaten (PZ 37/2011) erwarten ließen, hat die FDA Ende Januar Ivacaftor (VX-770) zugelassen. Der in den USA unter dem Handelsnamen KalydecoTM erhältliche Wirkstoff verspricht Mukoviszidosepatienten neue Hoffnung. Die europäische Zulassung ist bei der EMA beantragt, eine Entscheidung steht noch aus.
Der neue Wirkstoff Ivacaftor erhöht die Offenwahrscheinlichkeit des bei cystischer Fibrose defekten Chloridionenkanals cystic fibrosis transmembrane conductance regulator (CFTR) und wird daher als CFTR-Potentiator bezeichnet. Entscheidend für seine Wirksamkeit ist allerdings das Vorliegen der Mutation G551D im CFTR-Kanal, also der Austausch von Glycin an Position 551 durch Asparaginsäure. Für andere der über 1500 bekannten Mutationen des CFTR-Kanals, insbesondere für die häufigste Mutation F508del, konnte keine Wirksamkeit in klinischen Studien nachgewiesen werden. Daher empfiehlt die FDA vor Einsatz von Ivacaftor, den Genotyp des Patienten zu bestimmen. Ivacaftor ist somit ein Wirkstoff für die personalisierte Medizin.
Abbildung: Wirkung des CFTR-Potentiators Ivacaftor auf CFTR mit der Mutation G551D; der Wirkstoff erlaubt den defekten Kanälen, länger geöffnet zu bleiben, sodass Chloridionen aus der Zelle strömen können.
In den doppelblinden, placebokontrollierten und randomisierten Zulassungsstudien (48 Wochen) verbesserte Ivacaftor die durchschnittliche Lungenfunktion, gemessen als forcierte Einsekundenkapazität (FEV1), um 10,6 beziehungsweise 12,5 Prozent gegenüber Placebo. Diese Wirkung war unabhängig von Alter, Geschlecht und Schweregrad der Erkrankung.
Auch für Kinder
Kalydeco ist von der FDA zugelassen für Patienten ab sechs Jahren. Kinder und Erwachsene erhalten alle 12 Stunden eine Filmtablette mit 150 mg Ivacaftor, die zusammen mit fetthaltiger Nahrung einzunehmen ist. Nach drei bis fünf Tagen werden so Steady-State-Konzentrationen erreicht. Die Dosis ist auf eine Tablette zu 150 mg täglich zu verringern bei Patienten mit mäßigen und schweren Leberfunktionsstörungen sowie bei gleichzeitiger Applikation von CYP3A4-Inhibitoren (auch Grapefruitsaft), da der Wirkstoff vornehmlich über dieses Cytochrom-Enzym metabolisiert wird. Entsprechend sollte die gleichzeitige Applikation von CYP3A4-Induktoren vermieden werden, weil sie die Metabolisierung von Ivacaftor beschleunigen und somit seine Wirksamkeit verringern können. Ivacaftor selbst und sein Hauptmetabolit M1 sind moderate CYP3A4- und P-gp-Inhibitoren
Der Wirkstoff wird nach oraler Applikation gut resorbiert und liegt im Plasma zu 99 Prozent an Plasmaproteine gebunden vor. Durch Metabolisierung über CYP3A4 entstehen die Hauptmetaboliten M1 und M6, wobei M1 noch zu circa 1/6 pharmakodynamisch aktiv ist. Ivacaftor und seine Metaboliten werden nahezu ausschließlich mit den Fäzes ausgeschieden. Die terminale Halbwertszeit beträgt 12 Stunden.
Bisher sind keine Kontraindikationen beschrieben. Die häufigsten Nebenwirkungen sind Kopf- und Ohrenschmerzen, Infekte des oberen Respirationstraktes, verstopfte Nase, abdominale Schmerzen, Ausschläge, Diarrhö, Übelkeit und Schwindel. Da in den klinischen Studien erhöhte Werte von Lebertransaminasen (ALT und AST) beobachtet wurden, sind diese während des ersten Jahres der Einnahme von Kalydeco zu kontrollieren und das Arzneimittel bei einer Erhöhung der Transaminasen über den 5-fachen Normwert gegebenenfalls abzusetzen.
Ivacaftor war im Tiermodell nicht kanzerogen oder teratogen, da aber keine humanen Daten vorliegen, sollte der Arzneistoff in der Schwangerschaft nur bei zwingender Indikation eingesetzt werden. Das Gleiche gilt für die Stillzeit, da hier ebenfalls keine Daten existieren.
Der Hersteller Vertex Pharmaceuticals hat alle Teilnehmer der Zulassungsstudien in eine Open-Label-Anschlussstudie übernommen, sodass weitere Daten zur Wirksamkeit und Sicherheit folgen. /