Febuxostat und Mifamurtid |
02.03.2010 14:50 Uhr |
Von Brigitte M. Gensthaler und Kerstin A. Gräfe / Im Februar kamen zwei neue Arzneistoffe auf den Markt. Der Xanthinoxidase-Hemmer Febuxostat blockiert die Bildung von Harnsäure und dient der Prophylaxe und Behandlung der chronischen Gicht. Das Orphan Drug Mifamurtid ist zugelassen zur Therapie des Osteosarkoms, einem seltenem Knochentumor.
Harnsäure ist beim Menschen das Endprodukt des Purinstoffwechsels. Reichert sich Harnsäure im Blut (Hyperurikämie) an, führt dies zur Ausfällung von Uratkristallen im Gewebe: Eine Gicht entsteht. Die Folgen sind sehr schmerzhafte Anfälle, Uratnephropathie, Tophi (»Gichtknoten«) an den Gelenken und Arthritis. Neben genetischen Störungen der Harnsäureausscheidung und des Purinstoffwechsels sind üppige purinreiche Kost, Alkohol und Übergewicht die Hauptursachen einer Gicht.
Gicht: Der erhöhte Harnsäurespiegel führt dazu, dass sich Harnsäurekristalle vermehrt ablagern – unter anderem in Gelenken. Febuxostat ist ein neues Urikostatikum.
Foto: Superbild
Neben der Akutbehandlung des Anfalls zielt die Therapie auf eine konsequente Senkung der Serumharnsäurewerte ab. Nach internationalen Empfehlungen sollten Patienten mit rezidivierenden Gichtanfällen Werte unter 360 µmol/l (6,0 mg/dl) erreichen. Neben einer purin- und alkoholarmen Ernährung sind Allopurinol (Urikostatikum) sowie die Urikosurika Benzbromaron und Probenecid etabliert in der Dauermedikation. Febuxostat ist ein neues Urikostatikum.
Febuxostat
Febuxostat (Adenuric® 80 mg und 120 mg Filmtabletten, Berlin Chemie) ist zugelassen zur Behandlung der chronischen Hyperurikämie bei Erwachsenen, die bereits Ablagerungen von Uratkristallen haben. Das 2-Aryl-Thiazol-Derivat hemmt selektiv die Xanthinoxidase. Dieses Enzym katalysiert im Körper des Menschen den oxidativen Umbau von Hypoxanthin zu Xanthin und weiter zu Harnsäure. Infolge der Enzymhemmung werden vermehrt Hypoxanthin und Xanthin renal ausgeschieden, und der Harnsäurespiegel in Blut und Urin sinkt. Allopurinol wirkt auf die gleiche Weise.
Febuxostat
Die Patienten nehmen täglich eine 80-mg-Tablette unabhängig von der Nahrung ein. Wenn die Serumharnsäure-Werte nach zwei bis vier Wochen nicht unter 6 mg/dl oder 357 µmol/l liegen, kann die Tagesdosis auf 120 mg erhöht werden. Ziel ist die dauerhafte Senkung unter diesen Wert. Bei Menschen mit leichter Niereninsuffizienz und Senioren ist keine Dosisanpassung nötig; bei leichter Leberinsuffizienz beträgt die empfohlene Dosis 80 mg.
Wichtig: Hat der Patient einen akuten Gichtanfall, soll die Therapie erst nach dem vollständigen Abklingen beginnen. Wie bei Allopurinol kann es unter Febuxostat bei Behandlungsbeginn zu einem Gichtanfall kommen, da infolge der Senkung der Harnsäure-Serumspiegel zunächst die Ablagerungen in den Geweben mobilisiert werden. Daher wird eine Anfallsprophylaxe mit NSAR oder Colchicin über mindestens sechs Monate empfohlen. Tritt dennoch ein Anfall auf, darf Febuxostat nicht abgesetzt werden. Die Dauertherapie senkt die Häufigkeit und Schwere der Gichtanfälle.
Die Wirksamkeit des Urikostatikums wurde unter anderem in zwei großen Studien mit mehr als 1800 Patienten mit Hyperurikämie und Gicht geprüft. In einer Studie bekamen die Patienten 28 Wochen lang entweder einmal täglich 80, 120 oder 240 mg Verum oder Placebo oder 300 mg Allopurinol. In einer Ein-Jahres-Studie wurden 80 und 120 mg Febuxostat mit 300 mg Allopurinol verglichen. Die Ärzte maßen monatlich die Harnsäurespiegel im Blut. Den primären Endpunkt hatten die Patienten erreicht, wenn ihre Serumharnsäure bei den letzten drei Messungen unter 6,0 mg/dl lagen.
In beiden Studien war Febuxostat statistisch signifikant wirksamer als Allopurinol und Placebo. In der ersten Studie erreichten 48 und 65 Prozent der Patienten mit dem neuen Medikament (80 und 120 mg) den Endpunkt gegenüber 22 Prozent unter Allopurinol. In der Ein-Jahres-Studie waren es 53 und 62 Prozent der Patienten gegenüber 21 Prozent aus der Allopurinol-Gruppe. In offenen Verlängerungsstudien der Phase III blieb der günstige Effekt erhalten. Was noch wichtiger für die Patienten ist: Gichtschübe waren deutlich seltener. Innerhalb von zwei Jahren benötigten 97 Prozent keine Behandlung wegen eines Gichtanfalls.
Die häufigsten Nebenwirkungen waren Leberfunktionsstörungen, Durchfall, Übelkeit, Kopfschmerzen und Hautausschlag. Da kardiovaskuläre Ereignisse unter Febuxostat häufiger als unter Allopurinol auftraten, sollen Patienten mit ischämischer Herzkrankheit oder dekompensierter Herzinsuffizienz das neue Medikament nicht bekommen.
Die Europäische Kommission hat die Zulassung bereits im April 2008 erteilt; Inhaber der Genehmigung ist Ipsen Pharma. In Deutschland wird die Firma Berlin-Chemie das Medikament voraussichtlich Mitte März auf den Markt bringen.
Mifamurtid
Mit Mifamurtid (Mepact® 4 mg Pulver zur Herstellung einer Infusionssuspension, IDM Pharma) ist laut Hersteller im Februar seit über 20 Jahren erstmals wieder ein Medikament zur Behandlung von bösartigem Knochenkrebs auf den Markt gekommen. Das Orphan Drug ist zur Therapie hochmaligner, nicht metastasierender Osteosarkome bei Kindern ab zwei Jahren, Jugendlichen und jungen Erwachsenen indiziert. Das Präparat wird als intravenöse Infusion in Kombination mit anderen Arzneimitteln verwendet, nachdem der Tumor operativ entfernt wurde.
Die häufigste Tumorart des Knochenkrebses ist das Osteosarkom (Röntgenbild). Es macht sich durch Schmerzen in den Knochen, vor allem im Knie bemerkbar.
Foto: Joel Mills
Das Osteosarkom ist ein seltener Knochentumor, der typischerweise bei Kindern und jungen Erwachsenen auftritt und oftmals einen tödlichen Verlauf nimmt. Da Osteosarkome in der Regel aus Osteoblasten entstehen, sind am häufigsten Kinder und Jugendliche in der Wachstumsphase betroffen. Während die meisten Tumoren in größeren Strukturen wie Oberschenkel-, Schienbein- und Oberarmknochen sowie in Knochenbereichen mit der schnellsten Wachstumsrate auftreten, können sich Osteosarkome in jedem Knochen manifestieren. Das häufigste Symptom ist Schmerz. Zudem können Schwellungen und Bewe-gungseinschränkungen auftreten. Die Überlebensrate für Kinder mit Osteosarkom liegt seit Mitte der 1980er-Jahre unverändert bei 60 bis 65 Prozent. Die Standardbehandlung ist eine Tumorresektion in Kombination mit einer Chemotherapie vor und nach dem chirurgischen Eingriff.
Mifamurtid ist ein synthetisches Derivat des Muramyldipeptids, eines mykobakteriellen Zellwandbestandteils. Es wirkt als Immunmodulator und aktiviert Monozyten und Makrophagen. Der genaue Wirkmechanismus beim Osteosarkom ist laut der Europäischen Arzneimittelagentur EMA nicht vollständig bekannt. Vermutet wird, dass der Arzneistoff Makrophagen anregt, Zytokine und Adhäsionsmoleküle freizusetzen, welche letztlich die Krebszellen abtöten.
Mifamurtid
Sauerstoff: Rot Stickstoff: Dunkelblau Wasserstoff: Hellblau Gelb: Schwefel Orange: Phosphor
Grafiken: Höltje, Berlin
Die empfohlene Dosis beträgt für alle Patientengruppen 2 mg/m2 Körperoberfläche. Die Infusion wird 12 Wochen lang zweimal wöchentlich und anschließend einmal wöchentlich über 24 Wochen verabreicht. Dabei sollte der Arzneistoff langsam über den Zeitraum von einer Stunde verabreicht werden, niemals als Bolus.
Mifamurtid darf nicht bei Patienten angewendet werden, die möglicherweise allergisch gegen den Arzneistoff oder einen der sonstigen Bestandteile sind. Es darf nicht gleichzeitig mit Ciclosporin oder anderen Calcineurin-Hemmern sowie mit hoch dosierten nicht steroidalen Antirheumatika angewendet werden. Auch die gleichzeitige Behandlung mit Corticoiden sollte vermieden werden.
Die Zulassung beruht auf der Phase-III-Studie MEPACT (INT-0133) mit 678 Osteosarkom-Patienten. Nach chirurgischer Entfernung des Tumors erhielten die Teilnehmer entweder Mifamurtid zusätzlich zu einer adjuvanten Chemotherapie mit drei oder vier Wirkstoffen (Doxorubicin/Cisplatin/Methotrexat mit oder ohne Ifosfamid) oder die alleinige Chemotherapie. Die Zusatztherapie mit Mifamurtid erhöhte die Gesamtüberlebensrate und senkte das relative Sterberisiko um knapp ein Drittel (28 Prozent).
Die am häufigsten beobachteten Nebenwirkungen waren Anämie, Appetitlosigkeit, Schwindelgefühl, Tachykardie, hoher oder niedriger Blutdruck, Atembeschwerden wie Kurzatmigkeit, beschleunigte Atmung und Husten, Magen-Darm-Störungen, verstärktes Schwitzen, Schmerzen in Kopf, Muskeln, Gelenken, Rücken, Extremitäten und der Brust, Fieber, Schüttelfrost, Hypothermie, Müdigkeit und Schwäche.