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Stickoxide

Auch bei kurzer Belastung gefährlich

21.02.2018  10:55 Uhr

Von Annette Mende / Die vor allem von Dieselmotoren und Heizanlagen freigesetzten Stickoxide sind nicht nur bei Dauer­belastung gesundheitsschädlich. Auch in ansonsten sauberer Luft erhöht ein vorübergehender, rascher Anstieg der Stickoxid-­Konzentration das Herzinfarkt-Risiko.

Da hohe Stickoxid-Werte auf Dauer das Herzinfarkt-Risiko erhöhen, gelten in der EU Grenzwerte für die Belastung der Atemluft von 200 µg pro m3 in der Stunde sowie 40 µg pro m3 im Jahresmittel. Inwieweit auch eine kurzfristige Belastung mit den Gasen gefährlich für das Herz ist, haben jetzt Wissenschaftler des Universitätsklinikums Jena untersucht. Die Forscher um Marius Rasche analysierten bei knapp 700 Herzinfarkt-Patienten nachträglich die Schadstoffbelastung der Luft zum Zeitpunkt des Einsetzens der Beschwerden. Wie sie im Fachjournal »Preventive Cardiology« ausführen, ergab die Auswertung einen annährend linearen Zusammenhang zwischen dem Ausmaß des Stickoxid-Anstiegs innerhalb von 24 Stunden und dem Herzinfarkt-Risiko (DOI: 10.1177/ 2047487318755804).

Jena hat normalerweise relativ saubere Luft. Laut einer Mitteilung der Uniklinik wurden die Grenzwerte für Stickoxid und alle anderen gemessenen Schadstoffe im Beobachtungszeitraum zwischen 2003 und 2010 nur an wenigen Tagen überschritten. Die Daten stammten vom Thüringer Landesamt für Umwelt und Geologie. Berücksichtigt wurden in der Studie neben dem Stickoxid auch die Ozon- und die Feinstaub-Werte. In die Analyse eingeschlossen wurden Patienten, die wegen eines akuten Herzinfarkts in die Uniklinik gekommen waren, deren Wohnsitz im Umkreis von 10 km um das Krankenhaus lag und bei denen sich der Zeitpunkt des Einsetzens der Symptome genau rekonstruieren ließ.

 

Erhöhte sich die Stickoxid-Konzen­tration innerhalb eines Tages um 20 µg pro m3, bedeutete das nahezu eine Verdopplung des Herzinfarkt-Risikos (Anstieg um 121 Prozent), eine Zunahme um 8 µg pro m3 immerhin noch ein Plus um 73 Prozent. Die Gegenprobe bestätigte den Zusammenhang: Ein Rückgang um mehr als 8 µg pro m3 ging mit einer Risikoreduktion von 60 Prozent einher. Bei der Feinstaub-Belastung war keine Korrelation erkennbar, beim Ozon waren die Ergebnisse nicht eindeutig.

 

»Rasche Anstiege der Stickoxid-Konzentrationen treten auch in einer vermeintlich sauberen Stadt wie Jena etwa 30-mal pro Jahr auf«, erläutert Seniorautor Dr. Florian Rakers. Auslöser könnten ein ungewöhnlich hohes Verkehrsaufkommen sein oder eine Wetterlage, die eine Smogentwicklung begünstigt. Die aktuellen EU-Grenzwerte tragen dem nicht Rechnung. »Wegen der klinischen Relevanz unserer Ergebnisse sollten dringend Untersuchungen in größerem Maßstab und anderen geografischen Regionen durchgeführt werden, um dann gegebenenfalls die EU-Grenzwerte um eine dynamische Komponente zu erweitern«, so Rakers. /

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