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Fertigarzneimittelseminar

Besorgte Eltern beruhigen und beraten

22.02.2010  12:51 Uhr

Von Elke Wolf, Frankfurt am Main / Gegen Erkältungsbeschwerden ihrer Sprösslinge wissen die Eltern meist, was zu tun ist. Was aber, wenn die Haut wegen eines Neurodermitis-Schubes juckt oder Scharlach zur Antibiotika-Einnahme zwingt? Und was ist im Vergiftungsfalle zu tun? Fragen, auf die das Fertigarzneimittelseminar des 8. Semesters Pharmazie der Uni Frankfurt Antworten gab.

In der Pädiatrie gehört der Off-Label-Use zum Alltag. In 90 Prozent aller pädiatrischen Verordnungen wird ein nicht zugelassenes Arzneimittel bezüglich der Indikation auf das Rezept geschrieben, und etwa 70 Prozent aller Verordnungen erfolgen off label bezüglich des Alters, informierte Lars Kühnemund in seinem Vortrag. Das Bestreben von Pharmafirmen, klinische Studien mit Kindern vorzulegen, war eher gering. Zu gering schien das Marktpotenzial; nur rund 5  Prozent aller Verordnungen entfallen auf die Pädiatrie. Eine neue EU-Verordnung, die vor drei Jahren in Kraft getreten ist, hat Anreize gesetzt, dies zu ändern. So bekommen Firmen, die Kinderstudien liefern, einen Bonus, und zwar wird der Schutz der eingereichten Daten und damit der Marktexklusivität um sechs Monate verlängert.

Praxisrelevantes hatte die Gruppe um Dorothee Malonga ausgearbeitet; die Handschrift des wissenschaftlichen Betreuers Professor Dr. Jörg Kreuter war deutlich zu erkennen. Bei Peroralia ergibt sich nicht selten ein Dosierungs­problem, besonders wenn sie als Lösung oder Suspension verabreicht werden. Neu entwickelte Arzneiformen haben sich dieses Mankos angenommen. Generell zeichne sich ein Trend zur Dosierspritze (zum Beispiel in Nurofen®-Suspension) ab, die im Vergleich zu Dosierlöffeln oder anderen -hilfen eine exaktere Abmessung der Dosis ermöglicht. Ansonsten ist für die Nystatin-Suspension Mykundex® neben dem Dosiertropfer auch ein Arznei­schnuller im Handel. Durch ein Loch im vorderen Teil des Schnullers kann das Kind die gesamte Zubereitung heraussaugen, wodurch sich eine hohe Dosiergenauigkeit ergibt.

 

Auch zwei eigens für Antibiotika entwickelte Arzneiformen überzeugen, sagte Malonga. So steckt hinter InfectoRoxit® eine Tablette, die das bitter schmeckende Roxithromycin in Form von neutral schmeckenden und speichelresistent überzogenen Pellets enthält. Vor der Anwendung wird die Tablette mit etwas Leitungswasser zu einer Suspension auf einem Löffel zubereitet; dabei entsteht ein angenehm schmeckender Brei. Technologen sprechen vom Liquitab®-Prinzip. Die zweite Innovation, die Dosiergenauigkeit gewährleistete, ist nicht mehr im Handel. Bei ClaroSIP® handelt es sich um einen Trinkhalm, der Clarithromycin in Form eines neutral schmeckenden Granulats enthielt. Der Strohhalm wird in ein Getränk getaucht, und sobald der Patient zu saugen beginnt, hat er das Granulat beim ersten Schluck bereits eingenommen. Grund für die Marktrücknahme waren die Zuzahlungen, die viele Ärzte und Eltern anprangerten.

 

Schnell handeln bei Vergiftungen

 

Rund 30 000 Anrufe gingen 2008 bei der Giftzentrale Bonn ein, recherchierte die Gruppe um Stefanie Weinfurter. 51 Prozent der Fälle betrafen Kinder, die unbewusst oder versehentlich giftige Substanzen zu sich genommen hatten. Zwischen 1 und 6  Jahren vergifteten sich die Kinder am häufigsten. Vergiftungen mit Medikamenten stellten in Bonn mit rund 37 Prozent aller Anrufe die häufigste Ursache für gemeldete Vergiftungen dar. Meist sind Psychopharmaka, Analgetika oder Antirheumatika der Grund. Mit rund 16 Prozent aller Anrufe folgten Vergiftungen mit Haushaltsmitteln und waschaktiven Substanzen. An dritter Stelle stehen mit 13 Prozent Vergiftungen mit Pflanzenteilen wie mit den Früchten des Gemeinen Goldregens.

 

Die Aufgabe des Apothekers besteht in allgemeinen Maßnahmen: Ruhe bewahren, Risiko einschätzen, jeweils zuständige Giftzentrale oder Notarzt anrufen und Erste-Hilfe-Maßnahmen einleiten. So sollte man dem Betroffenen Wasser oder Tee in kleinen Schlucken und Mengen zu trinken geben. Bei Säuren- oder Laugenvergiftungen sollte dies so schnell wie möglich erfolgen. Milch ist nicht geeignet, da diese die Resorptionseigenschaften einiger Substanzen verändern kann und in der Folge die Vergiftungserscheinungen nur noch verschlimmert. Wichtig: Niemals Erbrechen herbeiführen. Der Arzt führt stattdessen eine Magenspülung durch.

Sind Säuren, Laugen oder Kalk in die Augen gelangt, sind diese sofort für mindestens 15 Minuten unter fließendem Wasser zu spülen. Augenlider dabei gut offen halten. Nur so kann der Wasserstrahl noch vorhandene Säure-, Laugen- oder Kalkreste so schnell wie möglich ausspülen. Auch wenn die Haut durch schädliche Substanzen in Mitleidenschaft gezogen wurde, ist umgehend für mindestens eine Viertelstunde mit klarem Wasser zu spülen. Betroffene Kleidung sofort entfernen. Achtung: Kleidungsstücke gegebenenfalls zerschneiden, anstatt noch andere Hautareale zu verätzen.

 

Neurodermitis-Haut braucht Pflege

 

Die häufigste Erkrankung der Haut bei Kindern war Thema des Referats von Fiona von Büdingen. Neurodermitis wird heutzutage immer weniger als immunologische Störung betrachtet, sondern eher als Störung der Gene, die für die Hautdichtigkeit verantwortlich zeigen. Eines der hauptverantwortlichen Gene scheint das sogenannte Filaggrin-Gen auf Chromosom 1 zu sein. Bei rund der Hälfte der Neurodermitiker vermutet man Mutationen in diesem Bereich.

 

Das Protein Filaggrin wird aus Profilaggrin gebildet. Profilaggrin selbst ist wiederum ein im Striatum granulosum der Epidermis gebildetes Protein, welches in den Keratohyalingranula der Keratinozyten anzutreffen ist. Durch proteolytische Spaltung entstehen daraus vielfache Kopien des Filaggrinpeptids. Diese helfen nun dabei, Keratin-Filamente über Disulfidbrücken zu vernetzen; es kommt also zur Aggregation der Keratinfilamente. Das Filaggrin-Protein fördert Verhornungsprozesse an der Hautoberfläche und übernimmt somit einen wichtigen Part in der epidermalen Hautbarriere. Mutationen im Filaggringen beeinträchtigen die Filaggrin-Bildung. Die Folge: Die Schutzfunktion der Haut wird entscheidend beeinträchtigt, und dem Eindringen von Allergenen wird Vorschub geleistet.

 

Keine Alternative zur Impfung

 

Was der Haut fehlt, kann nur eine konsequente Pflege ausgleichen. Die Basispflege ist denn auch ein wichtiger Eckpfeiler der Therapie, informierte von Büdingen. Während akut entzündete Haut nach wasserhaltiger Pflege lechzt, versorgt man trockene, nicht entzündete Haut mit eher fetthaltigeren Präparaten. Ein dünner Fettfilm auf der Haut fungiert quasi als Verdunstungsschutz und hält den Wasserverlust in Grenzen. Außerdem glättet er die raue Hornschicht. Regelmäßiges Eincremen, am besten zwei- bis dreimal täglich, sollte in Fleisch und Blut übergehen.

 

Vor vielen Infektionskrankheiten wie Masern, Mumps und Co. können Eltern ihre Kinder durch Impfung bewahren. Zur Impfung gibt es keine Alternative, sagte Marco Keller. So haben etwa Masern eine recht hohe Komplikationsrate von 30 Prozent. Masernpartys, bei denen Eltern ihre Kinder vorsätzlich dem Virus aussetzen, sind deshalb strikt abzulehnen. Und weil die Durchimpfungsrate in Deutschland immer weiter abnimmt, kommt es ab und an in verschiedenen Regionen immer wieder zu Masern-Ausbrüchen.

 

Gegen manche typischen Kindererkrankungen lässt sich nicht impfen, so etwa gegen Scharlach. Einem Thema, dem sich die Gruppe um Julia Thoma widmete. Scharlach ist eine Sonderform der Streptokokken-Angina. Sie kommt durch Streptokokken A zustande, vor allem Streptococcus pyogenes. Nur wenn die Streptokokken Bakteriophagen beherbergen, erkrankt das Kind an Scharlach. Diese produzieren nämlich das Scharlach-Toxin. Ohne diese kommt es allein zu einer eitrigen Mandelentzündung. Bakteriophagen sind spezielle Viren, die auch Bakterien als Wirtszelle benutzen. Da es mehrere Serotypen dieser Bakteriophagen gibt, die gegenseitig keine Immunität verursachen, können Menschen im Laufe ihres Lebens im Gegensatz zu vielen anderen »Kinderkrankheiten« mehrfach an Scharlach erkranken.

 

Eine antibiotische Behandlung beugt den früher gefürchteten Spätkomplikationen vor. Scharlach spricht gut auf Penicillin an. Wegen des erhöhten Risikos von Komplikationen bei unbehandelten Verläufen sollte diese Therapie konsequent zehn Tage lang durchgeführt werden. Wichtig für die Beratung: Den Eltern bei der Abgabe klar machen, dass auch nach Anklingen der Symptome das Arzneimittel nicht vorzeitig abgesetzt werden darf. Zwar besteht 24 bis 48 Stunden nach Antibiotikabeginn keine Ansteckungsgefahr mehr. Trotzdem ist das Kind noch nicht gesund und sollte nicht gleich wieder in den Kindergarten oder die Schule geschickt werden. Durch den rechtzeitigen Penicillin-Einsatz sind Komplikationen wie rheumatisches Fieber, akute postinfektiöse Glomerulonephritis oder Herzbeschwerden selten geworden. / 

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