Apotheker sind mit eingebunden |
18.02.2010 15:24 Uhr |
Von Andrea Hämmerlein, Uta Müller und Martin Schulz, Berlin / Premiere für die Apotheker: Zum ersten Mal sind sie offiziell in eine deutsche Versorgungsleitlinie eingebunden. Gemäß der neuen Nationalen Versorgungsleitlinie (NVL) Asthma sollen sie vorrangig mit für eine korrekte Inhalationstechnik des Patienten sorgen.
Ende 2009 erschien die aktualisierte Fassung der NVL Asthma. Neben der Einbindung der Apotheker sind die stärkere Ausrichtung der Therapie auf die Asthmakontrolle und die Erweiterung des Stufenschemas die wichtigsten Neuerungen.
Für viele Asthma-Patienten unverzichtbar: Das Dosieraerosol bringt schnelle Linderung.
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Asthma bronchiale ist eine der häufigsten chronischen Erkrankungen weltweit. In den westlichen Ländern hat ihre Prävalenz in den vergangenen Jahrzehnten deutlich zugenommen. In Deutschland leiden rund 10 Prozent der Kinder und 5 Prozent der Erwachsenen an Asthma. Im Kindesalter ist es die häufigste chronische Erkrankung. Zugrunde liegt eine chronische Entzündung der Atemwege, die durch eine bronchiale Hyperreagibilität und eine variable Atemwegsobstruktion charakterisiert ist. Die Entzündung führt bei prädisponierten Personen zu rezidivierenden Episoden akuter Atemnot, Atemnebengeräuschen sowie Brustenge und Husten, vor allem nachts und am frühen Morgen.
Asthma hat eine große medizinische und sozioökonomische Bedeutung. Trotz enormer Fortschritte in der Forschung und Entwicklung neuer und immer effektiverer Therapien konnten Morbidität und Mortalität nicht bedeutend verringert werden. Die Gründe sind vielschichtig und liegen unter anderem in einer stark schwankenden Versorgungsqualität. Die Heilberufler können dazu beitragen, die Versorgung von Menschen mit Asthma zu optimieren (1).
Was hat sich geändert?
Nationale Versorgungsleitlinien (NVL) sollen Qualität und Effizienz in der Versorgung chronisch kranker Menschen verbessern (Kasten). Die NVL Asthma wurde 2005 als eine der ersten Nationalen Versorgungsleitlinien verabschiedet. Von März 2007 bis Dezember 2009 arbeiteten Experten an der zweiten Auflage.
Das Programm für Nationale Versorgungsleitlinien (NVL) ist eine 2002 von der Bundesärztekammer (BÄK) gestartete Initiative zur Förderung von Qualität und Transparenz in der strukturierten medizinischen Versorgung (Disease Management). Seit 2003 wird es gemeinsam von BÄK, Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) und Kassenärztlicher Bundesvereinigung (KBV) verantwortet und durch das Ärztliche Zentrum für Qualität in der Medizin (ÄZQ) in Berlin realisiert.
Die NVL beinhalten Behandlungspfade für definierte Versorgungsprobleme, die durch alle Bereiche der Gesundheitsversorgung (Prävention, Diagnostik, Therapie) führen und dabei insbesondere Lösungen für Schnittstellen, aber auch zwischen den Disziplinen und Gesundheitsberufen anbieten. Jede NVL basiert auf aktuellen, evidenzbasierten Leitlinien und dem Erfahrungswissen der Experten der beteiligten Fachgesellschaften. NVL sowie Patientenleitlinien existieren bisher zu den Themenbereichen Asthma, COPD, Depression, Typ-2-Diabetes, Herzinsuffizienz und Koronare Herzkrankheit. Die NVL sind der »Goldstandard« unter den Leitlinien, da sie die evidenzbasierten Leitlinien um weitere Aspekte ergänzen.
Gegenüber der ersten Ausgabe der NVL Asthma gab es zahlreiche Änderungen und Neuerungen. So wird jetzt größeres Gewicht auf die Kontrolle der Erkrankung gelegt, das Stufenschema der Behandlung wurde erweitert und ein Kapitel zum berufsbedingten Asthma ergänzt. Neu aufgenommen wurden Angaben zu den Kosten der Behandlung.
Auch der Kreis der mitwirkenden Experten hat sich gegenüber der ersten Ausgabe stark erweitert. Insgesamt waren 16 medizinische Fachgesellschaften und Organisationen beteiligt. Erstmals waren auch Vertreter der Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK, Geschäftsbereich Arzneimittel der ABDA) in die Überarbeitung der Leitlinie eingebunden.
Kontrolle als Zielkriterium
Asthma kann anhand von klinischen Symptomen und der Lungenfunktion in vier Schweregrade eingeteilt werden. Danach lassen sich ein intermittierendes sowie gering-, mittel- und schwergradig persistierendes Asthma definieren. Bisher wurde zur Pharmakotherapie die Zahl der eingesetzten Medikamente sowie deren Dosierung und Applikationshäufigkeit nach einem Stufenschema dem Schweregrad der Erkrankung angepasst. In der Praxis war die Umsetzung jedoch schwierig, da die meisten Patienten bereits unter Therapie stehen, wenn sie einen Arzt erneut aufsuchen und somit der eigentliche Schweregrad nicht mehr feststellbar ist. Daneben gibt es Asthmapatienten, die unbehandelt eine schwere Atemwegsobstruktion aufweisen und nach der Schweregrad-orientierten Therapie in die Kategorie schweres persistierendes Asthma fallen würden. Ihre Symptome sind aber mit einer einfachen antientzündlichen Therapie entsprechend der Stufe 2 des Stufenschemas, zum Beispiel zweimal 200 µg Budesonid, sehr gut kontrollierbar.
Eine Zusammenarbeit von Ärzten und Apothekern hinsichtlich einer effektiven und sicheren Pharmakotherapie ist sinnvoll. Der Apotheker steht dabei als Arzneimittelfachmann zu Fragen der Arzneimitteltherapie zur Verfügung. Gemeinsam mit dem Arzt und Patienten kann er arzneimittelbezogene Probleme erkennen und lösen.
Apotheker sollten die in ärztlichen Schulungen erworbenen Kenntnisse und Fertigkeiten vertiefen sowie gegebenenfalls wiederholt durch eine individuelle Beratung und Instruktion auffrischen.
Apotheker können unter anderem durch Überprüfung und Korrektur der Anwendung von Inhalationssystemen zu einer leitliniengerechten Inhalationstechnik und einer Steigerung der Therapietreue (Adhärenz) beitragen.
Zitiert aus (1)
Die Schweregradeinteilung hat sich damit für die Verlaufskontrolle nicht bewährt. Fortan wird sie nur noch bei der Erstbeurteilung eines therapienaiven Patienten angewandt.
Primäres Kriterium ist nun der Grad der Asthmakontrolle, der für die langfristige Verlaufskontrolle der Erkrankung und eine Therapie(-anpassung) entscheidend ist. In die Asthmakontrolle fließt neben dem Schweregrad der Erkrankung das Ansprechen auf die Therapie mit ein. Wie gut das Asthma kontrolliert ist, wird anhand der aktuellen Krankheitsaktivität, definiert durch die Symptome bei Tag und Nacht, die Einschränkungen im täglichem Leben, den Bedarf an Notfallmedikation, die Lungenfunktion und die Frequenz von Exazerbationen bewertet. Gemäß der neuen NVL wird so kontrolliertes, teilweise kontrolliertes und unkontrolliertes Asthma unterschieden (Tabelle).
Kriterium | Kontrolliertes Asthma (alle Kriterien erfüllt) | Teilweise kontrolliertes Asthma (ein bis zwei Kriterien innerhalb einer Woche erfüllt) | Unkontrolliertes Asthma |
---|---|---|---|
Symptome tagsüber | keine (≤ 2x pro Woche); bei Kindern und Jugendlichen: keine | > 2x pro Woche, bei Kindern und Jugendlichen: irgendein | drei oder mehr Kriterien des »teilweise kontrollierten Asthmas« innerhalb einer Woche erfüllt |
Einschränkung von Aktivitäten im Alltag | keine | irgendeine | |
nächtliche/s Symptome/Erwachen | kein/e | irgendein/e | |
Einsatz einer Bedarfsmedikation oder Notfallbehandlung | kein/e (≤ 2x pro Woche), bei Kindern und Jugendlichen: keine | > 2x pro Woche, bei Kindern und Jugendlichen: irgendein/e | |
Lungenfunktion (PEF oder FEV1) | normal | < 80 % des Sollwertes (FEV1) oder des persönlichen Bestwertes (PEF) | |
Exazerbation*) | keine | eine oder mehrere pro Jahr | eine pro Woche |
*) Jegliche Exazerbation in einer Woche bedeutet definitionsgemäß ein »unkontrolliertes Asthma«. Definition Exazerbation: Episode mit Zunahme von Atemnot, Husten, pfeifenden Atemgeräuschen und/oder Brustenge, die mit einem Abfall von PEF (Peak-Expiratory-Flow, Expiratorischer Spitzenfluss) oder FEV 1 (Einsekundenkapazität) einhergeht.
Die Beurteilung der Asthmakontrolle soll regelmäßig erfolgen. Mit Ausnahme der Lungenfunktionstests sind alle Parameter mit validierten Fragebögen leicht zu erfassen. Ein Beispiel dafür ist der Asthma Control Test (ACT); Informationen zum Einsatz des ACT in der Apotheke liefert der Beitrag von Ina Minde in dieser Ausgabe (Asthma bronchiale: Einsatz des Asthmakontrolltests in der Apotheke). Dass sich das Krankheitsmanagement nun an Parametern der Asthmakontrolle orientiert, gilt als ein wichtiger Schritt hin zu einem besseren Umgang mit der Erkrankung.
Erweitertes Stufenschema
Ziel im Asthmamanagement ist es, den Status eines kontrollierten Asthmas zu erreichen und aufrecht zu halten und damit eine bestmögliche Lebensqualität für den einzelnen Patienten zu erzielen. Die aktualisierte Leitlinie sieht fünf Behandlungsstufen für die medikamentöse Langzeittherapie vor, die jeweils verschiedene Therapieoptionen beinhalten. Damit wurde das bisherige Schema um eine Stufe erweitert. Es wird zwischen der Asthmatherapie bei Erwachsenen (Abbildung 1) sowie bei Kindern und Jugendlichen unterschieden.
Abbildung 1: Medikamentöse Langzeittherapie des Asthmas bei Erwachsenen (oben) sowie bei Kindern und Jugendlichen; nach NVL Asthma (1)
RABA: rasch wirkende β2-Sympathomimetika (Fenoterol, Salbutamol, Terbutalin); Formoterol wird zur Bedarfstherapie in Stufe 1 nicht empfohlen
LABA: lang wirkende β2-Sympathomimetika (Formoterol, Salmeterol)
ICS: inhalative Corticosteroide (Beclometason, Budesonid, Fluticason, Mometason, Ciclesonid)
LTRA: Leukotrien-Rezeptorantagonist (Montelukast)
Orale Corticosteroide: zum Beispiel Prednisolon
Bei persistierendem Asthma besteht ab der Stufe 2 die Basis der Therapie in einer angemessenen und effektiven Kontrolle der Atemwegsentzündung. Dies geschieht durch die regelmäßige Anwendung eines antientzündlich wirkenden Arzneimittels. Mittel der ersten Wahl sind inhalative Corticosteroide (ICS). Ab Stufe 3 ist die Kombination eines ICS mit einem lang wirkenden β2-Sympathomimetikum (LABA) empfohlen, zum Beispiel Formoterol oder Salmeterol. Als Alternativen oder zusätzlich werden der Leukotrien-Rezeptorantagonist Montelukast und/oder Theophyllin mit ICS kombiniert.
Bei Patienten mit schwerem persistierenden Asthma können zusätzlich orale Corticosteroide intermittierend oder dauerhaft erforderlich sein. Sie sollten in der niedrigsten noch effektiven Dosis gegeben werden. Eine zusätzliche Option bei allergischem Asthma ist die Anti-IgE-Behandlung mit Omalizumab, wenn trotz täglicher Therapie mit hoch dosiertem ICS und LABA mehrfach schwere Exazerbationen auftreten.
Als Bedarfsmedikation wird in allen Stufen ein rasch wirkendes β2-Sympathomimetikum (RABA, zum Beispiel Salbutamol) zur akuten Symptomverbesserung eingesetzt. Bei Kindern und Jugendlichen steht für die Bedarfstherapie alternativ oder zusätzlich das Anticholinergikum Ipratropiumbromid zur Verfügung. Im Gegensatz zum früheren Stufenschema werden orale β2-Sympathomimetika und die Cromone Cromoglicin und Nedocromil nicht mehr empfohlen.
Die Therapie soll nach dem Ausmaß der Asthmakontrolle dynamisch angepasst werden, das heißt, sie kann durch die Zahl der eingesetzten Arzneimittel, deren Dosierung und Applikationshäufigkeit intensiviert oder reduziert werden. Der Verbrauch an Bedarfsmedikation ist dabei ein empfindlicher Indikator für die Qualität der Asthmakontrolle. Umgekehrt gilt die Reduktion des Bedarfs als wichtiger Indikator für eine erfolgreiche Asthmabehandlung.
Beratung in der Apotheke nützt
Die Mitarbeit der Apotheker an der Neuauflage der NVL Asthma beruhte auf dem Nutzen, den Apotheker bei der Versorgung von Asthmapatienten nachgewiesen haben. Entscheidend dafür waren die Studien zur Pharmazeutischen Betreuung der ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände in Hamburg und Trier (2, 3) sowie die VITA-Untersuchung (Verbesserung der Inhalationstechnik von Menschen mit Asthma oder COPD in Apotheken) (4, 5). Die Studien haben gezeigt, dass Apotheker mit einer intensivierten pharmazeutischen Betreuung zu einer optimierten Arzneimitteltherapie und Verbesserung »patientennaher« Parameter wie Inhalationstechnik, asthmaspezifischem Wissen, Lebensqualität und asthmabedingter Symptome beitragen können.
Nur bei richtiger Inhalationstechnik können Asthma-Sprays optimal wirken. Gute Beratung in der Apotheke trägt dazu bei, dass Patienten ihre Krankheit besser managen können.
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Die VITA-Studie zeigte deutlich, wie effektiv eine strukturierte Intervention von Apothekern zur Verbesserung der Inhalationstechnik bei Menschen mit Asthma oder COPD (chronisch obstruktive Lungenerkrankung) ist. Dabei wurde die Inhalationstechnik bei 757 erwachsenen Patienten untersucht. Acht von zehn Patienten machten mindestens einen Fehler. Durch eine einmalige Beratung in der Apotheke sank deren Anteil von 79 auf 28 Prozent. Die bundesweit angelegte Studie belegte eindrucksvoll, wie problematisch die Anwendung von Inhalationssystemen und wie groß der Beratungsbedarf der Patienten ist. Unabhängig von ihrer vorherigen Schulungserfahrung profitierten alle Patienten von der Betreuung in der Apotheke.
Die Inhalationstherapie mit bronchienerweiternden und entzündungshemmenden Arzneistoffen ist eine wichtige Säule des Asthmamanagements. Unerlässlich ist die korrekte Anwendung der Inhalationssysteme (6, 7). Neben VITA haben verschiedene internationale Studien eine hohe Fehlerrate bei der Anwendung von Dosieraerosolen und Pulverinhalatoren belegt. 50 bis 80 Prozent der Patienten benutzten ihr Medikament nicht korrekt (6, 8-12). Die Folge kann eine unzureichende Symptomkontrolle sein (7, 13), unter Umständen verbunden mit vermehrten Nebenwirkungen. Eine unzureichende Kontrolle kann zur Verschlimmerung der Symptomatik und einem langfristig ungünstigeren Krankheitsverlauf führen.
Die VITA-Studie hat zudem gezeigt, dass sich im Lauf der Zeit Fehler einschleichen können, auch wenn die Patienten den Umgang mit ihrem Inhalationssystem erlernt haben. Die Ergebnisse untermauern, wie notwendig eine regelmäßige Evaluation der Arzneimittelanwendung mit bedarfsgerechten Instruktionen ist. Oft ist den Patienten eine ungenügende Beherrschung der Inhalationstechnik nicht bewusst, und sie überschätzen die eigenen Fertigkeiten (14). Noch schwieriger wird es, wenn Patienten mehrere inhalative Arzneimittel verordnet bekommen, manche als Dosieraerosol, andere in Form eines Pulverinhalators. Die Inhalationstechnik und das damit verbundene Atemmanöver beider Systeme unterscheiden sich. Nachweislich machen Patienten mit zwei und mehr Inhalationssystemen signifikant mehr Fehler bei der Anwendung (15).
Effektive Inhalationstherapie
Um eine effektive Therapie zu unterstützen, formuliert die NVL Asthma eine Reihe von Empfehlungen. Danach wählt der Arzt bei seiner Verordnung das Inhalationssystem nach der individuellen Eignung für den Patienten aus. Bei Neuverordnungen stellt er sicher, dass der Patient in den Gebrauch unterwiesen und die korrekte Handhabung demonstriert wird. Bei einem Wechsel des Inhalationssystems soll eine Neueinweisung des Patienten erfolgen.
Die NVL Asthma hat ein Ablaufschema zur Sicherstellung der korrekten Inhalation verabschiedet (Abbildung 2). Danach soll die Arzneimittelanwendung zeitnah, das heißt innerhalb von vier Wochen nach der Patientenschulung, überprüft und bei Bedarf optimiert werden. Dies erfolgt durch den Arzt und gegebenenfalls zusätzlich durch einen Apotheker. Wenden Patienten ihr Inhalationssystem fehlerfrei an, soll dies mindestens einmal jährlich überprüft werden. Patienten, die Fehler bei der Anwendung machen, sollten erneut angeleitet werden. Der Erfolg dieser Intervention ist wieder zeitnah (innerhalb von vier Wochen) zu prüfen.
Abbildung 2: Sicherstellung der korrekten Inhalationstechnik; nach NVL Asthma (1)
Bei Handhabungsfehlern, die trotz wiederholter Instruktion fortbestehen und die Effektivität der Pharmakotherapie beeinflussen können, ist gegebenenfalls eine Nachschulung oder ein Wechsel des Inhalationssystems angezeigt, sofern für den Arzneistoff andere Inhalationssysteme zur Verfügung stehen. Gegebenenfalls ist ein Wechsel des Arzneistoffs notwendig. Werden mehrere Inhalationsarzneimittel verordnet, sollte nach Möglichkeit für die Dauertherapie nur ein Applikationssystem verwendet werden, das heißt nur ein Typ eines Dosieraerosols oder Pulverinhalators.
In der NVL Asthma zielt die konkrete Einbindung der Apotheker vor allem darauf ab, in Kooperation mit dem Arzt Patienten bei der Anwendung ihrer Arzneimittel zu unterstützen und eine korrekte Inhalationstechnik sicherzustellen. Der Nutzen für die Patienten liegt vor allem in einer Vertiefung und Auffrischung der in der ärztlichen Schulung erworbenen Kenntnisse. Apotheker tragen damit erstmals eine festgeschriebene Verantwortung bei der Betreuung von Asthmapatienten (1).
Das Peak-flow-Meter hilft, Atemwegsobstruktionen frühzeitig zu erkennen.
Foto: DAK
Die inhalativen Arzneimittel zählen bekanntlich zu den kritischen Applikationsformen. Dies gilt es auch im Zusammenhang mit Rabattverträgen zu berücksichtigen. Der Austausch eines rabattbegünstigten Inhalationssystems mit abweichender Inhalationstechnik vom Vorgängerpräparat kann problematisch sein und sowohl den Therapieerfolg als auch die Arzneimitteltherapiesicherheit gefährden und zu einer schlechteren Adhärenz (Compliance) führen. Daher ist eine Rücksprache des Apothekers mit dem Arzt empfehlenswert, wenn das Aut-idem-Kreuz auf dem Rezept fehlt und der Austausch vorgeschrieben ist. Der Arzt hat die Möglichkeit, den Austausch des Arzneimittels auf dem Rezept auszuschließen.
Daneben können Apotheker seit der Neufassung des Rahmenvertrages zum April 2008 von der Verpflichtung zur Abgabe rabattbegünstigter Arzneimittel abweichen, wenn der Abgabe aus ihrer Sicht im konkreten Einzelfall pharmazeutische Bedenken entgegenstehen. Pharmazeutische Bedenken bestehen, wenn der Therapieerfolg oder die Arzneimitteltherapiesicherheit durch den Präparatetausch trotz zusätzlicher Beratung des Patienten gefährdet ist (16).
Empfehlungen für die Praxis
Zur Unterstützung einer qualitätsgesicherten Beratung hat das Zentrum für Arzneimittelinformation und Pharmazeutische Praxis (ZAPP, Geschäftsbereich Arzneimittel) der ABDA Arbeitshilfen erarbeitet. Dazu zählt eine Standardarbeitsanweisung (SOP), die auf die Sicherstellung der korrekten Inhalationstechnik und die Handhabung der Checkliste zur Überprüfung der Inhalation eingeht. Mit der Checkliste kann der Apotheker die Anwendung aller Inhalationssysteme überprüfen und dokumentieren. Als Hintergrundinformation stehen ferner ergänzende Informationen zur richtigen Handhabung und zu potenziellen Fehlerquellen der verschiedenen Inhalationssysteme zur Verfügung. Diese Arbeitshilfen sind über die Homepage der ABDA (www.abda.de) zugänglich und können kostenfrei heruntergeladen werden.
Hilfreich bei der Beratung sind Demonstrationsmaterialien wie Placebo-Sprays. Für die korrekte Anwendung von Inhalationssystemen ist es wichtig, dass Patienten zusätzlich zu einer theoretischen Erläuterung unter Anleitung des Apothekers üben können. Hilfreich können auch schriftliche Informationen sein, die der Patient als Erinnerungshilfe nach der Instruktion mitnehmen kann (17).
Der Berater sollte besonders auf häufige Fehlerquellen achten. Abbildung 3 zeigt die häufigsten Probleme, die in der VITA-Untersuchung dokumentiert wurden (4, 5).
Abbildung 3: Die häufigsten Fehler bei der Anwendung von Inhalationssystemen, gemäß VITA-Studie (4, 5)
N = 757: Dosieraerosol (DA, n = 225), atemzuginduziertes DA (DA-atem, n = 33), DA mit Spacer (DA+S, n = 19), Pulverinhalator (PI, n = 479), Verwendung von Glucocorticoid-haltigen Inhalationssystemen (n = 505)
Dabei gibt der obere Balken jeweils an, wie viel Prozent der Patienten vor der Beratung Fehler machten; der untere Balken zeigt die Fehlerrate nach der Unterweisung. Drei Viertel der Patienten neigen bei Anwendung eines Dosieraerosols den Kopf nicht zurück, wodurch die Atemwege nicht begradigt werden. Wegen der hohen Austrittsgeschwindigkeit des Aerosols kann es in der Folge zu einer starken Mund-Rachen-Raum-Deposition der Wirkstoffpartikel kommen. Dies kann vor allem bei Corticosteroiden zu vermehrten Nebenwirkungen, zum Beispiel Heiserkeit oder Candida-Mykosen im Mund-Rachenraum, führen. Durch leichtes Zurücklegen des Kopfes vergrößert sich der nahezu rechte Winkel zwischen Mund-Rachen-Raum und Luftröhre zu einem stumpfen Winkel; dies ermöglicht ein annähernd laminares Einströmen des Aerosols (18).
Weiterhin treten gehäuft Fehler bei der Atemtechnik vor, während und nach der Inhalation auf. Diese können die Arzneistoffdeposition in der Lunge beeinflussen. Das abweichende Atemmanöver bei Dosieraerosolen und Pulverinhalatoren sollte unbedingt berücksichtigt werden. Dazu einige Hinweise:
Die fehlende Reinigung des Mundstücks von Speichelresten kann bei Pulverinhalatoren die Arzneistofffreisetzung bei nachfolgenden Inhalationen beeinträchtigen. Eine Reinigung ist allein schon aus hygienischen Gründen anzuraten. Wenn der Patient nach Inhalation eines Corticosteroids den Mund nicht gründlich mit warmem Wasser ausspült, etwas isst oder die Zähne putzt, können verstärkt oropharyngeale Nebenwirkungen auftreten.
Fazit
In der zweiten Auflage der NVL Asthma sind die Apotheker erstmals eingebunden. Sie sollen vor allem in Kooperation mit dem Arzt zur Sicherstellung einer korrekten Anwendung von inhalativen Arzneimitteln beitragen. Studien haben sowohl bei Dosieraerosolen als auch bei Pulverinhalatoren eine hohe Fehlerrate bei der Anwendung belegt. Die korrekte Anwendung der verordneten Inhalationssysteme ist eine wichtige Voraussetzung für den optimalen Nutzen der Pharmakotherapie und damit für eine effektive Asthmakontrolle. Für den Erfolg und Nutzen der Leitlinie ist es entscheidend, dass die Empfehlungen sowohl in der ärztlichen Praxis als auch in möglichst vielen Apotheken umgesetzt werden. /
Andrea Hämmerlein studierte Pharmazie (Approbation 1998) an der Freien Universität in Berlin und verbrachte während des Praktischen Jahres sechs Monate im Department of Pharmaceutics an der University of Florida in Gainesville, USA. Während ihrer Promotionszeit am Institut für Klinische Chemie und Pathobiochemie der Berliner Charité, Campus Benjamin Franklin, arbeitete sie an der Erforschung molekularer Mechanismen der Krebsentstehung. Nach ihrer Promotion 2003 war sie als Postdoc an der Charité tätig. Seit August 2004 ist Dr. Hämmerlein als Referentin für Pharmazeutische Betreuung im ZAPP der ABDA tätig.
Uta Müller studierte Pharmazie an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz (Approbation 1997), Public Health an der Ludwig-Maximilians-Universität in München (Abschluss 2000) und Gesundheitsökonomie in Bayreuth (Abschluss 2009). Sie wurde an der Humboldt-Universität zu Berlin in der Arbeitsgruppe Arzneimittelepidemiologie/Sozialpharmazie promoviert. In dieser Zeit war sie auch für die Bayerische Landesapothekerkammer in verschiedenen Projekten zur Pharmazeutischen Betreuung tätig. Seit 2004 ist sie als Referentin für chronische Erkrankungen im ZAPP der ABDA tätig.
Martin Schulz studierte Pharmazie (Approbation 1983) und Medizin an der Universität Hamburg. Die Promotion im Fach Pharmakologie erfolgte 1988. Seit Oktober 1988 leitet er das ZAPP der ABDA und übernahm 2002 die Geschäftsführung Pharmazie des Deutschen Arzneiprüfungsinstituts (DAPI). Im Juli 2005 erhielt er die Honorarprofessur für Klinische Pharmazie an der Goethe-Universität Frankfurt. Seit 2008 ist Professor Schulz Geschäftsführer des Geschäftsbereichs Arzneimittel der ABDA und seit 2009 zusätzlich Vorsitzender der Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK).
Dr. Andrea Hämmerlein
Dr. Uta Müller
Professor Dr. Martin Schulz
ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände, Geschäftsbereich Arzneimittel, Zentrum für Arzneimittelinformation und Pharmazeutische Praxis (ZAPP)
Jägerstraße 49/50
10117 Berlin
Danksagung: Unser Dank gilt allen Apotheken, die sich mit großem Engagement an den Pharmazeutischen Betreuungsstudien und an der VITA-Studie beteiligt haben. Ferner danken wir dem Ärztlichen Zentrum für Qualität in der Medizin, namentlich Professor Dr. Dr. med. Günter Ollenschläger, Liat Fishman und Dr. med. Susanne Weinbrenner sowie dem Expertengremium für die engagierte Zusammenarbeit an der Neuauflage der NVL Asthma.