Pharmazeutische Zeitung online
Arbeitsplatz

Apotheker in der Industrie

23.02.2010  16:04 Uhr

Von Uta Grossmann / Nicht jeden Apotheker drängt es nach dem Studium in die Offizin. Schließlich gibt es für Pharmazeuten noch andere Betätigungsfelder, zum Beispiel in der Industrie. Dr. Kai Kretzler und Silke Bergmann erzählen, warum sie in einem mittelständischen Entwicklungsunternehmen ihr berufliches Glück gefunden haben.

Das Institut für industrielle Pharmazie (IIP) hat sich auf die Entwicklung und Registrierung generischer Arzneimittel spezialisiert. 1979 gründeten der Chemiker Dr. Gerhard Ludwig und der Pharmazeut Dr. Rainer Sunderdiek, die beide von Boehringer Ingelheim kamen, das IIP gemeinsam mit dem Unternehmer Herbert Schwind.

Sie entwickelten zunächst Pflegesysteme für harte und weiche Kontaktlinsen, die in vielen Ländern patentiert wurden und noch heute für die Langzeitpflege von Kontaktlinsen von Bedeutung sind. Inzwischen hat sich das IIP als Dienstleister für die europäische Pharmaindustrie auf den Gebieten Galenik, Analytik und Zulassung einen Namen gemacht.

 

Lust auf Arzneistoffanalysen

 

Aus diesen Anfängen hat sich ein mittelständisches Unternehmen mit über 25 Mitarbeitern und Standorten in Aschaffenburg (Bayern) und Stromberg (Rheinland-Pfalz) entwickelt. Seit 2001 leitet Dr. Kai Kretzler die galenische Abteilung und die Herstellung, wobei das IIP lediglich Chargen für die galenische Entwicklung von Arzneimitteln selbst fertigt; für Zulassungs- und Produktionschargen greift es auf Lohnhersteller zurück. Kretzler war als Schüler gut in Chemie, Physik und Mathematik, hatte außerdem ein starkes technisches Interesse. Die Pharmazie zog ihn vor allem wegen der chemisch-naturwissenschaftlichen Aspekte an, er stellte es sich spannend vor, Arzneistoffe zu analysieren. Also studierte er in Würzburg Pharmazie und verbrachte sein praktisches Jahr zur Hälfte in einer öffentlichen Apotheke und zur anderen Hälfte bei Zeneca (heute AstraZeneca).

 

»Schon während des Studiums wurde mir klar, dass die Apotheke ungeeignet für mich ist«, erzählt Kretzler. Dabei spielten auch ökonomische Überlegungen eine Rolle. Als selbstständiger Apotheker sei man abhängig von politischen Entscheidungen. »Ich wollte nicht zum Spielball anderer Leute werden«, sagt er. Die Möglichkeiten, selbst Einfluss auf den Profit zu nehmen, seien bei Arzneimitteln begrenzt. Es habe sich abgezeichnet, dass der Preisdruck auch durch Entwicklungen wie den Versandhandel zunehmen und die Gewinne der öffentlichen Apotheken zurückgehen würden. »Ich bin jemand, der Leistung bringen möchte, aber das sollte sich auch auszahlen«, sagt Kretzler. Als angestellter Apotheker mit Tarifgehalt zu arbeiten, lohne sich finanziell vor dem Hintergrund des zeitaufwendigen Studiums nicht, in der Industrie werde angemessener bezahlt »und man kann sich die Zeit selbst besser einteilen«. Der junge Apotheker strebte also einen Arbeitsplatz in der Industrie an. »Da kommt man um den Doktor praktisch nicht herum«, sagt er. Also promovierte er und bewarb sich anschließend bei mehreren Firmen, darunter IIP.

 

Reizvoll an dem mittelständischen Unternehmen findet er, dass die Aufgaben vielfältig sind. »Ich bin zwar Leiter der Galenik, kümmere mich aber zum Beispiel auch um unsere Hard- und Software«, erzählt Kretzler. Im vergangenen Jahr hat er ein neues, 200 Quadratmeter großes galenisches Labor geplant und den Bau beaufsichtigt.

 

Mehrere Zulassungen nötig

 

In den 30 Jahren seines Bestehens hat IIP 150 Produkte entwickelt und 1000 Zulassungen erwirkt. Um die Entwicklungskosten wieder hereinzubekommen, muss ein Produkt mehr als einmal zur Zulassung eingereicht werden – für unterschiedliche Firmen. Von der Entwicklung eines Generikums bis zur Zulassung vergehen vier bis fünf Jahre. Allein die Anfertigung des Zulassungsdossiers für die deutsche oder die europäische Zulassungsbehörde ist ein riesiger bürokratischer Aufwand. Damit kennt sich Silke Bergmann aus. Die Apothekerin arbeitet seit 2004 bei IIP als »Regulatory Affairs Manager« in der Zulassungsabteilung.

 

Es macht ihr Spaß, auch wenn die Bürokratie manchmal extreme Ausmaße annimmt. Sie findet es spannend, den Weg eines Arzneimittels zu begleiten, bevor es in der Apotheke landet. Bergmann absolvierte nach dem Abitur eine Chemielaborantenlehre bei Hoechst (heute Sanofi-Aventis). Dann studierte sie in Frankfurt Pharmazie. Nach dem Examen arbeitete sie ein Jahr in einer Apotheke im hessischen Mühlheim. Sie wollte dann aber noch ein anderes Arbeitsfeld für Pharmazeuten kennenlernen. Nun stand sie vor der Frage: Promotion – ja oder nein.

 

Familie und Job unter einem Hut

 

Sie hatte bereits eine Promotionsstelle, entschied sich dann aber aus Gründen der Familienplanung dagegen und nahm eine Stelle in einem pharmazeutischen Unternehmen in Frankfurt an. »Ich wollte erste Berufserfahrungen sammeln, bevor ich Kinder bekomme, eine Promotion hätte einfach zu lange gedauert«, sagt sie. Bereut hat sie die Entscheidung nicht.

 

Heute hat sie eine zwölfjährige Tochter und einen zehnjährigen Sohn und arbeitet Teilzeit bei IIP. »Eigentlich« hat sie 16 Stunden pro Woche, doch wenn dringende Projekte anstehen, wie jetzt gerade, werden es schon mal einige mehr. Sie ist flexibel und kann umgekehrt mit dem Entgegenkommen ihres Arbeitgebers rechnen. »Es ist ein Geben und Nehmen«, sagt sie. Während viele Frauen die Apotheke als familienfreundlichen Arbeitgeber bevorzugen, hat Silke Bergmann in der Industrie gute Bedingungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gefunden. /

Mehr von Avoxa