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Weltkrebstag 2008

Körperverletzung durch Passivrauchen

08.04.2008  17:26 Uhr

Weltkrebstag 2008

Körperverletzung durch Passivrauchen

Von Christiane Berg

 

Rauchen in Anwesenheit von Kindern kommt einer Körperverletzung gleich. Anlässlich des Weltkrebstages hat die Deutsche Krebshilfe zusammen mit der International Union Against Cancer (UICC) vor den Gesundheitsgefahren durch Passivrauchen für die Kleinsten und Allerkleinsten gewarnt.

 

Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg hat die Fakten zur Belastung von Kindern durch Passivrauchen gesammelt. Die Zahlen des Berichts sind erschreckend. Danach lebt fast jedes zweite Kind in Deutschland in einem Haushalt mit mindestens einem Raucher. Mit anderen Worten: 8,4 Millionen Kinder sind ständig den Gefahren des blauen Dunstes ausgesetzt. 2,2 Millionen Kinder, die durch Passivrauchen leiden, sind fünf Jahre alt oder jünger.

 

Husten, Auswurf, Atemnot: Kinder rauchender Eltern leiden öfter unter akuten und chronischen Atemwegserkrankungen als die von nicht rauchenden Vätern und Müttern. Dabei steigt die Häufigkeit der Symptome mit der Menge der im Elternhaus gerauchten Zigaretten. Kleinkinder im Vorschulalter haben ein um 50 bis 100 Prozent erhöhtes Risiko, an einer Bronchitis, Bronchiolitis, Lungenentzündung oder an Asthma zu erkranken.

 

Die Zahl der Krankenhauseinweisungen aufgrund schwerer respiratorischer Erkrankungen ist um 40 bis 60 Prozent erhöht. Bei bis zu dreijährigen Kindern ist elterliches Rauchen mit einem zwei- bis dreifachen Risiko für akute und chronische Mittelohrentzündungen assoziiert. Kinder unter 18 Jahren, die in einem Raucherhaushalt leben, erkranken bis zu viermal häufiger an einer Hirnhautentzündung als Kinder aus rauchfreien Haushalten.

 

Embryo raucht mit

 

Durch die Gifte des Tabakrauches kommt es schon bei Ungeborenen zu Entwicklungsstörungen. Rauchen ist verantwortlich für 15 Prozent aller Frühgeburten sowie 20 bis 30 Prozent aller Fälle von geringerem Geburtsgewicht. Bereits bei einem mütterlichen Konsum von ein bis zehn Zigaretten pro Tag während der Schwangerschaft ist das Risiko für die Ausbildung von Lippen-Gaumen-Spalten um 50 Prozent erhöht. Rauchen in der Schwangerschaft kann ein vermindertes Längenwachstum sowie einen kleineren Kopfumfang des Feten bewirken. Insgesamt ist die perinatale Sterblichkeit um 150 Prozent erhöht. »Jede Woche stirbt in Deutschland ein Baby an den Folgen des Passivrauchens«, macht das DKFZ deutlich. Auch das Risiko des plötzlichen Säuglingstodes bei elterlichem Tabakkonsum sei doppelt so hoch wie in rauchfreien Haushalten.

 

Zu Beginn einer Schwangerschaft rauchen in Deutschland über 30 Prozent aller werdenden Mütter. Etwa ein Drittel gibt das Rauchen zumeist in den ersten drei Schwangerschaftsmonaten auf. Etwa jede Fünfte raucht während der gesamten Schwangerschaft. Pro Tag konsumieren schwangere Raucherinnen im Durchschnitt 13 Zigaretten. Die ungeborenen Kinder sind im Verlauf der Schwangerschaft über den fetalen Blutkreislauf somit direkt den Schadstoffbelastungen von rund 3640 Zigaretten ausgesetzt. Selbst nach einer erfolgreichen Tabakabstinenz während der Schwangerschaft fangen viele Frauen innerhalb der ersten zwölf Monate nach der Entbindung wieder an zu rauchen. Der Anteil der Raucherinnen bei Müttern mit Kindern unter einem Jahr liegt bei 30 Prozent, bei Müttern mit dem jüngsten Kind im Alter bis zu fünf Jahren bei 42 Prozent. Hauptquelle für Tabakrauchen im elterlichen Haushalt ist jedoch der väterliche Tabakkonsum. In zwei von drei Haushalten mit einem Raucher ist dies der Vater.

 

Belastung dramatisch zugenommen

 

Generell, so das DKFZ, hat die Belastung von Wickel-, Schoß-, Kriech-, Klein- und Schulkindern durch Passivrauchen in Privathaushalten im letzten Jahrzehnt dramatisch zugenommen. Dies belegen Messungen des Kotiningehaltes als Stoffwechselprodukt des Nikotins im kindlichen Urin. Von 1990/1992 bis 2003/06 nahm der Kotiningehalt von Kindern mit einem Raucher im Haushalt von 15 auf 27 µg/l, also um das Doppelte zu. Bei Kindern mit zwei Rauchern im Haushalt stieg er von 35 auf 46 µg/l. Die schadstoffbeladenen Partikel des Tabakrauches lagern sich an den Wänden, auf dem Boden, an Teppichen und Polstermöbeln ab und werden von dort wieder in die Raumluft abgegeben. Innenräume, in denen Rauchen erlaubt ist, gelten als dauernde Expositionsquelle und ständige Gefahr.

 

»Mit jeder Zigarette rauben Sie Ihrem Kind ein Stück Leben«, schreibt das DKFZ. Ganz besonders hoch ist die krebserzeugende und erbgutverändernde Schadstoffbelastung durch Zigaretten, wenn in kleinen Räumen und hier insbesondere in Autos geraucht wird. Nicht zufällig haben einige Bundesländer in Australien und in den USA deshalb bereits Gesetze erlassen, die das Rauchen im Auto in Anwesenheit von Kindern verbieten. »Rauchen Sie nicht, wenn Ihre oder andere Kinder in der Nähe sind. Erlauben Sie auch nicht anderen, in der Nähe von Kindern zu rauchen. Gehen Sie mit Kindern nicht in Raucherräume von Gastronomiebetrieben oder in andere geschlossene Räume, in denen geraucht wird. Rauchen Sie auch sonst nicht in Innenräumen oder Autos: Auch kalter Rauch ist schädlich«, appellierte das DKFZ an Eltern, bei denen der Versuch des Rauchstopps durch Tabakentwöhnungsprogramme oder Nikotinersatztherapie fehlgeschlagen ist.

 

Arzt und Apotheker gefordert

 

Tabakrauch ist ein Giftgemisch aus über 4800 Substanzen, von denen 250 giftig oder krebserzeugend sind. Das Recht von Kindern auf eine gesunde, das heißt rauchfreie Umgebung muss Vorrang haben auch vor »den wirtschaftlichen Interessen der Tabakindustrie, die wissentlich ein Produkt vertreibt und bewirbt, dass bei bestimmungsgemäßem Gebrauch einen großen Teil seiner Konsumenten süchtig und krank macht sowie vorzeitig sterben lässt und zukünftige Generationen bereits frühzeitig schädigt«, heißt es im Band 2 der »Roten Reihe« des DKFZ. Unter der Überschrift »Tabakprävention und Tabakkontrolle« werden frühe Schädigungen passivrauchender Kinder in Deutschland aufgezeigt.

 

»Schutz vor Passivrauchen ist Kinderschutz.« Es sind die Eltern, die der Verantwortung für ihre Kinder durch Schaffung rauchfreier Wohnräume gerecht werden müssen. Angesichts des Wissens um die Gesundheitsgefahren für Kinder ist es jedoch auch Aufgabe der Gesundheitsberufe, die besonderen Gefahren des Passivrauchen für Kinder verständlich zu kommunizieren. Hier bestehen Defizite: So bieten gemäß einer Bremer Studie nur etwa 10 Prozent der niedergelassenen Kinderärzte tabakbezogene Beratungsgespräche an. Gesundheitsberufe, so das DKFZ, müssen zum Schutz des Kindes durch Aufklärung und Information verstärkt intervenieren. Arzt und Apotheker müssen nicht nur mit den Grundzügen der Tabakabhängigkeit und ihrer Behandlung vertraut sein, sondern auch über effiziente Methoden der Gesprächsführung verfügen. Dazu sei entsprechende Fortbildung notwendig.

 

Ob Manipulation durch Werbung, Gruppendruck, Ängste, Depressionen, Über- und Doppelbelastung durch Job und Familie, Frust, Stress oder Unsicherheit durch seelische Verletzungen in der eigenen Kindheit: Die Gründe für den Griff zur Zigarette sind vielfältig. Effektive Beratung in der Apotheke erfordert Sensibilität und psychologische Kenntnisse auch zu den Motiven des Rauchens, sprich: eine vertrauensvolle Atmosphäre ohne jegliche Anmaßung und Vorwurfhaltung. Einen geeigneten Aufhänger für ein Beratungsgespräch bietet die Aktion »Rauchfrei 2008« (www.rauchfrei2008.de), die am Aschermittwoch gestartet ist. Sie soll möglichst viele Raucher dazu bewegen, ab dem 1. Mai vier Wochen auf das Laster zu verzichten und somit einen ersten Schritt zur langfristigen Entwöhnung zu machen. In den vergangenen Jahren haben sich bereits mehrere Tausend Apotheker an der Kampagne beteiligt.

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