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Phimose

Vorhaut nicht voreilig operieren

16.02.2016  16:03 Uhr

Von Christina Müller / Rund 96 Prozent aller Jungen kommen mit einer Phimose zur Welt. Bildet sich die Vorhautverengung nicht von allein zurück, kann sie im Erwachsenenalter die Harnentleerung und die sexuelle Funktion beeinträchtigen. Dennoch ist in vielen Fällen keine Beschneidung nötig.

Die Vorhaut ist ein natürlicher Bestandteil des männlichen äußeren Genitals. Im Kleinkindalter ist es meist unbedenklich, wenn sie sich nicht vollständig zurückziehen lässt. So schützt sie die Eichel und die Harnröhre vor Erregern und reizenden Substanzen. 

 

Bei der überwiegenden Mehrheit der Jungen löst sich die Vorhautverklebung oder -enge durch Reifungsprozesse bis zum Alter von fünf Jahren von allein auf. Bis zu diesem Zeitpunkt reicht es aus, den Penis von außen mit Wasser zu reinigen.

 

Ab und an kommt es jedoch vor, dass sich die Vorhaut auch bei älteren Kindern und Erwachsenen nicht über die Eichel schieben lässt. Das kann verschiedene Gründe haben: Eine erworbene Phimose entsteht häufig nach lokalen Entzündungen oder bei dem Versuch, die zu enge Vorhaut gewaltsam zu weiten. Das verletzte Gewebe vernarbt und ist in der Folge weniger flexibel. Diabetiker tragen grundsätzlich ein erhöhtes Risiko für Infektionen in der Geschlechtsregion. Dadurch sind sie besonders gefährdet, durch wiederkehrende entzündliche Prozesse der Vorhaut eine sekundäre Phimose zu erleiden.

 

Auch ein Lichen sclerosus kann typischerweise im Schulalter auftretende Verhärtung der Vorhaut hervorrufen. Dabei handelt es sich um eine chronisch-entzündliche Hauterkrankung, die multifaktoriell und teilweise auch genetisch bedingt ist. Die Ursachen der angeborenen (primären) Phimose sind unbekannt.

 

Typische Hinweise

 

Ein Hinweis auf eine Phimose im Kindesalter kann etwa das Aufblähen der Vorhaut beim Wasserlassen sein, das sogenannte Ballonieren. Bei ausgeprägter Verengung ist in einigen Fällen der Harnstrahl abgeschwächt oder verdreht. Im Erwachsenenalter treten zudem während einer Erektion oder beim Geschlechtsverkehr Schmerzen im Bereich der zu engen Vorhaut auf.

 

Um die Vorhaut zu weiten, sollten Eltern bei ihren Säuglingen und Kleinkindern niemals versuchen, die Vorhaut unter Anstrengungen zurückzuschieben. Neben der Vernarbung des Gewebes kann es zu einer Abschnürung der Eichel durch den Vorhautring kommen. Die sogenannte Paraphimose ist ein urologischer Notfall und muss unverzüglich durch einen Arzt behandelt werden. Durch die verminderte Durchblutung der Eichel bildet sich ein Ödem, bei längerer Dauer sind Entzündungen, Ulzerationen sowie Nekrosen möglich.

 

Bei unkomplizierten Verläufen ist der Beginn einer Therapie im Vorschulalter angezeigt, bei Beschwerdefreiheit auch später. Ziele der Behandlung sind eine unbeeinträchtigte sexuelle Funktion im Erwachsenenalter sowie eine problemlose Harnentleerung und Genitalhygiene. Die Auswahl der geeigneten Therapieoption richtet sich nach dem Alter des Patienten, der Schwere und Entstehung der Phimose.

 

Zuerst lokale Therapie versuchen

 

Der aktuellen Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Kinderchirurgie (DGKCH) zufolge sollten Ärzte vor allem bei grenzwertigen Befunden zunächst eine lokale Therapie in Erwägung ziehen. Dazu tragen die Eltern über vier bis acht Wochen zweimal täglich eine Corticosteroid-haltige Creme auf den Vorhautring auf, zum Beispiel mit 0,1 Prozent Betamethason oder Mometasonfuroat.

 

Nach zwei Wochen beginnen sie vorsichtig, die Vorhaut zurückzuschieben. Dabei sollten sie darauf achten, keine Einrisse zu verursachen. Rund 75 Prozent der Jungen sprechen zunächst auf die lokale Behandlung an. Die Rezidivrate ist jedoch beachtlich: Nur etwa 30 Prozent können so dauerhaft geheilt werden.

Führt die konservative Therapie nicht zum Erfolg, ist meist ein operativer Eingriff unter Vollnarkose erforderlich. Auch bei starker Vernarbung, Ballonieren der Vorhaut, Lichen sclerosus, Paraphimose sowie wiederkehrenden Harnwegsinfekten empfiehlt die DGKCH eine Beschneidung. Dabei unterscheiden die Experten zwischen der vollständigen Resektion sowie Verfahren, bei denen die Vorhaut teilweise erhalten bleibt. Vor allem bei stark ausgeprägten narbigen und flächigen Veränderungen entfernen Ärzte oft das gesamte Gewebe, ebenso wenn Hinweise auf einen Lichen sclerosus vorliegen. Akute Entzündungen müssen vor der Operation laut Leitlinie zunächst lokal sowie antibiotisch behandelt werden.

 

Drei bis vier Monate nach dem Eingriff ist eine klinische Kontrolle sinnvoll, um narbige Verwachsungen und Verengungen der Harnröhre auszuschließen. Eine mögliche Komplikation ist eine Sensibilitätsstörung der Eichel, die jedoch im Sexualleben nur selten zu Beeinträchtigungen führt. Wundinfektionen und Narbenbildung sind selten. Das kosmetische Erscheinungsbild ist abhängig vom persönlichen Empfinden und kann zu Nachoperationen führen.

 

Keine vorbeugende Beschneidung

 

Von einer vorbeugenden Beschneidung rät die DGKCH ab. »Es herrscht in den westeuropäischen Industrienationen Einigkeit darüber, dass ein eventueller Nutzen der prophylaktischen Beschneidung einen möglichen Schaden nicht derart überwiegt, dass ihre Durchführung empfohlen wird«, schreibt die Fachgesellschaft. Die Behandlung mit Estrogen-haltigen Cremes findet in der Leitlinie keine Berücksichtigung. Unter Experten gelten Therapieversuche mit weiblichen Sexualhormonen schon seit Jahren als obsolet. Sie kritisieren die fehlenden wissenschaftlichen Grundlagen und warnen vor erheblichen Nebenwirkungen wie Gynäkomastie. So waren etwa in einer Studie aus dem Jahr 2000 einem von 15 behandelten Jungen Brüste gewachsen. /

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