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Gallenleiden

Von Entzündung bis Karzinom

10.02.2015  13:23 Uhr

Von Claudia-Borchard-Tuch / In Mitteleuropa nimmt die ­Häufigkeit von Gallenblasenerkrankungen deutlich zu. Während die Heilungschancen bei Gallensteinleiden meist gut sind, ist die Prognose beim Karzinom noch immer ungünstig.

Die Symptome einer biliären Erkrankung können so charakteristisch sein, dass sich bereits in der Apotheke Hinweise auf die Erkrankung ergeben. Oft klagt der Patient über rechtsseitige Oberbauchschmerzen, die in den Rücken bis zur rechten Schulter oder in die rechte Brust- oder Halsseite ausstrahlen können, und über Unverträglichkeit fetter Speisen. Manchmal zeigt sich eine gelbliche Verfärbung der Haut ­(Ikterus).

Typisch für eine Gallenkolik sind plötzlich einsetzende Schmerzen, die sich innerhalb von Minuten bis zur Grenze des Erträglichen steigern. Eine Kolik wird häufig durch eine große oder fettreiche Mahlzeit, mechanische Erschütterung oder seelische Erregung ausgelöst und weist auf ein Gallensteinleiden (Cholelithiasis) hin.

 

Fieber, Schüttelfrost, Ikterus und Hautjucken deuten auf eine Komplikation des Gallensteinleidens hin. Infrage kommen Gallenwegsverschluss, Gallengangssteine (Choledocholithiasis) sowie Entzündungen der Bauchspeicheldrüse, Gallenwege oder Gallenblase. Bei Letzterer, der Cholezystitis, liegt in über 90 Prozent ein Steinleiden zugrunde. Selten kann eine Gallenblasenentzündung nach einer Intoxikation, einer schweren Verletzung oder einem großen operativen Eingriff auftreten.

 

Langfristig kann eine Behinderung des Galleflusses (Cholestase) die Fettverdauung beeinträchtigen, da die in der Galle enthaltenden Gallensäuren zur Fettverdauung und -aufnahme in den Körper notwendig sind. Es kommt zu einem Defizit an Fetten und fettlöslichen Vitaminen (A, D, E und K) (1).

 

Anatomische Grundlagen

 

Die Galle wird in den Zellen der Leber (Hepar) gebildet. Eine gesunde Leber produziert täglich 600 bis 800 ml Galle. Die Leber liegt im oberen Teil der Bauchhöhle unmittelbar unter dem Zwerchfell und ist mit einem Gesamtgewicht von 2000 g die größte Drüse des Körpers. Sie besteht aus einem größeren rechten und einem kleineren ­linken Lappen, die sich in Segmente und diese wiederum in Leberläppchen unterteilen lassen.

Die Leber ist der zentrale Ort der Nahrungsaufbereitung. Sie ist chemisch an mehr als 500 Stoffwechselvorgängen beteiligt und spielt eine Schlüsselrolle im Kohlenhydrat- und im Fettstoffwechsel.

 

Die in den Leberzellen gebildete Galle wird über Gallenkanälchen aus den Leberläppchen abtransportiert (Grafik). Die Kanälchen vereinigen sich zu einem linken und rechten Gang in den beiden Leberlappen und schließlich zu einem gemeinsamen Lebergang (Ductus hepaticus communis), der die Leber verlässt. Dieser Gang ist circa 5 cm lang, bevor der Blasengang (Ductus cysticus) abzweigt. Dieser mündet in die Gallenblase, die in einer Mulde unterhalb des rechten Leberlappens liegt.

 

Die Aufgabe der Gallenblase besteht darin, die Lebergalle in Verdauungsruhe aufzunehmen, einzudicken und bei Bedarf abzugeben. Größe und Lage der Gallenblase variieren stark. Im Durchschnitt hat sie ein Fassungsvermögen von 50 ml. Nach der Abzweigungsstelle des Ductus cysticus wird aus dem gemeinsamen Lebergang der 7 cm lange Gallengang (Ductus choledochus), der in den Zwölffingerdarm (Duodenum) mündet. Kurz vorher schließt sich ihm der Gang der Bauchspeicheldrüse an, der die Verdauungssäfte der Bauchspeicheldrüse leitet. Die gemeinsame Mündungsstelle von Gallen- und Bauchspeicheldrüsengang (Vater'sche Papille) wird von einem Schließmuskel (Sphincter Oddi) kon­trolliert, der sich nur bei Bedarf öffnet und die Verdauungssäfte in das Duo­denum ablässt.

 

Etwa die Hälfte der gebildeten Lebergalle fließt bei der Nahrungsaufnahme direkt in das Duodenum. Die andere Hälfte fließt bei Verdauungsruhe in die Gallenblase, wo die Galle 10- bis 20-fach konzentriert und erst nach Freisetzung von Cholezystokinin (CKK) in den Zwölffingerdarm entleert wird. Auslöser für die Ausschüttung von CCK sind der Säure-, Protein-, Glucose- und Fettgehalt des Darminhalts. Das gastrointestinale Hormon Sekretin steigert die Galle­sekretion, indem es die Leberdurchblutung fördert und den Vagus aktiviert.

Vielfalt der Steinarten

90 Prozent der Gallensteine sind Cholesterolsteine. Cholesterol ist wasser­unlöslich und wird durch die Gal­lensäuren in der Gallenblase in Suspension gehalten. Eine Verminderung der Gallensäurekonzentration bei einem relativ hohen Cholesterolgehalt begünstigt die Ausfällung.

 

In höherem Lebensalter sowie bei Menschen in Afrika und Asien liegen häufig schwarze Pigmentsteine vor. Zugrunde liegt eine Bilirubin-Hypersekretion, die durch eine Überproduktion, zum Beispiel bei Hämolyse, ­bedingt sein kann.

 

Braune Pigmentsteine bilden sich bei Rückstau und bakterieller Besiedlung der Gallengänge. Auch ein Befall der Gallengänge mit Parasiten kann zugrunde liegen.

Zusammensetzung der Galle

 

In der Humoralpathologie der Hippokratiker, die um 400 v. Chr. entwickelt wurde und die medizinische Lehre für mehr als tausend Jahre beherrschte, kommt der Galle eine wichtige Bedeutung zu. Es wurde zwischen gelber und schwarzer Galle unterschieden. Die gelbe Galle wurde dem Organ Leber, dem Element Feuer und dem Choleriker zugeordnet. Redewendungen wie »Da läuft mir die Galle über« oder »Da kommt einem die Galle hoch« – Metaphern für Wut – gehen auf die Lehre der Hippokratiker zurück.

 

Obgleich die Galle keine Verdauungsenzyme enthält, ist ihr Gehalt an Gallensäuren für die Verdauung und Resorption von Fetten und fettlöslichen Substanzen von großer Bedeutung. Gallensäuren emulgieren Fette und aktivieren Lipasen. In der Leber werden aus Cholesterol die primären Gallensäuren Cholsäure und Chenodesoxycholsäure gebildet, mit Taurin oder Glycin konjugiert und ausgeschieden. In der alkalischen Galle liegen sie als Na­trium- und Kaliumsalze vor. Im Darm entstehen durch bakterielle Hydroxylierung die sekundären Gallensäuren Desoxycholsäure und Lithocholsäure.

 

Von den Gallenfarbstoffen ist Bili­rubin – neben Biliverdin und geringen Mengen an Urobilinogen – der Hauptbestandteil. Die Farbstoffe entstehen als Abbauprodukte von Hämoglobin.

 

Steinreiche Gallenblase

 

15 bis 20 Prozent der Menschen in Deutschland haben Gallensteine, und jährlich werden mehr als 190 000 Cholezystektomien wegen symptomatischer Gallensteine durchgeführt. Frauen erkranken zwei- bis dreimal häufiger an Gallenblasensteinen als Männer, wobei die Erkrankungsrate mit dem Lebensalter stetig ansteigt (Tabelle) (2). Man vermutet, dass Estrogen das Risiko für Gallensteine erhöht.

 

Meist sind es Cholesterolsteine, die infolge einer vermehrten Cholesterolsekretion der Leber in einer hypomotilen Gallenblase entstehen (Kasten). Die Cholesterol-Hypersekretion wird auf exogene Faktoren wie hochkalorische, kohlenhydratreiche Ernährung und ­Bewegungsmangel sowie genetische Risikofaktoren, wie eine Genvariante des hepatischen Cholesteroltransporters ABCG5/G8 zurückgeführt (2).

 

Viel Bewegung, faserreiche Kost, langsame Gewichtsreduktion bei Adipositas, Fettergänzung bei kalorien­armer Diät und die Einnahme von ­Ursodesoxycholsäure (UDCA) können verhindern, dass Gallensteine entstehen. Ballaststoffreiche Ernährung verkürzt die intestinale Transitzeit und ­reduziert die Bildung der lithogenen Desoxycholsäure im Darm (2).

Tabelle: Risikofaktoren für Gallensteine (nach 2)

Steinarten Risikofaktoren
Cholesterolsteine höheres Lebensalter
weibliches Geschlecht, Schwangerschaft
hochkalorische, kohlenhydratreiche und faserarme Kost
Adipositas
körperliche Inaktivität
Hyperinsulinämie
rascher Gewichtsverlust (> als 1% des Körpergewichts pro Woche)
Hypertriglyzeridämie, niedrige HDL-Spiegel
Gallensäurenverlust bei Morbus Crohn
Medikamente: Fibrate, Somatostatinanaloga, Estrogene
schwarze Pigmentsteine höheres Lebensalter
chronische Hämolyse
Vitamin B12-, Folsäuremangel
Morbus Crohn mit ausgeprägtem Ileumbefall
Leberzirrhose
Mukoviszidose
braune Pigmentsteine höheres Lebensalter
chronische biliäre Infektion, Parasitenbefall

Vorsicht Kolik


Ob die Steine Symptome auslösen oder nicht, hängt unter anderem von ihrer Größe ab. Meist sind die Steine kirschkern- oder haselnussgroß, im Extremfall erreichen sie Hühnereigröße. Die meisten Patienten mit Gallenblasensteinen haben keine Beschwerden. Etwa ein Viertel erleidet jedoch Gallenkoliken. Die Ursache ist häufig ein vor­übergehender Verschluss des Ductus cysticus durch den Stein. Nicht selten leiden die Patienten – neben den starken akuten Schmerzen – an Übelkeit, gelegentlich mit Erbrechen.

 

Hält der Schmerz länger als fünf Stunden an, muss an eine Komplikation gedacht werden, zum Beispiel eine Entzündung der Gallenblase (Cholezystitis), der Gallenwege (Cholangitis) oder der Bauchspeicheldrüse (Pankreatitis). Bei der akuten Cholezystitis ist der Schmerz im rechten Oberbauch lokalisiert und verstärkt sich bei Einatmung oder bei äußerem Druck unter dem rechten Rippenbogen. Dies nennt man Murphy-Zeichen; es hat eine Sensitivität von 65 Prozent und eine Spezifität von fast 90 Prozent.

 

Wird der Lebergang komprimiert, kann die Galle nicht mehr aus der Leber abfließen. Es kommt zu starkem Bilirubinanstieg im Blut, einer Gelbsucht und kolikartigen Oberbauchschmerzen. Dieses Mirizzi-Syndrom ist eine seltene Form eines Verschlussikterus.

 

Die Sonografie ist die wichtigste Methode zur Diagnostik von Gallenblasensteinen. Auch eine Laboruntersuchung ist notwendig. Eine Erhöhung der Leberenzyme (GOT, GPT, Gamma-GT) und von Bilirubin weist auf einen Gallestau hin. Mit einer Computertomografie können Komplikationen wie eine Cholezystitis ausgeschlossen werden.

 

Therapie nur bei Beschwerden


Menschen mit asymptomatischen Gallenblasensteinen brauchen keine Therapie. Lösen die Steine Beschwerden aus, ist die laparoskopische Cholezystektomie die Standardtherapie. Dabei wird die Gallenblase über drei kleine Einschnitte entfernt.

 

Patienten mit kleinen (unter 5 mm), nicht kalkhaltigen Cholesterolsteinen können erfolgreich mit Ursodesoxycholsäure (mindestens 10 mg UDCA/kg/Tag) behandelt werden. UDCA, die physiologischerweise weniger als 10 Prozent des Gallensäurenpools ausmacht, vermindert die biliäre Cholesterolsekretion und reduziert die intestinale Cholesterolabsorption. Vermutlich erfolgt eine allmähliche Auflösung der Steine durch Dispersion des Cholesterols und Bildung von Flüssigkristallen (2).

 

Damit die Steinauflösung mit UDCA erfolgreich sein kann, sollte maximal ein Drittel der Gallenblase Steine enthalten. Die Gallenblase muss voll funktionstüchtig und die Gallengänge müssen durchgängig sein. Medikamente wie Colestyramin und bestimmte Antazida sollten nicht gleichzeitig gegeben werden. Estrogene und Cholesterol-senkende Substanzen wie Clofibrat erhöhen die hepatische Cholesterolsekretion und können so der Auflösung von Gallensteinen entgegenwirken. Je nach Steingröße, Typ und Menge ist mit einer Therapiedauer von drei Monaten bis zu zwei Jahren zu rechnen. Dies hängt wesentlich von der Steingröße ab.

 

Die Steinzertrümmerung mit Stoßwellen oder Laser (Lithotripsie) spielt kaum noch eine Rolle, da die Steine meist nicht vollständig entfernt werden.

 

Schmerzen nach einer Cholezystektomie sind häufig. Wenn sie länger als drei Monate anhalten, sprechen Mediziner von einem Postcholezystektomie-Syndrom. Zudem vertragen viele Patienten größere fetthaltige Mahlzeiten nicht mehr. Ohne Gallenblase können größere Mengen von Galle nicht mehr rasch abgegeben werden. Zu wenig Gallensaft für die Fettverdauung kann zu Völlegefühl, Blähungen, Krämpfen und Durchfall führen. Einige Menschen haben bei fast allen Mahlzeiten Probleme; nach fetthaltigem Essen werden die Beschwerden nahezu unerträglich.

 

Gelangt ein Teil des Fettes unverdaut in den Dickdarm, beeinträchtigt dies die Darmflora. Die Patienten leiden an Fettstühlen und eventuell Fettdurchfällen (Steatorrhoe). Der Fettgehalt in den Fäzes lässt sich bei einer Stuhluntersuchung feststellen.

 

Phytopharmaka lindern Beschwerden

 

Phytopharmaka können Gallensteine nicht auflösen, aber der ­Bildung vorbeugen. Sie sollten unbedingt zwischen den Mahlzeiten eingenommen werden, da in dieser Zeit der Gallefluss am geringsten ist, was die Gefahr für eine Steinbildung erhöht. Fehl am Platz sind Phytopharmaka bei akuten Entzündungen der Gallenblase und -wege, operationspflichtigen Gallensteinen, Verschluss der Gallenwege, Neoplasien und schweren Leberfunk­tionsstörungen (1).

 

Beruht das Postcholezystektomie-Syndrom auf einem Mangel an Galle, sind Gallefluss-anregende Präparate hilfreich. Hierzu gehören unter anderem Artischocke (Cynara scolymus), Löwenzahn (Taraxacum officinale) und Schöllkraut (Chelidonium majus). Sie wirken choleretisch und cholekinetisch, das heißt sie regen die Neubildung von Gallenflüssigkeit in den Leberzellen an und fördern die Entleerung der Gallenblase.

Die Kommission E des ehemaligen Bundesgesundheitsamts beurteilte in ihrer Monographie von 1988 die Artischocke positiv und empfahl ihre Anwendung bei dyspeptischen Beschwerden. In klinischen Studien wurde gezeigt, dass Artischockenblätterextrakt die Gallenproduktion anregt. Als wirksamkeitsbestimmende Inhaltsstoffe gelten Flavonoide, Bitterstoffe und Caffeoylchinasäure-Abkömmlinge.

Auch Wurzeln und Kraut des Löwenzahns werden therapeutisch verwendet. Die Droge enthält neben Flavonoiden, Phenolcarbonsäuren, Sterolen und Triterpenen vor allem Bitterstoffe, die nach bisherigen Erkenntnissen für die Wirkung als Amarum verantwortlich sind. Sie steigern die Sekretion der Verdauungsdrüsen, vor allem der Galle.

 

Vorsicht ist beim Einsatz von Schöllkraut angesagt. Die Kommission E erstellte 1985 zwar eine Positivmonographie und empfahl die Anwendung bei krampfartigen Beschwerden der Gallenwege und des Magen-Darm-Trakts. Ein Stufenplanverfahren wegen lebertoxischer Nebenwirkungen en­de­te 2008 jedoch mit einer Zulassungseinschränkung für Schöllkraut-haltige Arzneimittel. Seitdem dürfen nur noch Präparate mit einer Gesamtalkaloid-Tages­dosis, berechnet als Chelidonin, von höchstens 2,5 mg eingesetzt werden. Bei längerer Einnahme (mehr als vier Wochen) müssen die Leberenzyme geprüft werden. Kontraindiziert ist der Einsatz zum Beispiel bei Lebererkrankungen, in Schwangerschaft und Stillzeit sowie bei Kindern unter zwölf ­Jahren.

 

Als Cholagoga eingesetzt werden auch Boldo (Peumus boldus), dessen Blätter reich an Alkaloiden sind, und die javanische Gelbwurz (Curcuma xanthorrhiza), die unter anderem ätherisches Öl und Curcumine enthält. Die Alkaloide des Erdrauchs (Fumaria officinalis) wirken regulierend auf die Gallensekretion. Spasmolytisch wirksam sind Schafgarbe (Achillea millefolium) oder Pfefferminze (Mentha piperita) (4).

 

Steine in den Gallenwegen

 

Gallensteine können aus der Gallenblase in die Gallenwege übertreten oder in diesen direkt entstehen. Die typischen Schmerzen der Choledocholithiasis sind kolikartig. Es kann zur Entzündung der Gallenwege oder der Bauchspeicheldrüse kommen. Charakteristisch für eine Cholangitis ist die Charcot-Trias (Fieber mit Schüttelfrost, Ikterus und Koliken).

 

Gallensteine sind die häufigste Ursache für eine Pankreatitis. Der Grund: Verstopfen Gallensteine die Mündung des Gallengangs in den Zwölffingerdarm, die gleichzeitig auch der Ausgang des Bauchspeicheldrüsengangs ist, kann Galle dort hinein fließen. Die Gallenflüssigkeit schädigt das Epithel des Pankreasgangs, was die Permeabilität unter anderem für Phospholipase erhöht, die Phosphatide in zytotoxische Lysophosphatide umwandelt.

 

Bei Verdacht auf eine Choledocho­lithiasis ist die Bestimmung von Bili­rubin, Leberenzymen und Lipase unerlässlich. Per Ultraschall sind Steine in den Gallenwegen schwieriger nachzuweisen als solche in der Gallenblase.

 

Bei der Gallengangsspiegelung (endoskopisch retrograde Cholangiographie, ERC) lenkt der Arzt ein Endoskop über Mund, Magen und Dünndarm bis zur Vater´schen Papille. Von dort wird ein Katheter in den Gallengang eingeführt, um Kontrastmittel zuführen und die Gallenwege röntgenologisch darstellen zu können. Hat der Untersucher Steine im Gallengang erkannt, kann er meist gleich die Therapie einleiten. Nachdem er die Vater´sche Papille mit einem Schnitt erweitert hat, wird der Stein über die Sonde entfernt (2).

 

Schmerzhafte Entzündung der Gallenblase

 

Eine akute Cholezystitis entsteht meist, wenn ein Hindernis – fast immer sind es Gallensteine – den Fluss der Galle blockiert. Fließt die Galle in die Gallenblase zurück, verursacht sie dort eine Entzündung. Nachfolgend steigen oft Keime aus dem Zwölffingerdarm über den Gallengang oder die Lymphbahnen in die Gallenblase auf. Bakterien wie E. coli, Enterokokken, Staphylokokken, Streptokokken, Proteus vulgaris oder Pseudomonas aeruginosa zählen zu den häufigsten Keimen. Auch Salmonellen können die Infektion verursachen (3).

Der eingeklemmte Gallenstein führt zu heftigen Kolikschmerzen im rechten Oberbauch. Staut sich Gallenflüssigkeit in die Leber zurück, kann verstärkt Bilirubin in das Blut übertreten und die Haut gelb färben (Ikterus). Eine Cholezystitis wird mittels Labor, Sonografie (verdickte Wand der Gallenblase, eventuell Gallensteine), ERC und Magnetresonanz-Cholecystografie nachgewiesen. Therapie der Wahl ist die operative Entfernung der Gallenblase (2).

 

Eine chronische Cholezystitis ist die Folge wiederholter Entzündungen und Behinderungen des Galleabflusses. Die Patienten leiden meist an milderen Beschwerden und Druckgefühl im rechten Oberbauch. Akute Exazerbationen, beispielsweise bei einer Obstruktion durch Gallensteine, führen zu kolik­artigen Beschwerden, die der akuten Cholezystitis ähneln. Auch hier ist die Cholezystektomie angezeigt, da sie die Beschwerden lindert und Komplika­tionen verhindert.

 

Maligne Tumoren

 

Maligne Tumoren der Gallengänge einschließlich der Gallenblase sind relativ selten. Sie machen etwa 2 Prozent aller malignen Tumoren aus. Von den Geschwülsten der Gallenblase und -wege haben nur die Karzinome klinische Bedeutung (5).

 

Ein wichtiger und gut untersuchter Risikofaktor für die Entwicklung eines Gallenblasenkarzinoms ist die Chole­(zysto)lithiasis. Viele Studien geben eine etwa 70-prozentige Koinzidenz von Gallensteinen und einem Karzinom an. Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen gehen ebenfalls mit einer erhöhten Inzidenz von malignen Tumoren des galleableitenden Systems einher (5).

 

Die meisten Patienten sind älter als 60 Jahre und leiden oft schon lange an Beschwerden der Galle. Da die klinischen Symptome des Karzinoms anfangs wenig charakteristisch sind, ist eine Früherkennung schwierig. Eine starke Beeinträchtigung des Allgemeinbefindens, Blässe und ein allmählich entstehender Ikterus sind Warnzeichen. Der karzinombedingte Verschlussikterus nimmt langsam und kontinuierlich an Intensität zu und führt häufig zu ­einem grünlichen oder schwärzlichen Farbton der Haut und Juckreiz. Der Stuhl entfärbt sich und ist kalkfarben. Der ­Patient verliert erheblich an Gewicht.

 

Die einzige potenziell kurative Op­tion für Patienten mit Karzinomen der Gallenblase oder Gallenwege ist die chirurgische Resektion oder die Lebertransplantation, da die malignen Zellen zum Zeitpunkt der Diagnosestellung fast immer in die Leber eingewandert sind (6). In mehreren Studien wurde ein Vorteil für eine zusätzliche Strahlentherapie gezeigt.

 

Die palliative Chemotherapie kann die Überlebenszeit verlängern und die Lebensqualität verbessern. Standard sind Gemcitabin und Cisplatin. Karzinome des biliären Systems sind jedoch häufig hoch resistent gegenüber einer Chemotherapie (7). Laut Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselerkrankungen und der Deutschen Gesellschaft für Viszeralchirurgie (derzeit in Überprüfung) hat eine randomisierte kontrollierte Studie aus Japan gezeigt, dass eine adjuvante Therapie mit Mitomycin und 5-Fluorouracil die Fünf-Jahres-Überlebenszeit nach Resektion eines Gallenblasenkarzinoms verlängert. Jedoch fehlen größere Studien, um den Wert der adjuvanten Therapie beurteilen zu können (8).

 

Ziele der supportiven Therapie sind die Sicherstellung der Ableitung der Galleflüssigkeit und dadurch Vorbeugung und Therapie von Infektionen in den Gallenwegen, die Minderung oder Beseitigung des Juckreizes und die Schmerzlinderung.

 

Mit Analgetika ist in der Regel eine akzeptable Schmerzeinstellung möglich. Gelingt dies nicht, kann ein Therapieversuch mittels Bestrahlung oder einer lokalen Blockade eines Nervengeflechts (Plexus Coeliacus) versucht werden (8). Wegen der hohen Rezidivrate liegt die Fünf-Jahres-Überlebensrate nur bei 5 bis 10 Prozent. /

Die Autorin

Claudia Borchard-Tuch studierte Medizin an der Universität Düsseldorf, erhielt 1982 die Approbation und schloss ein Jahr später ihre Promotion ab. Nach einer Tätigkeit als Assistenzärztin studierte sie Informatik an der Fernuniversität Hagen und schloss mit dem Diplom ab. Seit 1983 ist Borchard-Tuch freiberuflich als Autorin und Wissenschaftsjournalistin für medizinische Fachzeitschriften tätig.

 

Dr. med. Claudia Borchard-Tuch
Forsthofweg 9
6441 Zusmarshausen
E-Mail: claudia.borchardtuch@gmail.com

Literatur

  1. Biermann, D., Verdauung. Gift und Galle. Pharm. Ztg. Nr. 16 (2008), www.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=5488, Zugriff am 22. 01. 2015.
  2. Lammert, F., Sauerbruch, T., Gallensteine. Von der molekularen Pathogenese zur leitlinienbasierten Prävention und Therapie. Gastroenterologe 2 (2007) 461-476.
  3. Robert-Koch-Institut, Salmonellose (Salmonellen-Gastroenteritis). Akt. Fassung vom April 2009. www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Merkblaetter/Ratgeber_Salmonellose.html, Zugriff am 22. 01. 2015.
  4. Bierbach, E. (Hrsg.), Naturheilpraxis heute: Lehrbuch und Atlas. 5. Aufl., Urban & Fischer, München 2013.
  5. Tannapfel, A., Wittekind, C., Gallenblasen- und Gallengangskarzinom. Biologie und Pathologie. Internist 45 (2004) 33-41.
  6. Kubicka, S., Manns, M. P., Das Gallenblasen- und Gallengangskarzinom. Internist 41 (2000) 841-847.
  7. Seufferlein, T., et al., Gallenblase-/Gallengangskarzinom. Stand 8/2014, www.uniklinik-ulm.de/struktur/zentren/cccu/home/fuer-patienten-und-angehoerige/krebsbe hand­lung/krebs-spezifisch/gallenblase-gallengangs­karzinom.html#c22057, Zugriff am 22. 01. 2015.
  8. Lammert, F., et al., S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselerkrankungen und der Deutschen Gesellschaft für Viszeralchirurgie. Diagnostik und Therapie von Gallensteinen. Z Gastroenterol 45 (2007) 971-1001. www.dgvs.de/fileadmin/user_upload/Leitlinien/Behand lung_von_Gallensteinen/Leitlinie_Gallen steinleiden.pdf, Zugriff am 22. 01. 2015.

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