Kopien – besser als das Original |
02.02.2015 16:49 Uhr |
Von Theo Dingermann und Ilse Zündorf / Bereits 1996 wurde mit der Zulassung von Insulin lispro die Ära einer neuen Generation rekombinanter Arzneistoffe eingeläutet. Es dauerte aber noch bis 2007, bis der Begriff »Biobetters« auf einer Konferenz in Mumbai dafür geprägt wurde.
Nach den Biologicals, den Bioidenticals und Biosimilars kommt jetzt also der neue Begriff der Biobetters oder auch Biosuperiors. Bioidenticals sind Biologicals, die sich zwar im Namen unterscheiden, aber tatsächlich identisch sind, da sie aus dem gleichen Herstellungsprozess stammen. Biosimilars sind dagegen generische Versionen eines rekombinanten Arzneistoffs, die möglichst exakte Kopien ihrer Vorbilder sind – im Guten wie im Schlechten! Sollte sich im direkten Vergleich der beiden Wirkstoffe irgendeine Spezifikation zeigen, in der die »Kopie« eines Biologikums andere – offensichtlich bessere – Eigenschaften als das Original hat, kann es nicht als Biosimilar zugelassen werden. Als Biobetter oder Biosuperior muss es in einem normalen Zulassungsprozess Wirksamkeit und Unbedenklichkeit unter Beweis stellen.
Neben vielen denkbaren theoretischen Ansätzen deuten sich zwei realistische Ansätze zur Weiteroptimierung von Biologika an:
Veränderung der Molekül-Chemie
Insulin degludec
Abbildung: NovoNordisk
Sehr viel wurde und wird an der Chemie von Molekülen gebastelt, die sich als klinisch erfolgreich gezeigt haben – sei es, dass Aminosäuren ausgetauscht werden, dass Moleküle verkleinert oder durch Fusion mit einem anderen Protein oder durch chemische Modifikation vergrößert werden oder dass Glykosylierungsmuster verändert werden. Damit werden mehrere Ziele verfolgt:
Man könnte nun meinen, dass Biobetters vielversprechende neue Wirkstoffe der Zukunft sind. Dem ist allerdings nicht so! Wirft man nämlich einen Blick auf die Liste der in Deutschland zugelassenen rekombinanten Arzneistoffe, die der Verband der forschenden Pharma-Unternehmen in Deutschland (vfa) regelmäßig online veröffentlicht, fallen etliche – auch bereits ältere – Präparate auf, die sich unter die Definition eines Biobetters subsummieren lassen, wobei meist die Molekülstruktur verändert wurde.
Wirkstoff, Handelsname | Charakteristikum | erzielter Effekt |
---|---|---|
Insulin aspart, NovoRapid® | Aminosäuren-Austausch | schnellere Wirksamkeit |
Insulin glulisin, Apidra® | Aminosäuren-Austausch | schnellere Wirksamkeit |
Insulin lispro, Liprolog®, Humalog® | Aminosäuren-Austausch | schnellere Wirksamkeit |
Insulin degludec, Tresiba® | Aminosäuren-Austausch, Modifikation mit Fettsäure | längere Wirksamkeit, Basalinsulin |
Insulin detemir, Levemir® | Aminosäuren-Austausch, Modifikation mit Fettsäure | längere Wirksamkeit, Basalinsulin |
Insulin glargin, Lantus®, Optisulin® | Aminosäuren-Austausch | längere Wirksamkeit, Basalinsulin |
Tenecteplase, Metalyse® | Aminosäuren-Austausch | verlängerte Halbwertszeit, bessere Fibrinspezifität |
Darbepoetin alfa, Aranesp® | Aminosäuren-Austausch, mehr Zuckerseitenketten | verlängerte Halbwertszeit |
Austausch von Aminosäuren
Angefangen hat diese Entwicklung bei den Insulinen. Humaninsulin wird seit den 1980er-Jahren gentechnisch hergestellt. In den späteren 1990er-Jahren folgten die sogenannten Insulin-Muteine, Strukturvarianten des Humaninsulins, die gezielt hinsichtlich ihrer pharmakokinetischen Eigenschaften optimiert wurden und die zweifelsfrei als Biobetter einzustufen sind. Durch die Veränderung einzelner Aminosäuren konnten schnell oder lang wirksame Insulin-Varianten erzeugt werden, die eine passgenaue Versorgung von Menschen mit Diabetes mellitus deutlich verbesserten.
Die schnell wirksamen Verbindungen sind Insulin lispro, Insulin aspart und Insulin glulisin (Tabelle 1). In Insulin lispro wurden in der B-Kette die Aminosäuren an den Positionen 28 und 29 ausgetauscht: Statt wie im Humaninsulin Prolin-28 und Lysin-29 ist die Sequenz nun Lysin-28 und Prolin-29. Bei Insulin aspart wurde die Aminosäure Prolin an Position 28 in der B-Kette durch eine Asparaginsäure ersetzt. Ebenfalls in der B-Kette erfolgten die Aminosäurenaustausche für Insulin glulisin. Lysin ersetzt Asparagin an Position 3 und Glutaminsäure steht anstelle von Lysin an Position 29. Nach subkutaner Applikation können die schnell wirksamen Insuline keine Polymere bilden und gelangen schneller in den Blutkreislauf. Die Wirkung tritt innerhalb von 10 bis 20 Minuten nach der Injektion ein und hält für nur drei bis fünf Stunden an.
Im Gegensatz dazu wurde beim ersten lang wirksamen Insulin, Insulin glargin, in der A-Kette die Aminosäure Asparagin an Position 21 gegen ein Glycin ausgetauscht. Außerdem wurde die B-Kette am C-Terminus um zwei Arginine verlängert. Durch diese Modifikationen wird der isoelektrische Punkt des Insulins von pH 5,4 nach circa pH 7,2 verschoben: Insulin glargin fällt nach der Applikation aus und bildet ein Depot, aus dem der Wirkstoff über lange Zeit mit einer konstanten Rate freigesetzt wird.
Demgegenüber ist die B-Kette bei Insulin detemir um eine Aminosäure verkürzt. An die nun C-terminal-ständige Aminosäure Lysin wird über deren ε-Aminogruppe eine Myristinsäure kovalent verknüpft. Dadurch ändern sich die Moleküleigenschaften in der Weise, dass der Wirkstoff eine hohe Affinität zu Albumin entwickelt, das wiederum das Insulin gewissermaßen schützt und nur langsam und in kleinen Dosen aus diesem Komplex entlässt.
Auch bei Insulin degludec fehlt das Threonin an Position B30 und eine Glutaminsäure ist über eine ungewöhnliche Peptidbindung zwischen der δ-Carboxylfunktion der Glutaminsäure an die ε-Aminogruppe des Lysin an Position B29 angehängt. Und schließlich ist Dicarboxylsäure (HOOC–(CH2)n–COOH) an die α-Aminogruppe der angehängten Glutaminsäure gebunden. Insulin degludec bildet nach der subkutanen Applikation Multi-Hexamere aus und bindet verstärkt an Albumin, sodass die Wirkdauer über 42 Stunden hinaus im therapeutischen Dosierungsbereich liegt.
Der rekombinante Gewebe-Plasminogenaktivator Alteplase (oben) und seine Biobetter: Bei Reteplase fehlen drei der fünf Proteindomänen und, da es in Escherichia coli hergestellt wird, auch die Glykosylierungen. Die zusätzlichen Aminosäuren- Austausche bei Tenecteplase sind rot hervorgehoben.
Fusionsproteine
Ein Beispiel für Biobetters aus der Reihe der Fusionsproteine ist Corifollitropin (Tabelle 2).
Follikelstimulierendes Hormon (FSH) ist bereits seit 1995 zur Behandlung von Fertilitätsstörungen auf dem Markt. 2010 kam die neue FSH-Variante dazu, die eine deutlich längere Halbwertszeit aufweist. Corifollitropin unterscheidet sich von humanem FSH durch eine verlängerte β-Untereinheit. An die 111 Aminosäuren der maturen β-Untereinheit wurde das carboxyterminale Peptid (CTP) des humanen Choriongonadotropin (hCG) fusioniert. Dieses Peptid besteht aus den Aminosäuren 138 bis 165 der Pro-hCG-Sequenz und liefert vier weitere O-Glycosylierungsstellen. Durch die Fusion verlängert sich die Halbwertszeit.
Wirkstoff, Handelsname | Charakteristikum | erzielter Effekt |
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Peptid-/Proteinfusion | ||
Corifollitropin, Elonva® | Follitropin mit carboxyterminalem Peptid | verlängerte Halbwertszeit |
Proteinfragment | ||
Reteplase, Rapilysin® | verkürzter Gewebe-Plasminogenaktivator | verlängerte Halbwertszeit, bessere Penetration ins Gewebe |
Ranibizumab, Lucentis® | Antikörperfragment | kürzere Halbwertszeit, bessere Penetration ins Gewebe |
Moroctocog alfa, ReFacto® | verkürzter Gerinnungsfaktor VIII | effizientere Produktion |
Turoctocog alfa, NovoEight® | verkürzter Gerinnungsfaktor VIII | effizientere Produktion |
Proteinfragmente
Drastische Eingriffe in die Struktur des ursprünglichen Wirkstoffs wurden mit Proteinfragmenten erzielt; ein Beispiel ist das bereits seit 1996 zugelassene Fragment des Gewebe-Plasminogenaktivators, Reteplase (Tabelle 2). Auch hier handelt es sich zweifelsohne um ein Biobetter.
Der Gewebe-Plasminogenaktivator (t-PA) ist ein Domänen-Protein mit einer Fibronectin-Typ-1-ähnlichen Domäne, einer EGF-ähnlichen Domäne, zwei Kringel-Regionen und einer Protease-Domäne mit dem aktiven Zentrum (Grafik, oben). t-PA ist obligat an zwei Stellen (gelbe Sechsecke) und fakultativ an einer Stelle (oranges Sechs- eck) N-glycosyliert. Die Aminosäuren His357, Asp406 und Ser513 sind an der Ausbildung des katalytischen Zentrums beteiligt. An der Position Arg310-Ile311 (Pfeil) kann t-PA durch Plasmin gespalten werden und liegt dann als Zweiketten-t-PA vor.
Im Vergleich zum Original, der Alteplase, fehlen der Reteplase die Aminosäuren 4 bis 175 (Grafik, Mitte). Zudem wird das Protein in E. coli produziert, sodass keine Zuckermodifikationen vorhanden sind. Daraus resultiert ein artifizielles Protein mit einer Kettenlänge von 355 Aminosäuren und einem Molekulargewicht von etwa 39 kDa. Gegenüber dem nativen Gewebe-Plasminogen-Aktivator fehlt der Reteplase neben dem Kringel 1 auch die Finger- und die epidermale Wachstumsfaktor-Domäne. Das Molekül besteht nur noch aus der Kringel-2- und der Protease-Domäne.
Reteplase erkennt trotz der großen Deletion bevorzugt fibringebundenes Plasminogen und behält so die erwünschte Fibrinselektivität. In vivo beobachtet man jedoch für Reteplase gegenüber Alteplase eine 5,3- bis 11,5-fach erhöhte lytische Aktivität. Diese scheint im Wesentlichen auf die verlängerte Halbwertszeit der Reteplase zurückzuführen zu sein. Durch den Verlust der EGF-Domäne und des Kringel 1 ist einer der wichtigsten Eliminationsmechanismen vermindert, wodurch die Halbwertszeit des Moleküls zunimmt.
Einen gegenteiligen Effekt, nämlich eine verkürzte Halbwertszeit, erzielt man bei Antikörpern dadurch, dass die konstante Region des Antikörpers entfernt wird. Diese Region ist nämlich nicht nur für die wichtigen Effektorfunktionen der Antikörper verantwortlich. Die Fc-Region bindet auch an einen speziellen Fc-Rezeptor, den neonatalen Fcγ-Rezeptor (FcRn). Über diese Rezeptoren werden Antikörperkomplexe zunächst phagozytiert und die Antikörper anschließend aus dem Phagolysosom wieder recycelt und in den Blutstrom abgegeben. Dies ist einer der bedeutendsten Mechanismen, die die ungewöhnlich lange biologische Halbwertszeit von Antikörpern erklären.
Während Bevacizumab als vollständiges Immunglobulin mit einer systemischen Halbwertszeit von etwa 20 Tagen den vaskulären endothelialen Wachstumsfaktor (VEGF) eliminiert, hat Ranibizumab als Fab-Fragment mit 48 kDa eine systemische Halbwertszeit von nur zwei Stunden und kann als kleineres Molekül sehr viel besser ins Gewebe eindringen (Tabelle 2). Dennoch ist die Wirksamkeit bei altersabhängiger Makuladegeneration – off-label bei Bevacizumab – vergleichbar.
Wirkstoff, Handelsname | Charakteristikum | erzielter Effekt |
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Humanisierte und humane Antikörper | ||
Adalimumab, Humira® | humaner Antikörper gegen TNFα | weniger immunogen, subkutane Applikation |
Golimumab, Simponi® | humaner Antikörper gegen TNFα | weniger immunogen, subkutane Applikation |
Obinutuzumab, Gazyvaro® | humanisierter Antikörper gegen CD20 | weniger immunogen |
Ofatumumab, Arzerra® | humaner Antikörper gegen CD20 | weniger immunogen |
Panitumumab, Vectibix® | humaner Antikörper gegen EGF-Rezeptor | weniger immunogen |
Antikörper-Konjugate | ||
Brentuximab vedotin, Adcetris® | Antikörper-Wirkstoff- Konjugat | gezielte Applikation eines sehr toxischen Zytostatikums |
Trastuzumab emtansin, Kadcyla® | Antikörper-Toxin- Konjugat | gezielte Applikation eines sehr toxischen Zytostatikums |
Ibritumomab Tiuxetan, Zevalin® | Antikörper-Chelator- Konjugat | gezielte Radioimmuntherapie |
Antikörperhumanisierung
Antikörper sind heute aus dem Arzneimittelschatz nicht mehr wegzudenken. Ihre »Karriere« begann, als das Biobetter-Konzept griff. Als Referenzmolekül kann der Maus-Antikörper OKT3 angesehen werden, der nach wie vor als Maus-Antikörper verfügbar ist und in der Abstoßungsprävention den »proof of concept« für den therapeutischen Einsatz geliefert hat.
Sicherlich eine der bedeutendsten Strategien zur Optimierung von Biologicals war die schrittweise »Humanisierung« rekombinanter monoklonaler Antikörper (Tabelle 3). Zur Erinnerung: Praktisch alle monoklonalen Antikörper werden zunächst als Maus-Antikörper entwickelt. Als solche sind sie aber kaum therapeutisch zu gebrauchen, da im Menschen sehr schnell eine heftige Antikörperbildung gegen diese Wirkstoffe einsetzt, die einen wiederholten Einsatz praktisch unmöglich macht.
Die Lösung dieses Problems bestand darin, Teile dieser Mausproteine durch humane Antikörpersequenzen zu ersetzen. So sahen wir zunächst die sogenannten chimären Antikörper, bei denen die komplette konstante Domäne des Maus-Antikörpers durch eine humane konstante Domäne ersetzt wurde. Im nächsten Entwicklungsschritt wurden bei den humanisierten Antikörpern auch die sogenannten Framework-Regionen (FR) zwischen den hochvariablen Komplementaritäts-bestimmenden Regionen (CDR) durch humane Sequenzen ersetzt. Und schließlich enthalten die humanen Antikörper gar keine Maussequenzen mehr, obwohl auch diese Wirkstoffe anhand von Maus-Antikörpern entwickelt werden. Ihr Vorteil: Sie lösen kaum noch Immunreaktionen im Menschen aus – eindeutige Biobetters.
Pegylierung
In vielen Laboren wird an der Entwicklung von Biobetters geforscht.
Foto: Fotolia/ Alexander Raths
Auch das Prinzip der Pegylierung wird bereits seit dem Jahr 2000 erfolgreich eingesetzt, um die Halbwertszeit von Proteinen zu verlängern (Tabelle 4). Peginterferon alfa-2b hat die Therapie der Hepatitis C erheblich verbessert im Vergleich zu unmodifiziertem Interferon alfa-2b. Ein aktuelles Beispiel ist Peginterferon beta-1a, das vor wenigen Monaten für Patienten mit Multipler Sklerose auf den Markt kam. Die Patienten müssen das Präparat nur noch alle zwei Wochen injizieren.
Aber gehört hier dann beispielsweise auch Certolizumab pegol dazu? Das Antikörperfragment gegen den Tumornekrosefaktor alpha (TNF-α) kompensiert die im Vergleich zu einem kompletten TNF-α-Antikörper wesentlich kürzere Halbwertszeit über eine Polyethylenglykolkette. Im Vergleich zum unmodifizierten Antikörperfragment ist Certolizumab pegol sicherlich eine Verbesserung. Ob das Biobetter-Prinzip allerdings gegenüber einem kompletten TNF-α-Antikörper greift, ist fraglich. Es könnte sich bei diesem Molekül auch um die Vervollständigung eines möglichen Wirkstoffrepertoires gegen das sehr gut etablierte, lukrative Target TNF-α handeln.
Glykooptimierung
Eine große Variabilität der Biologicals und ein starker Einflussfaktor auf die Pharmakokinetik entstehen bei den Biologicals durch die Zuckerstrukturen der Glykoproteine. Viele der etablierten rekombinanten Wirkstoffe gehören zu dieser Gruppe, allen voran natürlich die vielen verschiedenen Antikörper, aber auch Erythropoetin, die Gonadotropine, Gerinnungsfaktoren und etliche mehr.
Die Zuckerstrukturen entscheiden teils über die Antigenität des Proteins, aber auch über die Halbwertszeit und die Affinität zu ihren Rezeptoren. Alle diese Wirkstoffe müssen wegen ihrer Zuckermodifikation in höheren eukaryontischen Zellsystemen – meist in CHO-Zellen (Ovarialzellen des chinesischen Hamsters, chinese hamster ovary) – hergestellt werden. Allerdings unterscheidet sich das Glykosylierungsmuster der rekombinant hergestellten Proteine von dem der im Menschen vorkommenden Varianten. Die CHO-Zellkultur ist zudem recht kostenintensiv. Für die Herstellung von 1 g therapeutischem Antikörper müssen 300 bis 3000 US-$ kalkuliert werden – ein hoher Preis für ein auf den ersten Blick suboptimales Ergebnis!
Mit Simoctocog alfa, einem Gerinnungsfaktor VIII, der ohne B-Domäne exprimiert wird, ist ein Protein zugelassen, das in der humanen embryonalen Nierenzelllinie (HEK, human embryonic kidney) 293F hergestellt wird (Tabelle 4). Somit ist es hinsichtlich der posttranslationalen Modifikation optimal an das menschliche Glykosylierungsmuster angepasst.
Wirkstoff, Handelsname | Charakteristikum | erzielter Effekt |
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Pegylierung | ||
Methoxy-Polyethylenglycol-Epoetin beta, Mircera® | Methoxy-Pegylierung | verlängerte Halbwertszeit |
Certolizumab pegol, Cimzia® | Pegylierung eines Antikörperfragments | verlängerte Halbwertszeit |
Lipegfilgrastim, Lonquex® | Pegylierung am O-Glykosid | verlängerte Halbwertszeit |
Pegfilgrastim, Neulasta® | Pegylierung | verlängerte Halbwertszeit |
Peginterferon alfa-2a, Pegasys® | Pegylierung | verlängerte Halbwertszeit |
Peginterferon alfa-2b, PegIntron® | Pegylierung | verlängerte Halbwertszeit |
Peginterferon beta-1a, Plegridy® | Pegylierung | verlängerte Halbwertszeit |
Pegloticase, Krystexxa® | Monomethoxy-Pegylierung | verlängerte Halbwertszeit |
Pegvisomant, Somavert® | Aminosäuren-Austausch, Pegylierung | antagonistische Wirkung, verlängerte Halbwertszeit |
Pegaspargase, Oncaspar® | Pegylierung | verlängerte Halbwertszeit |
Beeinflussung der posttranslationalen Modifikation | ||
Simoctocog alfa, Nuwiq® | humane Zelllinie zur Expression | korrekte posttranslationale Modifikation, Proteinfaltung |
Ein Ansatz für ein verbessertes und kostengünstigeres Expressionssystem ist die Humanisierung der Proteinglykosylierung in der Hefe Pichia pastoris. Ersetzt man die Gene für die Enzyme, die normalerweise Hefe-ähnliche Oligosaccharide anhängen, durch entsprechende Gene aus dem Menschen, kann das Glykosylierungsmuster der rekombinant hergestellten Proteine an das humane Vorbild angeglichen werden. Zudem kann P. pastoris keine GDP-Fucose bilden, sodass dieser Zuckerbaustein überhaupt nicht zur Verfügung steht – besonders günstig für die Herstellung von Antikörpern.
Immunglobuline sind ihrer konstanten Region glykosyliert, wobei die Zuckermodifikation über die Affinität zu den Fc-Rezeptoren auf Immunzellen entscheidet. Diejenigen Antikörper, bei denen das Oligosaccharid keinen Fucoserest beinhaltet, können das Immunsystem sehr viel besser dazu anregen, vom Antikörper gebundene Zellen zu zerstören. Das ist zum Beispiel bei der Tumortherapie ein ganz entscheidender Wirkmechanismus der eingesetzten Antikörper.
Eine in den humanisierten P.-pastoris-Zellen hergestellte Trastuzumab-Variante zeigte im direkten Vergleich zu originalem CHO-Trastuzumab eine vergleichbare Affinität zu Her2 und eine vergleichbare Inhibition der nachgeschalteten Signaltransduktion, aber eine deutlich bessere Elimination der Her2-positiven Zellen durch natürliche Killerzellen oder Monozyten.
Dass sich durch einen veränderten Glykosylierungsgrad die Halbwertszeit eines Biologicals beeinflussen lässt, hat man bereits 2002 mit der Einführung von Darbepoetin alfa genutzt (Tabelle 1). Bei diesem Wirkstoff wurde die Aminosäuresequenz von Erythropoetin gezielt derart verändert, dass zu den bereits vorhandenen drei Glykosylierungsstellen noch zwei zusätzliche Aminosäuren mit N-verknüpften Kohlenhydratketten modifiziert werden. Dadurch bindet das Protein zwar weniger gut an den Rezeptor, bleibt aber dreimal so lange im Plasma stabil wie die unveränderten Erythropoetine.
Ein ähnliches Verfahren erfolgte kürzlich auch mit Interferon-beta, wobei das Gen derart mutiert wurde, dass an der Aminosäureposition 27 ein Threonin anstelle eines Arginins eingebaut wird. Durch diese Änderung entsteht an der Position 25 eine zusätzliche Glykosylierungsstelle.
Eine interessante Alternative zu den herkömmlichen eukaryontischen Expressionssystemen mit CHO-Zellen hat die 2001 in Berlin gegründete Firma Glycotope entwickelt. Auf der Basis der myeloischen Krebszelllinie NM-wt wurde durch ungerichtete Mutagenese mithilfe von Ethylmethansulfonat im Kulturmedium die Zelllinie NM-F9 selektioniert, die einen Defekt in der Sialylierung von Glykoproteinen aufweist. Gibt man diesen Zellen nun ein Zwischenprodukt der Sialinsäuresynthese, N-Acetylmannosamin (ManNAc), ins Medium, werden die gebildeten Glykoproteine je nach zugegebener Menge unterschiedlich stark sialyliert. Anschließend muss man nur noch testen, welcher Sialylierungsgrad optimal für Wirksamkeit und Bioverfügbarkeit des gewünschten Proteins ist – fertig ist das Biobetter!
Ein entsprechend hergestelltes Follitropin, FSH-GEXTM, befindet sich derzeit in Phase-III-Studien. Daneben hat die Firma Glycotope noch Cetuximab und Trastuzumab sowie den bislang noch nicht zugelassenen Antikörper PankoMab gegen den auf bestimmten Tumoren überexprimierten Mucin-1- Marker (Tumor-assoziiertes Mucin-1-Epitop = TA-Muc1) in ihrer GlycoExpressTM-Pipeline.
Aus wirtschaftlicher Sicht positiv: Durch derartige Änderungen entsteht ein neues Molekül, das wiederum – im Gegensatz zum Biosimilar – zwölf Jahre Patentschutz genießt. Und dennoch sind die Entwicklungskosten für das Biobetter erheblich geringer, denn es handelt sich ja »nur« um eine Abwandlung eines etablierten Moleküls, dessen prinzipieller Benefit in einer bestimmten Therapie bereits gezeigt wurde.
Eines der neueren Biobetter-Konzepte ist die Entwicklung von Antikörperkonjugaten. Ziel ist einerseits, Antikörper in der Krebstherapie noch effizienter zu machen, andererseits hochtoxische Moleküle in (noch) verträglichen Dosen gezielt an den Ort der Wirkung zu transportieren.
Ein Beispiel ist Trastuzumab emtansin (Tabelle 3). Trastuzumab ist bereits seit 2000 auf dem Markt; 2013 wurde eine Molekülvariante verfügbar, die zusätzlich das sehr toxische Zytostatikum DM1, ein Maytansinderivat, trägt. Dadurch ist eine Therapiesteigerung bei mit Trastuzumab vorbehandelten Brustkrebs-Patientinnen möglich. Ein anderes Antikörperkonjugat ist mit Brentuximab vedotin zur Therapie des refraktären Hodgin-Lymphom zugelassen. Etliche andere Antikörperaddukte befinden in der Entwicklung (lesen Sie dazu auch Antikörperaddukte: Gezielter Angriff auf Krebszellen).
Biobetter-Entwicklungen: futuristisch oder machbar?
Nach wie vor hadern viele mit der Tatsache, dass Proteintherapeutika nahezu ausnahmslos parenteral appliziert werden müssen. Daher wird immer wieder versucht, Formulierungen für Biologika zu entwickeln, die eine nasale, pulmonale oder gar orale Applikation möglich machen. Bisher erwiesen sich diese Strategien als nicht praxistauglich – hauptsächlich wegen der Variabilität der Bioverfügbarkeit bei den Patienten.
Das wohl bekannteste Beispiel ist Exubera®, ein inhalatives Insulin, das von Pfizer entwickelt wurde. Obwohl es eine Zulassung erhalten hatte, konnte sich das Präparat nicht durchsetzen. Bei den Ärzten war es unbeliebt, weil sich die Diabetestherapie nicht erkennbar verbesserte. Auch die Dosierung war nicht immer verlässlich; so konnte Passivrauchen die resorbierte Menge herabsetzen. Dann gab es Bedenken hinsichtlich der langfristigen Lungenverträglichkeit. Und schließlich konnten sich auch die Kostenträger nicht mit dem Medikament anfreunden, das die Therapiekosten verfünffachte. Sowohl das britische National Institute for Clinical Excellence (NICE) als auch der Gemeinsame Bundesausschuss erteilten dem Präparat eine Absage.
Suspensionskulturen aus Karottenzellen
Für eine orale Applikation gibt es mehrere Probleme zu überwinden. Zum einen muss das Protein so verpackt werden, dass es die extremen pH-Werte bei der Passage durch den Intestinaltrakt nativ übersteht. Zum anderen muss die schlechte Aufnahme über die Darmmukosa möglichst verbessert werden. Hier könnten sich sogenannte zellpenetrierende Peptide (cell-penetrating peptides, CPP) wie das Tat-Peptid des HI-Virus als nützlich erweisen, wenn diese an das zu applizierende Protein anfusioniert werden. Allerdings sind marktnahe Entwicklungen kaum in Sicht.
Produktionsort für eine rekombinante Glucocerebrosidase: Suspensionskulturen aus Karottenzellen
Foto: Elelyso/ newsinfusion.com
Ein weiterer, geradezu unglaublich anmutender, aber dennoch mit Daten belegter Ansatz ist die orale Applikation rekombinanter Proteine, die in Pflanzenzellen, im konkreten Fall in Karottenzellen, exprimiert wurden. Dabei werden nicht aufgereinigte Proteine zu oralen Darreichungsformen formuliert, sondern die rekombinanten Zellen werden in Form eines Getränks eingenommen. Die Zellwand der Pflanzenzelle schützt das Protein während der frühen Magen-Darm-Passage. Erst im Dickdarm wird diese Barriere mithilfe der Darmflora aufgelöst, und die Proteine penetrieren durch die Darmmukosa ins Blut.
Diese Entwicklung wird von den Firmen Protalix und Pfizer vorangetrieben. Der am weitesten entwickelte Wirkstoff ist PRX-112, eine rekombinante Glucocerebrosidase, die als Substitutionstherapie beim Morbus Gaucher eingesetzt wird. Nicht nur in Tierversuchen erwies sich dieses Prinzip als machbar. Es gab bereits Phase-I- und Phase-II-Studien beim Menschen. Allerdings zeigen die wenigen in der Literatur auffindbaren Daten eine hohe interindividuelle Variabilität, sodass fraglich bleibt, ob dieses verblüffend einfache System tatsächlich im klinischen Alltag einsetzbar ist.
Fazit
Das Biobetter-Konzept ist längst im klinischen Alltag angekommen. Es bietet in erster Linie eine Annäherung an die natürliche Pharmakokinetik von therapeutisch interessanten, humanen Proteinen. Denn nach wie vor sind wir weit davon entfernt, diese Proteine auch nur annähernd in den Konzentrationsspiegeln zu applizieren, wie sie natürlicherweise ins System abgegeben werden. Im Wesentlichen werden Fortschritte durch molekulare Modifikationen erreicht. Pharmazeutisch-technologische Ansätze stecken trotz guter Konzepte nach wie vor in den Kinderschuhen und scheinen weit von der Klinik entfernt zu sein. /
Literatur
Baumeister, H., et al., Novel Human Expression System Glycoengineered for Optimal Glycosylation of Biotherapeutics. BioProcess International, Mai 2006. Supplement, 36-41.
Szymkowski, D. E., True Biosimilars Do Not Offer A Compelling Business Case. Juli 2010. www.pharmtech.com
Bundesministerium für Gesundheit, Bekanntmachung eines Beschlusses des Gemeinsamen Bundesausschusses zur Änderung der Arzneimittel-Richtlinie/AMR in Anlage 4: Therapiehinweise. Vom 17. Okt. 2006. BAnz. Nr. 9 (S. 439) 13.01.2007.
Khafagy, El-S., Mariko Morishita, Oral biodrug delivery using cell-penetrating peptide. Advanced Drug Delivery Reviews 64 (2012) 531–539.
PRX-112, oral Glucocerebrosidase for Gaucher Disease. www.protalix.com/development-pipeline/prx-112-oral-gaucher-disease.asp
Theodor Dingermann studierte Pharmazie in Erlangen. Nach der Approbation 1976 folgten Promotion und 1987 Habilitation. Von 1991 bis 2013 war er Geschäftsführender Direktor des Instituts für Pharmazeutische Biologie an der Goethe-Universität Frankfurt/Main. Jetzt ist er Seniorprofessor der Universität. Dingermann war von 2000 bis 2004 Präsident der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft und arbeitete in zahlreichen wissenschaftlichen Gremien, unter anderem bei BfArM. Die Apotheker kennen ihn als Referenten, Autor und Co-Autor von wissenschaftlichen Fach- und Lehrbüchern. Seit April 2010 ist er externes Mitglied der Chefredaktion der PZ.
Ilse Zündorf studierte Biologie von 1984 bis 1990 an der Universität Erlangen. Nach einem Forschungsaufenthalt an der University of Kentucky, Lexington, USA, wurde sie 1995 am Institut für Pharmazeutische Biologie der Universität Frankfurt promoviert. Zunächst als Akademische Rätin, seit 2001 als Akademische Oberrätin arbeitet sie am Institut für Pharmazeutische Biologie der Goethe-Universität Frankfurt. Ihre Forschungsthemen betreffen Herstellung und Charakterisierung monoklonaler Antikörper, Herstellung und Modifikation rekombinanter Antikörperfragmente sowie die Etablierung von zellulären Testsystemen zur Wirkstoffsuche.
Professor Dr. Theo Dingermann und Dr. Ilse Zündorf
E-Mail: Dingermann@em.uni-frankfurt.de