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Klinische Pharmazie

Gestellte Medikamente unter der Lupe

28.01.2008  14:10 Uhr

Klinische Pharmazie

Gestellte Medikamente unter der Lupe

Von Konrad Mühmel

 

Unter dem Thema »Erfassung und Vermeidung von Medikationsfehlern auf einer viszeralchirurgischen Station« wurde im Parkkrankenhaus Leipzig ein Projekt realisiert, das die Ausbildung im Fachbereich Klinische Pharmazie unterstützt. Ziel der Arbeit war das Aufzeigen von Ursachen, Art und Häufigkeit der Fehler sowie das Erarbeiten von Vorschlägen, um Medikationsfehler in Zukunft zu vermeiden.

 

Resultierend aus der Einführung des Prüfungsfaches »Klinische Pharmazie« im Rahmen der neuen Approbationsordnung für Apotheker im Jahr 2001 wurde von der Sächsischen Landesapothekerkammer (SLAK) die finanzielle Förderung von Pharmaziepraktikanten in Krankenhausapotheken beschlossen. Eines der ersten Projekte war das oben genannte.

 

Bis zu 15.000 Patienten sterben nach einer Studie der Medizinischen Hochschule Hannover jedes Jahr infolge von Medikationsfehlern in den Krankenhäusern Deutschlands. Dagegen erscheint die Zahl von 5107 Verkehrstoten im vergangenen Jahr gering. Dennoch sind mögliche Medikationsfehler als Todesursache hierzulande noch nicht so weit ins Bewusstsein der Menschen gerückt wie eigentlich nötig.

 

Nach der Definition des National Coordinating Council for Medication Error Reporting and Prevention (NCCMERP) gelten nicht nur die pharmakokinetischen und pharmakodynamischen Neben- und Wechselwirkungen eines Arzneimittels als Medikationsfehler, sondern ebenso alle Fehler in den vorangegangenen Arbeitsschritten, vom Verordnen über das Dokumentieren bis hin zum Setzen, Zubereiten und dem Applizieren eines Arzneimittels.

 

Die Projektarbeit beschäftigte sich ausschließlich mit der Erfassung von Medikationsfehlern auf der viszeralchirurgischen Station des Parkkrankenhauses Leipzig über einen Zeitraum von zwölf Wochen. Die tägliche Begleitung der Visite, die Kontrolle der gesetzten Medikamente sowie die täglich mehrfache Durchsicht der Patientenkurven bildeten hierfür die Grundlage.

 

Bei 138 erfassten Patienten konnten von insgesamt 1292 Aufenthaltstagen in der Klinik 803 Tage ausgewertet werden. Es wurden 4549 angeordnete Medikamente mit 6150 Einzelapplikationen eruiert. Bei den dokumentierten Medikationen betrug der Anteil der im Krankenhaus angeordneten Medikamente 48 Prozent (2184), bezogen auf die Einzelapplikationen waren es 51 Prozent (3136).

 

Insgesamt wurden bei den Krankenhausmedikationen 463 Fehler (21,4 Prozent) und bei den hausärztlich verordneten Medikationen 491 Fehler (20,6 Prozent) dokumentiert. Dies entspricht einer Gesamtfehlerquote von circa 21 Prozent (954 Fehler). Häufigste Fehlerquelle stellte die unvollständige und nicht einheitliche Dokumentation von Medikamenten (435 Fehler), gefolgt von Setzfehlern und Anordnungsfehlern (fehlerhafte Medikationsverordnungen der Ärzte) dar. Als Beispiel sind alle gefundenen Dokumentationen des Pflegepersonals für ein und dieselbe Anordnung eines Schmerzmittels (Berlosin®, enthält 500 mg Metamizol-Natrium pro Tablette) aufgeführt:

Anordnung des Arztes: Berlosin Tbl. 1g 1-1-1-1
gefundene Dokumentationen: Berlosin 1g 1-1-1-1
Berlosin 1-1-1-1
Berlosin 2-2-2-2
Berlosin Tbl. 2-2-2-2
Berlosin 1g 2-2-2-2

So verwundert es nicht, dass die Patienten sehr oft statt der erforderlichen zwei Tabletten pro Applikation nur eine Tablette gesetzt bekamen, beziehungsweise im gegenteiligen Fall sogar vier Tabletten pro Applikation in dem Dispenser zu finden waren. Eine Verwechslung von oraler und intravenöser Applikation des Schmerzmittels kam glücklicherweise nicht vor, wäre bei den gezeigten Beispielen aber nicht überraschend gewesen.

 

Infolge dieser Ergebnisse wurden Vorschläge zur Vermeidung solcher Fehler erarbeitet. Die Erarbeitung allgemeingültiger Leitlinien, sowohl in der Dokumentation als auch beim Setzen der Medikamente, spielte hierbei eine wesentliche Rolle. So wurde unter anderem eine einheitliche Dokumentation der angeordneten Medikamente anhand des oben genannten Beispiels wie folgt vorgeschlagen:

 

Berlosin Tbl. 500 mg 2-2-2-2.

 

Es wurden moderne computergestützte Methoden vorgestellt, die die Häufigkeit von Medikationsfehlern in Zukunft deutlich reduzieren können. So würde der Einsatz eines Unit-Dose-Automaten im Zusammenspiel mit der computergestützten ärztlichen Leistungsanforderung (Computerized Physician Order Entry Systems, CPOES) Medikationsfehler nahezu unmöglich machen. Weiterhin wurde angeregt, ein anonymes Fehlermeldesystem zu etablieren, um permanent Häufigkeit und Ursachen von Fehlern zu erfassen. So könnten diese frühzeitig erkannt und abgestellt werden.

 

Die permanente Anwesenheit eines Apothekers bei den Visiten auf jeder Station des Krankenhauses ist schon aus personellen Gründen nicht realisierbar. Andererseits fehlt den Krankenhäusern auch vonseiten des Gesetzgebers der nötige Druck, um eine solche Investition ins Personal zu tätigen.

 

Literatur

beim Verfasser.

 

Kontakt:

konrad(at)muehmel-net.de

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