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Interview

Die Grenzen von Genesis

29.01.2007  11:18 Uhr

Interview

Die Grenzen von Genesis

Von Christiane Berg

 

Ein riesiger Himmelskörper rast mit hoher Geschwindigkeit auf die Erde zu, und ein kleiner Kreis von Wissenschaftlern sucht nach einem Plan, die Menschheit zu retten. Dr. Martin Thomsen, Geschäftsführer der Apothekerkammer Niedersachsen, schrieb erneut einen spannenden Roman. Idee, Recherche, Entstehung: Die PZ fragte nach.

 

PZ: Herr Dr. Thomsen, nach Ihrem ersten Buch »Lost Reality: Die Anasazi-Falle« 2004 ist zum Ende des vergangenen Jahres nun Ihr zweites Buch »Die Grenzen von Genesis« erschienen. Die Astronomin Mary Dandorf vom Keck-Observatorium auf Hawaii entdeckt einen neuen Himmelskörper. Dieser passt allerdings nicht in das bisher bekannte Bild von Sternen, Planeten, Monden und Kometen. Er besteht aus dunkler Materie mit extremer Gravitation und rast mit hoher Geschwindigkeit auf die Erde zu. Ihr Roman schildert, wie ausgewählte Politiker und ein kleiner Kreis von Wissenschaftlern unter höchster Geheimhaltung einen Plan zur Rettung der ahnungslosen Menschheit entwickeln. Wie sind Sie auf die dem Buch zugrunde liegende Idee gekommen?

Thomsen: Ich weiß es nicht. Oder doch? Ich hatte einen wissenschaftlichen Aufsatz über die von mir im Buch thematisierten SQM (Strange Quark Matter)-Nuggets gelesen. Das sind kleine tonnenschwere Teilchen, die für verschiedene Erdbeben verantwortlich gemacht werden. Da ich mich sehr für astronomische Zusammenhänge interessiere und alle Kenntnisse darüber quasi wie ein Schwamm aufsauge, habe ich mich im Internet weiter kundig gemacht. Es passiert vieles gleichzeitig auf der Welt. Das zeigen die täglichen Nachrichten. Plötzlich hatte ich verschiedene, jedoch auf dem ganzen Erdball parallel ablaufende Ereignisse im Kopf. Nachdem ich mir über die Protagonisten und Charaktere des Romans im Klaren war, versuchte ich, mich immer wieder in die jeweiligen Personen hinein zu versetzen, und mir zu überlegen, wie ich selbst in den jeweiligen Situationen reagieren würde.

 

PZ: Ihr neuer 542 Seiten starker Roman zeichnet sich nicht nur durch astronomische, sondern auch umfangreiche politische, geografische, mathematische und geschichtliche Kenntnisse aus, die doch sicherlich ebenfalls die Lektüre von Fachliteratur und intensive Recherche erforderlich gemacht haben. Zählen Sie zu den beneidenswerten Menschen, die nur vier Stunden Schlaf brauchen? Oder wie finden Sie für die Entfaltung Ihres schriftstellerischen Talents neben Ihrer anspruchsvollen Tätigkeit als Geschäftsführer der Apothekerkammer Niedersachsen und engagierter Familienvater zweier Kinder Raum und Zeit?

Thomsen: Während andere in ihrer Freizeit Unterhaltungslektüre lesen, schreibe ich diese, auch im Urlaub. So habe ich während unserer letzten Reise in die Toskana nach dem morgendlichen Kulturprogramm in einer Woche 80 Seiten am Stück geschrieben. Ich halte mich dabei nicht an feste Zeiten, sondern setze mich spontan an den Computer. Es hat ja auch fünf Jahre gedauert, bis das Buch, das schon parallel zu meinem ersten Roman entstanden ist, geschrieben war. Im Übrigen haben ja auch die aktuellen Ereignisse Einfluss auf das Schreiben. In »Grenzen der Genesis« schildere ich zum Beispiel weltweite Terroranschläge. Wenig später ist es tatsächlich zu dem Terroranschlag in London gekommen. Ich fragte mich, ob ich diese Szene nicht besser wieder rausnehmen sollte, weil sie so aufgesetzt klingt, habe es dann aber dabei belassen. Zwei Drittel der beschriebenen Orte kenne ich, weil ich selbst da war. So habe mit meiner Familie lange Zeit in Amerika gelebt. Und manche Alltagsszenen haben sich tatsächlich so wie geschildert zugetragen. Alles andere habe ich mir mit souveräner Willkür ausgedacht.

 

PZ: Ihr Buch ist von sieben Szenarien geprägt, die zur selben Zeit an sieben verschiedenen Orten unter anderem in China, Afghanistan, Indien und Amerika spielen, und schließlich zu einem Handlungsstrang zusammengeführt werden. Hatten Sie den Verlauf der Geschichte und ihr Ende von Anfang an vor Augen?

Thomsen: Nein, das Ende kannte ich im Gegensatz zu meinem ersten Buch diesmal nicht. Ich hatte lediglich den intellektuellen Anspruch an mich selbst, mehrere Handlungsstränge logisch ineinander übergleiten zu lassen. Ich dachte mir: Mal sehen, ob ich das hinkriege. Dann hat sich das Ende von selbst ergeben. Zuallerletzt habe ich schließlich den Prolog geschrieben.

 

PZ: In den »Grenzen von Genesis« werden kurz auch die für den Bürger sehr negativen Entwicklungen auf dem Apotheken- und Arzneimittelmarkt thematisiert. Zwei Ihrer Hauptfiguren unterhalten sich darüber, dass die persönlichen und individuell geführten Apotheken auf dem Land verschwunden sind, da sie mit den nationalen und internationalen Apothekenketten nicht mithalten konnten. Von den Kranken sind weite Wege in Kauf zu nehmen, um versorgt zu werden, ganz abgesehen davon, dass die Qualität der pharmazeutischen Betreuung und die persönliche Zuwendung gravierend nachgelassen haben. Sind derartige Entwicklungen in Flächenländern wie Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern oder Schleswig-Holstein nicht bereits Realität?

Thomsen: Ja, in Anfängen. Das Fatale ist, dass die politischen Entscheidungsträger die Gesunden sind. Sie machen sich oftmals keine Gedanken darüber, was ihre am grünen Tisch getroffenen Beschlüsse für die Alten, Schwachen und Kranken bedeuten. Im Gegenteil: Mit diesen wird gespielt. Ich finde, die Politik sollte sich stärker bewusst werden, dass sie im Begriff ist, leichtfertig und unüberlegt altbewährte Strukturen zu zerstören, ohne den Rat von Fachleuten anzunehmen.

 

PZ: Der derzeit im ZDF gezeigte Doku-Film »Aufstand der Alten« geht in der Zukunftsschilderung noch einen Schritt weiter. Er zeigt, basierend auf der Tatsache, dass 2030 jeder dritte Bürger älter als 60 Jahre sein wird, den demographischen Wandel als eines der drängenden Probleme der Gegenwart auf. In dem vom ZDF gemeinsam mit Wissenschaftlern entwickelten Szenario werden Millionen von Alten in Heimen für Arme dahinvegetieren. Im Mittelpunkt des Dramas steht unter anderem ein Einbruch alter Menschen in eine Apotheke. Sie brauchen dringend Medikamente, die ansonsten entweder nicht erschwinglich oder nur noch auf dem Schwarzmarkt erhältlich sind. Die erschreckenden Ereignisse werden auf eine jahrzehntelange fehlgeleitete Renten- und Gesundheitspolitik zurückgeführt. Auch wenn der Film überzeichnet, um wachzurütteln: Halten Sie ähnliche Entwicklungen für denkbar?

Thomsen: Nein. Ich meine, dass es ganz andere Probleme geben wird. Mit ihrer drastischen Zunahme werden die alten Menschen mehr und mehr auch entsprechende politische Kräfte entfalten. Damit werden sie die gesellschaftlichen Verhältnisse bestimmen, was zu einer starken Benachteiligung der Jugend und Einschränkung der Chancen der nachwachsenden Generationen führen wird.

 

PZ: Auch wenn Ihre Leser somit nicht mit einem Demografie- und Polit-Krimi über den Krieg der Generationen rechnen dürfen, der aufzeigt, was geschieht, wenn Versäumnisse in der Renten- und Gesundheitspolitik nicht korrigiert werden und Pflege und medizinische Leistungen für den Durchschnittsrentner zukünftig nicht mehr gewährleistet sind: Ist ein drittes Buch in Planung?

Thomsen: Das dritte Buch ist vom Duktus her tatsächlich bereits fertig in meinem Kopf. Es wird jedoch von Ereignissen bestimmt, die ich noch nicht abschätzen kann. Geben Sie mir noch fünf Jahre. Immer spielen in meinen Büchern Wissenschaft und Mystik eine Rolle. So auch in diesem. Davon kann ich mich nicht lösen. Dennoch wird es sich diesmal um eine ganz andere Geschichte handeln.

"Die Grenzen von Genesis"

Roman von Martin Thomsen

542 Seiten, Hardcover

Wiesenburg-Verlag, Schweinfurt 2006

ISBN 3-939518-10-7. 24,80 Euro

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