Vorsicht bei Kombinationen |
24.01.2018 10:27 Uhr |
Polypharmazie ist in der Therapie mit Psychopharmaka eher die Regel als die Ausnahme. Zwei Drittel der Patienten nehmen zwei oder mehr Psychopharmaka ein und mehr als jeder zweite bekommt noch andere Arzneimittel. Welche Kombinationen sinnvoll und welche potenziell gefährlich sind, erklärte Apotheker Dr. Otto Dietmaier vom Klinikum am Weißenhof in Weinsberg.
Ein Fallbeispiel: Eine 37-jährige depressive Frau bekommt seit vier Wochen Escitalopram. Sie klagt beim Apotheker, dass sie keinen Effekt spüre. »Bei guter Compliance sollte nach zwei bis vier Wochen eine Besserung spürbar sein«, informierte Dietmaier. Der Apotheker solle zum Arztbesuch raten. Dieser könne zur Augmentation zum Beispiel Quetiapin, Aripiprazol, Risperidon oder Olanzapin verordnen.
Manche Psychopharmaka können die weißen Blutkörperchen irreversibel schädigen. Anzeichen hierfür können grippeähnliche Symptome sein.
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Die Kombination eines Antidepressivums mit einem Antipsychotikum sei sinnvoll bei wahnhaften Depressionen oder zur Augmentation. Ebenfalls sinnvoll sei die zusätzliche kurzzeitige Gabe eines Benzodiazepins oder schwachen Antipsychotikums, um Unruhe, Schlafstörungen, Angst oder Suizidalität zu behandeln, bis die antidepressive Wirkung einsetzt. Bei therapieresistenten Depressionen und zur frühzeitigen Rezidivprophylaxe bei Menschen mit bipolaren affektiven Störungen biete sich ein Antidepressivum plus Stimmungsstabilisier an.
Blutbild kontrollieren
Gefährlich oder sogar kontraindiziert sind hingegen Kombinationen von Blutbild-schädigenden Substanzen (Beispiel: Clozapin plus Trizyklika), deutlich serotonerg wirksamen Substanzen (SSRI plus MAO-Hemmer) oder QT-Zeit-verlängernden Stoffen (Ziprasidon plus Sertindol). Auch im Verbund mit Nicht-Psychopharmaka können Probleme auftreten. Ein Klassiker ist das Leukopenie- und Agranulozytose-Risiko unter Clozapin, Carbamazepin und Mianserin. »Die Kombination mit Metamizol ist ein No-Go.« Apotheker sollten hellhörig werden, wenn Patienten, die potenzielle Risikomedikamente einnehmen, über grippeähnliche Beschwerden wie Halsschmerzen, Abgeschlagenheit, Schüttelfrost und hohes Fieber klagen. Dies können Hinweise auf eine Leukopenie sein.
Ein großes Problem sind delirogene Pharmaka. Ein Delir äußert sich ähnlich wie eine Psychose, tritt aber rasch auf. Delirogen wirken zum Beispiel Clozapin, mittel- und niederpotente Phenothiazine, Olanzapin und Quetiapin, Amitriptylin und Clomipramin. »Alle anticholinerg wirksamen Arzneistoffe sind delirogen«, betonte der Apotheker. Dazu zählen auch das Parkinson-Mittel Biperiden, Antihistaminika sowie Parasympatholytika wie Oxybutynin und Tolterodin. Infektionen, Exsikkose, ZNS-Erkrankungen und Operationen erhöhen das Risiko für ein Delir, vor allem bei älteren Patienten.
Was tun, wenn ein Patient unter SSRI und Lithium über andauernde Schmerzen klagt? Hier sollte der Apotheker an das Blutungsrisiko denken und keine nicht steroidalen Antirheumatika (NSAR) oder ASS abgeben. Eine kurzfristige NSAR-Gabe unter SSRI-Therapie sei in der Regel möglich.
Auf Lithium-Spiegel achten
Apropos Lithium: Da es fast nur renal ausgeschieden wird, sind pharmakokinetische Interaktionen mit Diuretika, ACE-Hemmern, Sartanen und NSAR zu berücksichtigen. Diese können die Lithium-Clearance vermindern und damit die Blutspiegel erhöhen. »Zu hohe Lithium-Spiegel können tödlich sein.« Ausdrücklich wies Dietmaier auf kardiale Nebenwirkungen wie eine Verlängerung des QT-Intervalls hin. Das kann zu Kammertachykardie, Torsade-des-pointes-Arrythmien und Herzstillstand führen.