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Autophagie

Die Müllabfuhr der Zelle

24.01.2018  10:22 Uhr

Als Autophagie bezeichnet man den Abbau fehlgefalteter und ­somit nicht funktioneller Proteine in der Zelle. Dieser Entsorgungs­mechanismus funktioniert unter anderem bei neurodegenerativen Krankheiten nicht mehr. In der Folge bilden sich charakteristische Ablagerungen. Forscher arbeiten an pharmakologischen und genetischen Möglichkeiten, die Autophagie zu stärken.

Ob vom Fadenwurm, Fisch oder Mensch – eukaryotische Zellen unterscheiden sich nur marginal. Das gilt auch für die Autophagie. Sie ist ein zentraler Prozess, der den Abbau von dysfunktionalen, unerwünschten und überzähligen intrazellulären Komponenten mithilfe des Lysosoms bewerkstelligt. »Die Autophagie ist ein lebenswichtiger Recy­clingprozess«, informierte Professor Dr. Christian Behl von der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz. Ursprünglich ging man davon aus, dass es sich um einen nicht selektiven Prozess handelt. Heute kenne man auch selek­tive und Rezeptor-vermittelte Formen der Autophagie. Man spreche dann von Makroautophagie, so der Referent.

 

Medizin-Nobelpreis

 

Im Jahr 2016 erhielt der Japaner Professor Dr. Yoshinori Ohsumi den Medizin-Nobelpreis für die Entdeckung, wie auto­phagische Prozesse in der Zelle ­reguliert werden. Autophagie, so sein Ergebnis, kommt immer dann zum Zug, wenn die Umweltbedingungen für die Zellen ungünstig sind, etwa beim Mangel von Nahrung oder von Stickstoff. Zuständig dafür ist ein hierarchisch ­reguliertes Netzwerk aus autophagischen Proteinen. Eine Fehlfunktion kann zu unterschiedlichen Erkrankungen führen. Dazu zählen Stoffwechsel­erkrankungen, Krebs, Infektionen und neurodegenerative Krankheiten wie Alzheimer oder Parkinson. Bei den letzten beiden ist die Proteinhomöostase beeinträchtigt, was sich im Auftreten von charakteristischen Proteinablagerungen im Gehirn äußert.

 

Wenn ein Eiweiß abgebaut werden muss, hat die Zelle zwei Möglichkeiten. Unter Normalbedingungen erfolgt die Degradation über das Proteasom-System. Bei akutem Stress hingegen, der höhere Spiegel geschädigter Proteine nach sich zieht, nutzt sie vermehrt die Autophagie, mit der auch bereits aggregierte Eiweiße effizient abgebaut werden können. Das Umschalten zwischen diesen beiden Mechanismen geschieht durch die Kochaperone BAG1 und BAG3. Sogenannte Chaperone (englisch Anstandsdame) sind Proteine, die neu synthetisierten Proteinen helfen, sich korrekt zu falten. Die Bezeichnung wurde gewählt, da sie unreife Proteine vor schädlichen Kontakten ­bewahren.

 

Behls Arbeitsgruppe konnte 2009 zeigen, dass in jungen Nervenzellen ein hoher BAG1-Spiegel für die vornehmlich proteasomale Degradation von Prote­inen sorgt, in gealterten Neuronen dagegen ein hohes Niveau an BAG3 den Autophagie-Weg ankurbelt. Dem Referenten zufolge ist demnach die pharmakologische Stimulation der BAG3-­Expression und -Funktion ein vielversprechender Ansatz, den Abbau von Proteinablagerungen bei neurodegenerativen Erkrankungen zu fördern.

 

Modulation der Autophagie

 

Ein weiterer Ansatz ist laut Behl die pharmakologische Modulation der ­Makroautophagie, also die gezielte Aktivierung beziehungsweise Hemmung der selektiven Autophagie. Rapamycin und Torin waren zwei potenzielle Kandidaten für diese Aufgabe. Sie zielen auf mTOR, den übergeordneten Regulator der Autophagie. Sie entpuppten sich jedoch als ungeeignet, da sie nicht ausreichend selektiv waren. Derzeit werden der RAB3GAP-Komplex und die RAB3GTPase RAB 18 als positive Modulatoren untersucht, informierte Behl.

 

Wie groß die Chancen sind, dass mit einer Stärkung der Autophagie tatsächlich Tumor- oder degenerative neuro­logische Erkrankungen behandelt werden können, blieb in der anschließenden Diskussion offen.

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