Regeln gegen den Wildwuchs |
25.01.2017 10:42 Uhr |
Von Ev Tebroke / Nahrungsergänzungsmittel sind beliebt. Ihre Einnahme ist aber in der Regel überflüssig und oft sogar gesundheitsgefährdend. Um Risiken zu minimieren, fordern Verbraucherschützer gesetzliche Regelungen. Auch die Arzneimittelindustrie fordert dies.
Täglich eine Magnesiumtablette und ein paar extra Vitamine: Die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln (NEM) ist hierzulande weitverbreitet. Und birgt zum Teil gesundheitliche Risiken aufgrund von Überdosierungen. Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) fordert daher ein behördliches Zulassungsverfahren und gesetzliche Grenzwerte.
Hintergrund ist ein Test der Verbraucherschützer zu Magnesiumpräparaten (siehe Kasten). Der vzbv kritisiert fehlende gesetzliche Höchstmengen für Vitamine und Mineralstoffe sowie eine ausstehende Regelung für die auf der Packung angegebene Bezeichnung »sonstige Stoffe«. Darunter fallen etwa Aminosäuren, essentielle Fettsäuren und Pflanzen- oder Kräuterextrakte.
Keine Lebensmittel
Foto: Fotolia/Gina Sanders
»Nahrungsergänzungsmittel sind keine herkömmlichen Lebensmittel. Wir brauchen dringend klare Regeln für sinnvolle Dosierungen und definierte Anforderungen an die Inhaltsstoffe«, so der Vorstand des vzbv, Klaus Müller. Die Verbraucherschützer fordern daher eine behördliche Sicherheitsprüfung und staatliche Zulassungsverfahren für diese Produkte. Sie beklagen auch die unklare Abgrenzung von NEM zu Arzneimitteln. Viele muten in Aussehen und hinsichtlich ihrer gesundheitsbezogenen Werbeaussagen an wie apothekenpflichtige OTC-Präparate. Während jedoch Medikamente einer Zulassungsprüfung unterliegen, müssen NEM lediglich wie Lebensmittel angemeldet werden.
Der Bundesverband der Arzneimittelhersteller (BAH) kritisiert ebenfalls – insbesondere bei NEM mit pflanzlichen Inhaltsstoffen – die oft irreführenden und nicht behördlich geprüften Angaben zur gesundheitsfördernden Wirkung (Health Claims). Laut europäischer Gesetzgebung müssen solche Health Claims belegt und von der EU-Kommission genehmigt werden. »Seit 2010 ist die im europäischen Recht vorgesehene Prüfung bei Pflanzen aus nicht nachvollziehbaren Gründen ausgesetzt«, so der Hauptgeschäftsführer des BAH, Martin Weiser. Er fordert, die Verordnung konsequent umzusetzen.
Bislang ermöglichen die niedrigschwelligen Marktzugangsbedingungen den NEM-Herstellern ein Milliardengeschäft. Nach Angaben des Marktforschungsunternehmens IMS Health stieg die Nachfrage nach solchen Produkten im Jahr 2015 um knapp 12 Prozent auf 153 Millionen Packungen im Wert von mehr als 1 Milliarde Euro. Einer Forsa-Umfrage im Auftrag des vzbv zufolge nimmt jeder dritte Bundesbürger regelmäßig NEM ein. Dabei unterschätzten sie die Risiken.
Insgesamt haben die Tester 42 Magnesium-haltige Mono- und Kombipräparate geprüft:
Einnahme meist unnötig
Knapp die Hälfte der Verbraucher (47 Prozent) vertraut demnach fälschlicherweise darauf, dass die Wirksamkeit und Sicherheit der Produkte amtlich geprüft wurde. Auch gehen 51 Prozent der Verbraucher davon aus, dass NEM eine für die Gesundheit »sehr förderliche« bis »eher förderliche« Wirkung haben. Bei den NEM-Konsumenten sind sogar 83 Prozent davon überzeugt. Nach Aussagen des vzbv ist die Einnahme von Ergänzungsmitteln in der Regel unnötig, denn die meisten Verwender haben keinen Nährstoffmangel. /