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Arzneimittelfälschungen

Kein Schnäppchen, sondern Pfusch

22.01.2008  13:52 Uhr

Arzneimittelfälschungen

<typohead type="3">Kein Schnäppchen, sondern Pfusch

Von Brigitte M. Gensthaler, München

 

Gefälschte Arzneimittel sind nicht nur in Entwicklungsländern ein Problem. Vor allem über Internethandel und illegale Einfuhr kommen die Produkte auch nach Deutschland. Die meisten Verbraucher, die im Internet einkaufen, sind wenig problembewusst: Bestellt wird beim billigsten Anbieter.

 

Bis zu 30 Prozent der in Mexiko, Lateinamerika und Südostasien verkauften Arzneimittel sind nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation gefälscht. In Schwarzafrika soll sogar jedes zweite Medikament ein Plagiat sein. In Europa und den USA geht man von 5 bis 10 Prozent der Medikamente aus, während in Osteuropa und Russland jedes fünfte Arzneimittel betroffen ist. »Fälschungen gibt es auf jeder Ebene: von der Verpackung bis zur Tablette«, warnte Professor Dr. Ulrike Holzgrabe von der Universität Würzburg bei einer Pressekonferenz der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft in München.

 

Gefährlich wird es für den Patienten, wenn das Produkt einen falschen Arzneistoff, den deklarierten Arzneistoff in falscher Menge, Verunreinigungen oder toxische Bestandteile enthält. Nach einer Untersuchung des German Pharma Health Fund erhielt jedes zweite gefälschte Arzneimittel gar keinen Wirkstoff.

 

Gefälscht wird, was Geld bringt. Ganz oben in der Hitliste stehen Lifestyle-Medikamente, zum Beispiel gegen erektile Dysfunktion oder Haarausfall. Fast ein Drittel der Plagiate betrifft Antibiotika, knapp ein Fünftel Hormone, sagte die Apothekerin. Auch Malariamedikamente, Analgetika und Verhütungsmittel werden unerlaubt produziert. Ebenso ruft eine Verknappung die Kriminellen auf den Plan: 2006/07 tauchte gefälschtes Grippemittel Tamiflu in Deutschland und den Niederlanden auf.

 

Die Globalisierung erleichtert Fälschern das Handwerk. Heute werden die meisten Arzneimittel nicht mehr in Industrieländern produziert. »80 Prozent aller Wirkstoffe und etwa 40 Prozent aller Fertigarzneimittel, die in Deutschland und den USA konsumiert werden, werden in China und Indien produziert«, erläuterte Holzgrabe. Die Herstellung ist mehr oder weniger gut kontrolliert. Neben ausgezeichneten Betrieben auf internationalem Niveau gibt es auch die berüchtigten Garagen. Laut FDA werden in Indien und China jedes Jahr nur zehn Prozent der Produktionsstätten kontrolliert. Die illegalen unterliegen natürlich gar keiner Überwachung.

 

Manche Fälschung bleibt im Zoll hängen. Dieser kann Arzneimittel, bei deren Herstellung gegen Marken- oder Patentrechte verstoßen wurde, aus dem Verkehr ziehen. Allerdings nur, wenn der Rechte-Inhaber einen entsprechenden Antrag bei der Zollverwaltung gestellt hat, erklärte Gerda Koszinowski von der Bundesfinanzdirektion Südost. Anders als in der Textilbranche nutzten im Arzneimittelsektor nur wenige Hersteller diese Möglichkeit.

 

Die Zollfahnder richten ihr Augenmerk vor allem auf Postsendungen und Reisende, die Arzneimittel unerlaubt nach Deutschland bringen. So ging den Experten am Münchner Flughafen kürzlich jemand mit 4000 Viagra-Tabletten im Gepäck ins Netz. Die Arzneimittelbehörden FDA und BfArM warnen regelmäßig vor Arzneimittelfälschungen aus dem Internet, denn hier ist der kriminellen Energie nahezu Tür und Tor geöffnet. Gleichwohl haben die meisten Verbraucher kein Problembewusstsein, berichtete Dr. Katharina Larisch vom Gesundheitsportal Netdoktor. In Chat-rooms werde nach den billigsten Bezugsadressen gefragt. »Um Fragen der Sicherheit geht es nie«, sagte Larisch. Viele Verbraucher wüssten nicht, dass und warum beispielsweise Potenzmittel verschreibungspflichtig sind. Ebenso wenig interessieren sie sich für Kontraindikationen und Nebenwirkungen.

 

Der offizielle Weg der Arzneimittel in Deutschland vom Hersteller oder Großhändler zur Apotheke ist gut reguliert und überwacht, sagte Holzgrabe. Alle Beteiligten seien bemüht, Fälschungen zu erkennen. Doch auch hier gibt es keine absolute Sicherheit. Bei Medikamenten sei es wie beim Fleisch: Billigstangebote sind oft kein Schnäppchen, sondern minderwertiger Pfusch.

Interview: Die Risiken kennen

Die Apotheker in Deutschland stehen für die Arzneimittelsicherheit ein. Die PZ sprach mit Professor Dr. Ulrike Holzgrabe, Past-Präsidentin der DPhG.

 

PZ: Frau Professor Holzgrabe, können die Apotheker für die Echtheit der Präparate in ihrer Apotheke garantieren?

Holzgrabe: Das können sie nicht. Laut WHO sind in europäischen Apotheken etwa 10 Prozent der Arzneimittel gefälscht, meist die Umverpackung. Dennoch ist die Sicherheit in der öffentlichen Apotheke, auch aufgrund der starken Regulation des Arzneimittel-Distributionswegs wesentlich größer als im Internet. Und der Apotheker kennt seine Arzneimittel.

 

PZ: Wie erkennt der Apotheker Fälschungen?

Holzgrabe: Es gibt keine Patentrezept. Im Grunde geht es um die Aufmerksamkeit. Der Apotheker sollte sich die Packung genau anschauen, bei Auffälligkeiten öffnen und den Inhalt prüfen. Bei Verdacht kann er beim Hersteller nachfragen, ob dieser die Packung oder Blister verändert hat. Wird dies verneint, läuten die Alarmglocken.

 

PZ: Wem meldet er den Verdacht?

Holzgrabe: Ansprechpartner sind das Zentrallaboratorium Deutscher Apotheker in Eschborn, die Landesuntersuchungsämter und die Arzneimittelkommission der Apotheker.

 

PZ: Können Apotheker dazu beitragen, Schaden abzuwehren? Hilft mehr Aufklärung?

Holzgrabe: Die Bevölkerung muss sensibilisiert werden, dass das Internet kein sicheres Medium ist. Auch die Internetsite einer Apotheke kann gefälscht sein. Man kann den Interneteinkauf nicht verbieten, aber der Verbraucher soll wachsam und sich der Risiken bewusst sein.

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