Neue Targets, neue Antikörper |
16.01.2017 13:23 Uhr |
Von Gerd Bendas / Asthma ist nicht gleich Asthma. Ganz unterschiedliche Pathomechanismen führen zu den typischen Beschwerden. In diese inflammatorischen Prozesse greifen spezifische monoklonale Antikörper selektiv hemmend ein. Derzeit sind mehrere Präparate als Zusatzbehandlung für Patienten mit schweren Verlaufsformen zugelassen. Zahlreiche weitere Antikörper werden zeitnah folgen.
Asthma bronchiale ist eine chronisch entzündliche Erkrankung der Atemwege, die durch eine bronchiale Überempfindlichkeit (Hyperreagibilität) und eine damit verbundene variable Atemwegsobstruktion charakterisiert ist.
Abbildung 1: Entwurf der therapeutischen Leitlinie 2016 der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und der Deutschen Atemwegsliga zur Behandlung des Asthma bronchiale; modifiziert nach DGP-Kongress, Professor Dr. Roland Buhl
ICS: inhalatives Corticosteroid, LABA: lang wirksames inhalatives Beta-2-Mimetikum, LTRA: Leukotrien-Rezeptor-Antagonist, SABA: kurz wirksames inhalatives Beta-2-Mimetikum Grafik: Stephan Spitzer
Die typischen Symptome treten anfallsartig auf. Dazu zählen vor allem Atemnot (Dyspnoe), erschwerte Ausatmung (exspiratorischer Stridor), Hustenanfälle und Abhusten von zähflüssigem Bronchialschleim.
Die eigentliche Ursache (Ätiologie) der Erkrankung ist bisher unbekannt. Eine genetische Prädisposition sowie verschiedene externe, allergische oder auch nicht-allergische Stimuli als auslösende Faktoren sind bekannt und werden zur Klassifizierung der Krankheit herangezogen. Traditionell werden daher das intrinsische (nicht-allergische) sowie das allergische Asthma unterschieden. In der Realität existieren beide Ausprägungen nur selten als Reinform und treten eher als Mischformen auf.
Pathophysiologische Mechanismen
Der Krankheit liegen komplexe pathologische Mechanismen zugrunde. Grundsätzlich basiert Asthma auf einer bronchialen Entzündungsreaktion, die – ausgelöst durch unterschiedliche Stimuli – eine komplexe Entzündungskaskade mit Überaktivierung von Immunzellen oder Entzündungsmediatoren vorantreibt. Gleichzeitig besteht eine bronchiale Hyperreagibilität, die vor dem inflammatorischen Hintergrund einen Spasmus der Bronchialmuskulatur sowie eine Schwellung der Bronchialwände verursacht. Schleimhautödeme und verstärkte Schleimsekretion führen dann zu einer endobronchialen Obstruktion, die funktionell die Atemnot induziert. Das Zusammenspiel von Schleimhautödem, Bronchospasmus und Hypersekretion wird auch als Asthma-Trias bezeichnet.
Ohne Inhalativa geht in der Asthmatherapie gar nichts.
Foto: Fotolia/Jenny Sturm
Obwohl die funktionelle Symptomatik in wiederkehrenden Anfällen auftritt, kommen die entzündlichen Aktivitäten in den Bronchien auch in symptomfreien Intervallen nicht zur Ruhe. Dies führt langfristig zum Umbau (Remodelling) des Lungengewebes mit Verdickung der Bronchialwände durch verstärktes Wachstum von Muskelzellen und Bindegewebe sowie der Zunahme schleimbildender Drüsenzellen. Langfristig resultiert eine generell beeinträchtigte Lungenfunktion.
In Deutschland sind etwa 10 Prozent der Kinder und 5 Prozent der Erwachsenen mit unterschiedlichem Schweregrad an Asthma erkrankt. Etwa 5000 Menschen sterben jährlich an den Folgen.
Pharmakotherapie in fünf Stufen
Gegenwärtig arbeiten die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin sowie die Deutsche Atemwegsliga an einer Aktualisierung der Leitlinie aus dem Jahr 2006. Die noch nicht offiziell veröffentlichte Leitlinie (1) baut in ihrem therapeutischen Stufenschema auf die zunehmenden Schweregrade der Erkrankung, ausgehend von leichten (Stufe 1) bis zu sehr schweren Krankheitsformen (Stufe 5), auf (Abbildung 1).
Bluttests helfen dabei, den Phänotyp der Asthma-Erkrankung zu bestimmen.
Foto: Your Photo Today
Therapeutisches Ziel ist die Reduktion der Entzündungsaktivität sowie Normalisierung der pulmonalen Funktion durch symptomatische Relaxierung der Bronchokonstriktion. Dazu empfehlen die Experten eine Dauer- und eine Bedarfsmedikation. Eine zentrale Rolle übernimmt in der aktualisierten Leitlinie in allen Stufen die dosisangepasste Anwendung inhalativer Glucocorticoide als Dauermedikation, die ab Stufe 2 durch Leukotrien-Antagonisten (Montelukast) oder lang wirksame β2-Sympathomimetika (Formoterol) ergänzt wird. Leider sind etwa 20 Prozent der Patienten damit nicht ausreichend therapiert. Sie brauchen eine systemische Gabe von Glucocorticoiden für eine ausreichende Krankheitskontrolle. Die Ursache des therapeutischen Versagens liegt offensichtlich darin, dass die entscheidenden pathogenen Entzündungsmechanismen durch die unspezifisch antiinflammatorisch wirksamen Glucocorticoide und die symptomatisch funktionelle Behandlung nicht ausreichend gedämpft werden.
Mit zunehmendem Einblick in die pathologischen Entzündungsprozesse erscheinen therapeutische Antikörper als neue Option, um spezifisch die Entzündung zu hemmen. Ab Stufe 5 der Leitlinien sind therapeutische Antikörper als Add-on-(Zusatz)Therapie indiziert. Sie können helfen, eine systemische Anwendung von Glucocorticoiden zu vermeiden. Doch wo greifen monoklonale Antikörper an?
Abbildung 2: Das Schema der vielfältigen Entzündungsreaktionen im subepithelialen Bereich des bronchialen Gewebes bei Asthma zeigt die involvierten Entzündungsfaktoren und Zellen sowie die Abgrenzung und Gemeinsamkeiten von allergischen und nicht-allergischen Formen. Modifiziert nach (2)
Grafik: Stephan Spitzer
Phänotypen des Asthmas
Die Symptome des Asthmas sind zwar nahezu immer gleich, nicht aber der zugrundeliegende Entzündungsprozess. Dieser ist sogar stark heterogen. Die Entzündungsprogression im subepithelialen bronchialen Gewebe wird durch ein hoch komplexes Zusammenspiel von Entzündungszellen und Mediatoren in jeweils unterschiedlicher Dominanz vorangetrieben (Abbildung 2). Darauf beruhen die Abgrenzung, aber auch die Gemeinsamkeiten der beiden Ausprägungen der Erkrankung (allergisch und nicht-allergisch).
Die Kenntnis der molekularen Prozesse ermöglicht eine selektivere Kategorisierung (Phänotypen) der Asthmaerkrankung anhand der dominierenden Immunzellen (Eosinophile, TH2-Zellen, Neutrophile) oder des verstärkten Vorkommens spezieller inflammatorischer Substanzen (IgE, Interleukine wie IL-5, IL-4, IL-13). Zugleich ergeben sich neue Zielstrukturen für Arzneistoffe. Hier ist der Platz der Antikörper, die durch Hemmung spezifischer Zytokine oder Immunglobuline selektiv in diese Prozesse eingreifen.
So kann bei allergischen Asthmaformen mit hohen IgE-Plasmaspiegeln das aus B-Lymphozyten freigesetzte Immunglobulin IgE als Mediator direkt blockiert werden, um die Bindung an Mastzellen oder Basophile und damit deren Mediatorfreisetzung zu verhindern (Abbildung 2, ganz links). Dominiert dagegen die TH2-Zell-Aktivität, kann man durch Hemmung von IL-4 und IL-13 bereits die Aktivierung der B-Zellen unterdrücken.
Etwa die Hälfte der Erkrankten weist eine deutlich erhöhte Zahl von Eosinophilen auf, die durch allergische Stimuli über TH2-Zellen oder durch nicht-allergische Auslöser durch lymphoide Zellen des angeborenen Immunsystems (2) forciert werden (Abbildung 2, Mitte). Eosinophile sind für den Entzündungsfortgang im Lungengewebe von entscheidender Bedeutung und werden durch IL-5 in ihrer Aktivität gesteuert, sodass IL-5 als herausragendes Target zur Blockade eosinophiler Asthmaformen erscheint.
Allergisches Asthma mit hohen IgE-Spiegeln
Exazerbationen (Akutverschlimmerungen) zählen zu den gefürchteten Komplikationen bei Asthma bronchiale.
Foto: Shutterstock/IlyaAndriyanov
Mit Omalizumab (Xolair®) wurde bereits 2005 ein Antikörper zur Zusatzbehandlung von Patienten (über sechs Jahre) mit schwerem, persistierenden IgE-vermittelten Asthma zugelassen, wenn diese nicht ausreichend auf tägliche Glucocorticoid-Inhalation ansprechen. Omalizumab ist ein humanisierter Antikörper mit Bindungsspezifität für den Fc-Teil des humanen IgE. Er blockiert somit die Bindung der aus Plasmazellen freigesetzten IgE-Moleküle an ihre Rezeptoren auf Mastzellen und Basophilen und damit die Mediatorausschüttung, zum Beispiel von Histamin oder Leukotrienen, nach Allergenkontakt. Zusätzlich reduziert der Antikörper auch die Aktivität und Expression der IgE-Rezeptoren auf diesen Zellen.
Voraussetzung für die Anwendung von Omalizumab ist der Nachweis eines ganzjährig auftretenden Aeroallergens, zum Beispiel Tierhaare, durch einen In-vitro-Test oder einen Hauttest. Omalizumab wird subkutan in einer den IgE-Spiegeln angepassten Dosierung im 14-tägigen oder monatlichen Intervall gespritzt. Die maximale Dosierung beträgt 600 mg alle zwei Wochen. Der Antikörper reduziert schwere Krankheitszwischenfälle (Exazerbationen) um etwa 40 bis 50 Prozent. Die Therapie wird prinzipiell gut vertragen; mögliche Nebenwirkungen sind lokale Reaktionen an der Einstichstelle sowie Kopfschmerzen.
Ein weiterer IgE-Antikörper (Ligelizumab/QGE-031; Novartis) befindet sich in der klinischen Entwicklung (Tabelle). Die 2016 erfolgreich abgeschlossene Phase-II-Studie zeigte eine überlegene Wirkung gegenüber Omalizumab, was offensichtlich auf die höhere Bindungsaffinität von Ligelizumab an IgE zurückgeht (3).
Ein anderer Ansatz zur Hemmung von IgE bei allergischem Asthma wurde mit Quilizumab verfolgt. Dies ist ein humanisierter IgG1-Antikörper, der ein Segment des Membran-exprimierten IgE erkennt und damit die Immunabwehr auf B-Zellen und B-Memory-Zellen lenkt. In einer Phase-II-Studie 2015 wurden die IgE-Level zwar um 30 bis 40 Prozent reduziert, aber die Lungenfunktion besserte sich nicht. Daher wurde die klinische Entwicklung abgebrochen (4).
Auch die Blockade des IgE-Rezeptors (CD23) auf Mastzellen durch den Antikörper Lumiliximab wurde klinisch verfolgt und als nicht aussichtsreich eingestellt.
Antikörper (Handelsname) | Target | Zulassung, Indikation | Entwicklungsstufe |
---|---|---|---|
Omalizumab (Xolair®) | IgE | 12/2005, allergisches Asthma | |
Ligelizumab | IgE | Phase III, erfolgreiche Phase-II-Studie 2016 | |
Dupilumab (Dupixent®) | IL-4- und IL-13-Rezeptoren | Phase III, erfolgreiche Phase-IIb-Studie 2016 | |
Lebrikizumab | IL-13 | Phase III 2016 abgeschlossen, Entwicklung offen | |
Tralokinumab | IL-13 | Phase III, Phase IIb moderat erfolgreich | |
Mepolizumab (Nucala®) | IL-5 | 12/2015, eosinophiles Asthma | |
Reslizumab (Cinqaero®) | IL-5 | 08/2016, eosinophiles Asthma | |
Benralizumab | IL-5-Rezeptor | Phase III 2016 erfolgreich abgeschlossen |
Allergisches Asthma mit hoher TH2-Zell-Aktivität
Ein gestörtes Differenzierungsgleichgewicht der T-Helferzellen von Typ 1 zugunsten von Typ 2 fördert allergische Abwehrreaktionen. Wie Abbildung 2 zeigt, verstärken die von TH2-Zellen gebildeten Zytokine, insbesondere IL-4 und IL-13, die Aktivierung von B-Zellen und damit die IgE-Bildung. Durch Blockade von IL-4 und IL-13 kann die Asthma-Kaskade also an einer früheren Stufe als am IgE gehemmt werden. Für diese Zielstrukturen sind noch keine Antikörper auf dem Arzneimittelmarkt verfügbar, aber klinische Kandidaten sind in der Entwicklung weit vorangeschritten.
Dupilumab (Dupixent®) ist ein humaner Antikörper gegen die identische α-Untereinheit der IL-4- sowie IL-13-Rezeptoren. Dupilumab blockiert so beide Zytokine in der Aktivierung von B-Zellen. In einer aktuellen Phase-IIb-Studie wurde der Antikörper bei mehr als 750 Patienten mit unkontrolliertem persistierenden Asthma über einen Zeitraum von 24 Wochen als Add-on-Therapie in einer Dosierung von 200 oder 300 mg 14-tägig angewendet (5). Dupilumab erzielte eine signifikante Reduktion der Krankheitssymptome und der jährlichen Exazerbationsrate um etwa 70 Prozent. Diese Effekte waren unabhängig von der Höhe der Eosinophilenzahl. Die Patienten vertrugen den Antikörper sehr gut; als unerwünschte Arzneimittelwirkungen traten Infekte der oberen Atemwege sowie lokale Reaktionen an der Applikationsstelle auf. Dupilumab wird ebenfalls klinisch bei atopischer Dermatitis getestet.
Eine direkte Blockade von IL-13 durch den humanisierten IL-13-Antikörper Lebrikizumab wurde bei schweren Verlaufsformen der Asthmaerkrankung durch Roche/Genentech in zwei 2016 abgeschlossenen, parallelen Phase-III-Studien (LAVOLTA I und II) untersucht. Da IL-13 nicht nur B-Zellen aktiviert, sondern auch stimulierend auf Eosinophile wirkt, wurden zwei Biomarker gewählt: die Zahl der Eosinophilen in Serum der Patienten sowie das Protein Periostin, das durch IL-13 aktiviert wird und für das Gewebe-Remodelling verantwortlich ist.
In beiden Studien mit 52-wöchiger Laufzeit und jeweils mehr als 1000 Patienten wurde Lebrikizumab subkutan mit 37,5 mg oder 125 mg als Add-on-Therapie dosiert. Nur eine Studie erreichte das Ziel einer signifikanten Reduktion des Exazerbationen (51 beziehungsweise 30 Prozent), während bei der zweiten die Reduktion mit 26 Prozent nicht signifikant war (6). Die weitere Entwicklung des Antikörpers, der auch für andere Indikationen wie COPD oder Neurodermitis getestet wird, für die Asthmatherapie ist gegenwärtig nicht vorhersehbar.
Mit Tralokinumab (CAT 345; Astra Zeneca) befindet sich ferner ein humaner IL-13-Antikörper in der klinischen Entwicklungsphase III. Jedoch zeigte der Antikörper in der Phase-IIb-Studie mit 452 Patienten bei zwei- oder vierwöchiger Applikation keine signifikante Reduktion der Exazerbationen der Erkrankung gegenüber Placebo (7). Auch Dectrekumab (QAX 576 Novartis) ist ein humaner IgG1-Antikörper gegen IL-13, der sich in verschiedenen Phase-II-Studien, so auch für die Asthmatherapie, befindet.
Intrinsisches eosinophiles Asthma
Die meisten Antikörper in der Asthmatherapie werden subkutan gegeben. Reslizumab macht eine Ausnahme: Es wird intravenös gespritzt.
Foto: Fotolia/ Tyler Olson
Bei etwa der Hälfte aller Asthma-Erkrankten ist eine erhöhte Eosinophilen-Zahl im Blut detektierbar. Patienten dieses Phänotyps erkranken vergleichsweise spät (älter als 35 Jahre) und zeigen eine ausgeprägtes Auf und Ab der Symptomatik (»Achterbahn«), meist verbunden mit einer starken Sinusitis, Nasenpolypen sowie dem Verlust von Geschmacks- und Geruchssinn. Die eosinophilen Granulozyten sind für den dauerhaften Entzündungsfortgang im Lungengewebe maßgeblich verantwortlich. Dabei ist das Zytokin IL-5 für Aktivierung, Differenzierung, Wachstum und Überleben der Eosinophilen essenziell und eignet sich daher hervorragend als Target für die Therapie.
Mepolizumab (Nucala®) ist ein humanisierter IgG1-Antikörper gegen IL-5, der zur Zusatztherapie einer schweren refraktären Verlaufsform des eosinophilen Asthmas Erwachsener seit Dezember 2015 zugelassen ist, wenn diese nicht ausreichend mit inhalativen Glucocorticoiden therapierbar sind. Mepolizumab wird als Dauertherapie angewendet und monatlich von medizinischem Fachpersonal subkutan in einer Dosierung von 100 mg in Oberarm, Oberschenkel oder die Bauchdecke gespritzt. Bereits nach vier Wochen ist eine reduzierte Eosinophilenzahl detektierbar. Nach 32 Wochen war die Zahl um etwa 80 Prozent gesunken.
In den Zulassungsstudien reduzierte Mepolizumab signifikant die Asthma-Exazerbationen. Als unerwünschte Arzneimittelwirkungen werden Kopfschmerzen, lokale Reaktionen, Rückenschmerzen und Überempfindlichkeitsreaktionen (Urtikaria, Hautausschlag oder Hypotonie) genannt. Bei circa 6 Prozent der Patienten bildeten sich Antikörper gegen Mepolizumab. Trotz überzeugender pharmakologischer Aktivität bescheinigte das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) dem Mepolizumab keinen Zusatznutzen. Grund der negativen Stellungnahme waren Kritiken an den eingereichten Studien.
Reslizumab (Cinqaero®), ein humanisierter IgG4-Antikörper gegen IL-5, ist seit August 2016 in Europa gleichfalls zur Therapie der refraktären eosinophilen Asthmaform bei Versagen der Standardtherapie zugelassen. Reslizumab wird intravenös in einer Dosierung von 3 mg/kg Körpergewicht appliziert. Dafür muss das konzentrierte Wirkstoffpräparat (10 mg/ml) mit NaCl-Lösung in eine infundierbare Lösung gebracht werden. Als unerwünschte Wirkungen sind eine Erhöhung der Blut-Kreatinphosphokinase bei 2 Prozent der Patienten, die aber nicht zum Therapieabbruch führte, sowie Myalgien und anaphylaktische Reaktionen beschrieben.
Sowohl Reslizumab als auch Mepolizumab sind bisher nicht für Kinder und Jugendliche zugelassen. Eine Schwangerschaft gilt als Kontraindikation.
Auch Benralizumab schränkt die IL-5-Wirkung ein, allerdings durch Bindung an den IL-5-Rezeptor (CD125). Dadurch wird die IL-5-Bindung am Rezeptor der Eosinophilen blockiert sowie weiterhin die Immunabwehr auf die markierten Eosinophilen gerichtet und deren Zahl reduziert. Benralizumab wird von Astra Zeneca entwickelt und hat bisher noch keine Zulassung erhalten. Zwei Phase-III-Studien (CALIMA: 1306 Patienten älter als zwölf Jahre; SIROCCO: 1209 Patienten) untersuchten die Gabe von Benralizumab 30 mg alle vier oder alle acht Wochen als Add-on-Therapie über 56 Wochen. Je nach Dosierungsschema zeigte sich eine signifikante Reduktion der Exazerbationsraten der Patienten um 28 bis 51 Prozent. Unerwünschte Effekte waren Nasopharyngitis und die Verschlimmerung der Asthmasymptome (8, 9).
Bei der Anwendung von IL-5-Antikörpern ist zu beachten: Da Eosinophile an der immunologischen Abwehrreaktion gegen Wurminfektionen beteiligt sind, sollten bestehende Wurminfektionen behandelt werden, bevor ein IL-5-Antikörper eingesetzt wird. Kommt es während einer IL-5-Antikörper-Therapie zu einer Wurminfektion, kann der Arzt abwägen, ob er den Antikörper während der anthelminthischen Behandlung absetzt.
Wie alle rekombinanten Proteinarzneistoffe stellen auch die Antikörper in der Asthmatherapie besondere Anforderungen an Umgang und Lagerung der Präparate sowie an die Beratung der Patienten. Grundsätzlich müssen alle Präparate bei einer Temperatur von 2 bis 8 °C gelagert werden, um eine Denaturierung der Proteine bei höheren Temperaturen auszuschließen. Eine Lagerung in der Originalverpackung unter Ausschluss von UV-Licht soll gleichfalls einer chemischen Destabilisierung der fragilen Proteinstrukturen vorbeugen.
Bei der Rehydratisierung von lyophilisierten Produkten muss auf die richtige Wahl des Rekonstitutionsmittels geachtet werden. Darin wird das Lyophilisat unter Vermeidung einer Schaumbildung (Protein-Entfaltung an der Wasser-Luft-Grenzfläche) vorsichtig gelöst. Dazu die Patrone leicht schwenken, aber nicht schütteln.
Bei der Abgabe der Produkte muss der Apotheker besonders auf die Kühlkette achten und dem Patienten die Lagerung im Kühlschrank erklären. Aufgrund der Proteinnatur der Produkte und der daraus resultierenden Abbau- und Ausscheidungscharakteristik sind keine pharmakokinetischen oder -dynamischen Wechselwirkungen mit anderen Arzneistoffen zu beachten.
TNF-α: kein geeignetes Target bei Asthma
Angesichts der herausragenden Relevanz der TNF-α-Hemmstoffe in der Therapie pathologischer Entzündungen wie Rheumatoide Arthritis oder Psoriasis ist es erstaunlich, dass Infliximab, Etanercept und Co. offensichtlich in der Asthmatherapie keine Rolle spielen. Diese Wirkstoffe wurden in den 2000er-Jahren bei vielfältigen Entzündungserkrankungen, unter anderem bei schweren Verlaufsformen des Asthmas, klinisch untersucht. Dies erschien Erfolg versprechend, da erhöhte TNF-α-Level in der Bronchoalveolar-Flüssigkeit von Asthmapatienten, insbesondere bei schweren Formen, messbar sind.
Obwohl erste Pilotexperimente auf eine antientzündliche Wirkung, zum Beispiel von Infliximab, bei Asthma hinwiesen, wurden diese Angaben später revidiert. Größere Studien zu anderen TNF-α-Blockern wurden letztlich ohne Erfolg abgeschlossen (10, 11). Daher zeichnet sich gegenwärtig keine klinische Entwicklung ab, die bekannten Anti-TNF-α-Wirkstoffe in die Asthmatherapie zu inserieren.
Wertvolle Option
Für Patienten mit schweren und persistierenden Formen des Asthma bronchiale, die nicht ausreichend auf inhalative Glucocorticoide ansprechen, stellen die Antikörperpräparate eine wertvolle therapeutische Zusatzoption zur Vermeidung einer peroralen Corticoid-Einnahme dar. Die rekombinanten Antikörper greifen gezielt hemmend in die heterogenen Pathomechanismen der Asthmaerkrankung ein und stellen so erste Schritte einer Individualisierung der Asthmatherapie dar. Neue Wirkstoffe werden absehbar das therapeutische Spektrum bereichern, und die Bedeutung rekombinanter Antikörper wird weiter zunehmen. Ob sich dies in einer höheren Priorisierung in den Leitlinien als der gegenwärtigen Add-on-Therapie manifestiert, bleibt mit Spannung zu erwarten. /
Literatur
Gerd Bendas studierte Pharmazie an der Universität Halle, schloss mit dem Diplom ab und wurde 1994 promoviert. Im Jahr 2000 erfolgte die Habilitation für das Fachgebiet Pharmazeutische Chemie. Seit 2003 hat er die Professur für Pharmazeutische Chemie an der Universität Bonn inne. Seine Forschungstätigkeit liegt schwerpunktmäßig auf der Untersuchung der molekularen Mechanismen der Metastasierung und der Chemoresistenz von Tumoren sowie therapeutischen Strategien zu deren Inhibition. Aktuell wird die Möglichkeit zur Hemmung von Chemokinen als Ansatzpunkt für eine Einflussnahme auf Entzündungs- sowie Metastasierungsprozesse untersucht.
Professor Dr. Gerd Bendas
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität
Pharmazeutisches Institut, Pharmazeutische Chemie II
An der Immenburg 4
53121 Bonn
E-Mail: gbendas@uni-bonn.de