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Ebola

Nach Europa in der Thermoskanne

14.01.2015  10:18 Uhr

Von Ulrike Abel-Wanek / Ebola-Viren wurden von Wissenschaftlern erstmals 1976 entdeckt – in einem kleinen Krankenhaus in Yambuku im damaligen Zaire, dem heutigen Kongo. Neun Jahre zuvor war bereits ein ähnliches, bis dahin unbekanntes Virus aus Afrika nach Marburg eingeschleppt worden.

Im Sommer 1967 erreichte der Schrecken aus dem Urwald die hessische Universitätsstadt an der Lahn. Der erste Patient, der sich mit dem sogenannten Marburg-Virus infizierte, wurde am 8. August in die Medizinische Universitätsklinik eingewiesen. Weitere Patienten folgten. Alle hatten hohes Fieber, Kopf- und Muskelschmerzen, blutigen Durchfall und Hautausschläge – und alle waren Mitarbeiter der Behringwerke. Die betroffenen Laborangestellten und Tierpfleger hatten zuvor engen Kontakt mit Grünen Meerkatzen, die das Unternehmen regelmäßig aus Zentralafrika bezog. Sie fütterten die Tiere, reinigten ihre Käfige oder waren im Labor mit der Entnahme von Affennieren beschäftigt, die zur Herstellung von Impfstoffen benötigt wurden.

Von den fünf- bis sechshundert Affen einer Lieferung aus Entebbe in Uganda trugen vermutlich nur einige Tiere das Virus in sich, das Wissenschaftler und Ärzte zunächst vor ein Rätsel stellte. »Der Marburg-Erreger war unsichtbar von Uganda nach Deutschland gelangt, und als er dort ankam, übersprang er die Artgrenzen und fand sich plötzlich bei Menschen wieder«, schreibt Richard Preston in der aktualisierten Neuausgabe seines Buches »Hot Zone«. Die mysteriösen Marburger Krankheitssymptome – Hausärzte vermuteten irrtümlich zunächst eine »Sommergrippe« – traten auch am Paul Ehrlich-Institut in Frankfurt und am Institut Torlak in Belgrad bei Mitarbeitern auf, die mit Affen der gleichen Lieferung zu tun hatten. Von den insgesamt dreißig infizierten Menschen in Marburg starben sieben. Die Sterblichkeitsquote betrug eins zu vier, und damit war das Marburg-Virus ein sogenannter tödlicher Erreger.

 

Im Oktober 1967 gelang es den fieberhaft forschenden Wissenschaftlern, den Erreger zu isolieren. Das fadenförmige Marburg-Virus gehört zur Familie der Filoviren. Es war das erste dieser Gruppe, das man entdeckte. Die meisten Viren sind kugelförmige Teilchen, die Fadenviren aber glichen verworrenen Seilen und wurden mit Haaren, Würmern oder Schleifen verglichen. Sie schädigen praktisch alle Gewebe des Menschen, insbesondere die inneren Organe, aber auch das Bindegewebe und die Haut. Im Ejakulat männlicher Überlebender waren die Viren noch mehrere Monate nach der Genesung nachweisbar und ansteckend.

 

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schickte Wissenschaftler nach Uganda, um herauszufinden, wo das Marburg-Virus seinen natürlichen Lebensraum hat. Klar war: Die Grünen Meerkatzen hatten das Virus zwar nach Deutschland gebracht, aber diese Affen konnten den Erreger normalerweise nicht in sich tragen, denn sie starben selber so schnell daran, dass sie als Wirt nicht ausreichend geeignet waren, um das Weiterleben der Viren zu garantieren. Es musste also noch andere Wirtsorganismen geben.

Zweifelsfrei konnte das natürliche Reservoir der Ebola-Viren bis heute nicht gefunden werden. Im Visier der Wissenschaft stehen verschiedene Fledermaus- und Flughund-Arten, insbesondere diejenigen, die in Höhlen leben. Auch Affen, die von den Fledertieren angefressenes Fallobst fressen, könnten sich mit dem Virus infizieren. Eine Übertragung auf den Menschen ist laut WHO durch Körperkontakt mit infizierten Tieren möglich. Einige Tiere, die als Reservoire-Wirte in Betracht kommen, stehen in manchen Gegenden Afrikas als sogenanntes Buschfleisch auch auf dem Speisezettel.

 

Fünf Injektionsnadeln für die Krankenstation

 

Das Ebola-Virus trägt seinen Namen nach dem Ebola, einem kleinen Seitenflusses des Mongala, der über den Kongo in den Südatlantik fließt. Der erste bekannte Ausbruch des besonders gefährlichen, extrem ansteckenden Ebola-Zaire-Virus fand im September 1976 statt. In 55 Dörfern am Oberlauf dieses Flusses erkrankten 318 Menschen. Typisches Symptom ist ein hämorrhagisches Fieber, gekennzeichnet durch hohes Fieber in Verbindung mit Blutungen. 280 Betroffene überlebten die Krankheit nicht. Nahezu zeitgleich traten die Viren im Sudan auf.

 

Auf der Suche nach den Ursachen reiste der damals 27-jährige belgische Mikrobiologe Peter Piot gemeinsam mit einem internationalen Team in die betroffene Region im Norden von Zaire, der heutigen Demokratischen Republik Kongo. Das Ziel der Forscher war eine katholische Missionseinrichtung im Dorf Yambuku. Einige Wochen zuvor war von dort eine lebensgefährliche Fracht in einer gewöhnlichen blauen Thermoskanne im Labor des Instituts für Tropenmedizin in Antwerpen angekommen, wo Piot arbeitete. In der Kanne steckten, nur notdürftig mit etwas Wasser gekühlt, Reagenzgläser mit Blutproben einer verstorbenen Nonne, die in der afrikanischen Mission gearbeitet hatte. Unter dem Mikroskop entdeckte der belgische Nachwuchswissenschaftler, heute Leiter der Londoner Schule für Hygiene und Tropenmedizin, ihm unbekannte fadenförmige Partikel, die dem einige Jahre zuvor entdeckten Marburg-Virus auffällig ähnelten. Nachfragen ergaben aber, dass es sich nicht um das Marburg-Virus handelte, sondern um einen bisher noch nicht gesehen Erreger, den man nun vor Ort näher untersuchen wollte.

 

Fast alle Nonnen und Krankenschwestern sowie die meisten Patienten der Missionseinrichtung im afrikanischen Urwald waren an dem mysteriösen Fieber erkrankt. Dem Infektionsherd kamen die Wissenschaftler bald nach ihrer Ankunft im afrikanischen Dschungel auf die Spur. Auf der Krankenstation gab es nur fünf Injektionsnadeln, die die Schwestern mehrfach benutzt hatten, ohne sie zu sterilisieren oder zu desinfizieren. Viele Menschen, die hier Heilung von einer Krankheit gesucht hatten wurden so mit dem Virus infiziert, und schließlich steckten sich die Schwestern beim Umgang mit den Erkrankten und Verstorbenen selber an. Das Missionshospital wurde geschlossen, und durch die Aufklärung der Menschen in den betroffenen Dörfern gelang es Ärzten und Wissenschaftlern, eine weitere Ausbreitung des Virus zu stoppen. Seitdem ist das Ebola-Virus wiederholt in verschiedenen ländlichen Regionen, speziell im tropischen Teil Afrikas, aufgetaucht. Immer kosteten die Ausbrüche einige Menschenleben, teilweise sogar einige Hundert. Immer konnte das Virus jedoch auch wieder eingedämmt werden. In West-Afrika, das mit offiziell knapp 30 000 Erkrankten und 8259 Toten (WHO, Stand 6. Januar 2015) zurzeit die weltweit größte Ebola-Epidemie erlebt, warten darauf immer noch Tausende von Menschen. Die anfängliche Alarmstimmung hat sich zwar abgeschwächt, die Seuche ist aber noch nicht vorbei. /

»Eine fesselnde und alarmierende Lektüre«, schrieb die New York Times über das Buch »Hot Zone« von Richard Preston. Neu ist das Buch nicht, aber hoch aktuell und deshalb als aktualisierte Neuauflage erschienen.

 

»Hot Zone« ist ein romanhaft erzähltes Sachbuch. Prestons Geschichten um die tödlichen Viren sind spannend und journalistisch aufwendig recherchiert. Die Dinge, die in dem Buch beschrieben werden, ereigneten sich zwischen 1967 und 1993. Seine Geschichten sind wahr, die Charaktere real. Schockierend sind die detaillierten Schilderungen über den Zerfallsprozess eines infizierten Körpers. Die mit riesigem Aufwand betriebene Suche nach der Herkunft des Virus sowie seiner Eindämmung wird realistisch beschrieben. Das Cover ist etwas reißerisch, das Buch aber lesenswert. /

 

Richard Preston: Hot Zone. Taschenbuch, 368 Seiten. Droemer Knaur 2014. ISBN: 978-3-426-78769-4. 9,99 Euro.

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