Kleine Hersteller ohne faire Chance |
19.01.2010 15:30 Uhr |
Von Uta Grossmann, Berlin / Pro Generika hilft den Erdbebenopfern in Haiti mit Medikamentenspenden. Gleichzeitig geht in Berlin die politische Arbeit des Interessenverbandes weiter. Ganz oben auf der Agenda steht auch im neuen Jahr der Kampf gegen die Rabattverträge.
Der Minister rief persönlich an. Und fand offene Ohren bei Peter Schmidt und Thomas Porstner. Der Geschäftsführer und der Justitiar von Pro Generika sagten dem FDP-Gesundheitsminister Dr. Philipp Rösler zu, dass die 17 Mitglieder des Interessenverbandes den Erdbebenopfern in Haiti schnell mit Spenden helfen werden. Die notleidenden Menschen brauchen dringend Medikamente wie Antibiotika und Schmerzmittel, aber auch Verbandsmaterial und Infusionsbestecke.
Peter Schmidt rät Apothekern, vor dem Austausch biologischer Arzneimittel zur Sicherheit immer noch einmal mit dem verordnenden Arzt zu sprechen.
Foto: PZ/Zillmer
Schmidt und Porstner sind froh, über die Mitgliedsunternehmen unbürokratisch Hilfe leisten zu können. Normalerweise wird der Alltag der Interessenvertreter von anderen Themen geprägt: Sie versuchen, als Lobby der Generikaindustrie auf die Probleme der Branche aufmerksam zu machen und auf politischer Ebene Einfluss zu nehmen.
Ganz oben auf der Agenda stehen die ungeliebten Rabattverträge, auf die Peter Schmidt lieber heute als morgen verzichten würde. Im Koalitionsvertrag sprechen Union und FDP von »Überprüfungsbedarf«, doch Schmidt bekommt derzeit aus Koalitionskreisen »widersprüchliche Aussagen« und glaubt nicht, dass das vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am 9. Mai besser wird. Die Politik hat mit den Rabattverträgen ein Wettbewerbsinstrument in den Arzneimittelmarkt eingeführt, das zwar den Krankenkassen viel Geld spart, den Apothekern aber jede Menge Zusatzarbeit und Kosten und der Generikaindustrie saftige Umsatzeinbrüche beschert. Von den negativen Folgen für verunsicherte Patienten zu schweigen, die nicht verstehen, warum sie in der Apotheke statt des gewohnten plötzlich ein anderes Medikament bekommen. Manche vertragen es schlechter, andere nehmen es gleich gar nicht ein. Vor allem mittelständische Generikaunternehmen leiden unter den Rabattverträgen. Pro-Generika-Geschäftsführer Schmidt spricht von einer »Oligopolisierung« des Marktes, was langfristig sogar höhere Preise nach sich ziehen würde.
»Die Rabattverträge haben Konzentrationsprozesse im Markt deutlich beschleunigt, kleine Unternehmen haben keine faire Chance«, sagte Schmidt im Gespräch mit der Pharmazeutischen Zeitung. Er sprach von Rabatten bis zu 90 Prozent, die einzelne Hersteller den Kassen einräumten. Für die dritte Rabattvertragsrunde der Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) hat sein Verband einen durchschnittlichen Rabatt von über 50 Prozent ausgerechnet. Die an den Verträgen beteiligten Hersteller und Kassen schweigen über die Höhe der erzielten Rabatte.
Anders als von Befürworten der Rabattverträge behauptet, profitiere der Mittelstand auch nicht von Rabattverträgen mit mehreren Herstellern, wie sie die Deutsche Angestellten-Krankenkasse (DAK) und Betriebskrankenkassen (BKK) abgeschlossen haben. Schmidt glaubt, dass Apotheker sich aus Gründen einer effizienten Lagerhaltung eher mit den Generika großer Firmen wie Hexal, Stada und Ratiopharm bevorrateten, so dass die kleinen, weniger bekannten Firmen nicht zum Zuge kämen, auch wenn sie unter den Rabattvertragspartnern seien. Auch seien für die Hersteller die Mengen der zu produzierenden Generika bei Rabattverträgen vom Typ AOK mit nur einem Ausschreibungsgewinner besser kalkulierbar.
Der Deutsche Apothekerverband (DAV) hingegen befürwortet Rabattverträge mit mehreren Zuschlägen pro Wirkstoff und Gebietslos, weil die Apotheker so unter den Präparaten verschiedener Hersteller dasjenige auswählen können, das unter pharmazeutischen Gesichtspunkten für den Patienten am besten geeignet ist.
Nur Bioidenticals sind austauschbar
Mit der Neuregelung zum Austausch biologischer Arzneimittel können die Generikahersteller nach Auskunft des Pro-Generika-Geschäftsführers Schmidt leben. Vor Weihnachten einigten sich der DAV und der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) auf eine Änderung des Rahmenvertrags über die Arzneimittelversorgung nach Paragraf 129 Absatz 2 des Sozialgesetzbuchs V. Demnach dürfen nur Bioidenticals, nicht aber Biosimilars nach der Aut-idem-Regelung ausgetauscht werden.
In einer noch nicht ausgearbeiteten Anlage sollen die austauschbaren Bioidenticals aufgelistet werden. Trotzdem rät Schmidt den Apothekern, vor einem Austausch biologischer Arzneimittel »zur Sicherheit« immer mit dem verordnenden Arzt zu sprechen.
Während Biosimilars dem Originalpräparat nur ähnlich sind, sind die Abweichungen bei Bioidenticals wegen des unter identischen Bedingungen ablaufenden Herstellungsprozesses gering. In Deutschland sind 13 Nachahmerprodukte biologischer Arzneimittel zugelassen, ihre Jahresumsatz beträgt 270 Millionen Euro. Welche der biologischen Generika als Bioidenticals gelten dürfen, wird in der erwähnten Anlage des Rahmenvertrags stehen. /