Analgetika sollen rezeptpflichtig werden |
19.01.2010 15:09 Uhr |
Von Kerstin A. Gräfe und Daniel Rücker / Gängige apothekenpflichtige Analgetika könnten zukünftig rezeptfrei nur noch als Kleinpackungen erhältlich sein. Der Sachverständigenausschuss für Verschreibungspflicht hatte sich vergangene Woche in seiner Sitzung dafür ausgesprochen, die Packungsgrößen zu begrenzen. Die endgültige Entscheidung trifft der Bundesrat voraussichtlich im Juni.
Nach der Beschränkung der Packungsgröße von Paracetamol-Präparaten auf 10 g im vergangenen Jahr wurde die Forderung laut, auch die rezeptfrei erhältlichen Packungsgrößen anderer Analgetika zu begrenzen. In seiner Sitzung von 12. Januar folgte der Sachverständigenausschuss für Verschreibungspflicht nun diesem Anliegen.
Er beschloss, dem Gesetzgeber eine Packungsgrößenbegrenzung der folgenden rezeptfrei erhältlichen Schmerzmittel vorzuschlagen: Acetylsalicylsäure (ASS) soll ohne Rezept nur in einer Packungsgröße bis zu maximal 10 g erhältlich sein (zum Beispiel 20 x 500 mg). Für die Abgabe der 50er- und 100er-Packung müsste dementsprechend eine ärztliche Verordnung vorliegen. Bei Ibuprofen soll die Packungsgröße auf 8 g beschränkt werden (zum Beispiel 20 x 400 mg). Insofern wären die 50er-Packungen der 200-mg- und 400-mg-Dosierungen in Zukunft rezeptpflichtig. Schmerzmittel mit Diclofenacw dürfen laut Empfehlung bis zu maximal 500 mg Wirkstoff enthalten (zum Beispiel 20 x 25 mg). Apothekenpflichtige Phenazon- und Propyphenazon-haltige Packungen sollen wie ASS-Präparate auf bis zu maximal 10 mg Wirkstoff begrenzt werden.
Das Bundesministerium für Gesundheit kann nun den Empfehlungen des Sachverständigenausschusses für Verschreibungspflicht folgen und sie mithilfe einer Änderungsverordnung der Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV) umsetzen. Diese bedarf jedoch der Zustimmung des Bundesrates. Bei einem positiven Votum wird die Neuregelung voraussichtlich zum 1. Juli in Kraft treten, gegebenenfalls mit Übergangsregelungen.
Aspirin könnte in seiner über 100-jährigen Geschichte erstmals verschreibungs- pflichtig werden.
Fotos: Bayer
Während bei der Paracetamol-Diskussion die mögliche Verwendung der Substanz für einen Suizid im Vordergrund stand, ging es diesmal um die Festlegung therapiegerechter Packungsgrößen. Hauptziel sei es, einem zu unkritischen und häufigen Gebrauch dieser Schmerzmittel vorzubeugen, sagte BfArM-Abteilungsleiter Ulrich Hagemann gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Damit solle eine Hürde aufgebaut werden, dass Menschen bedenkenlos und ohne ärztliche Abklärung solche Schmerzmittel auch über längere Zeiträume schluckten, sagte Hagemann. Eine neue Risikobewertung dieser Mittel gebe es jedoch nicht.
Erika Fink, Apothekenleiterin der Grüneburg-Apotheke in Frankfurt am Main und Präsidentin der Bundesapothekerkammer, begrüßte die Empfehlung. »Ich kann mit der Packungsgrößenbeschränkung für rezeptfrei verkäufliche Analgetika gut leben «, so Fink gegenüber der PZ. Sie beobachte bei ihren Kunden zwar keinen Missbrauch von Analgetika, sehe aber in der Rezeptpflicht für die größeren Packungen einen Hinweis an den Verbraucher, seine »Selbstmedikation« zu hinterfragen. Dies sei zwar auch bislang im Beratungsgespräch in der Apotheke schon immer möglich gewesen, aber vielleicht böte die Neuregelung Ansätze für tiefergehende Gespräche. »Dies wäre doch wünschenswert für beide Seiten!«, so Fink.
Rechtliche Grundlage fraglich
Dr. Bernd Eberwein, Geschäftsführer Wissenschaft beim Bundesverband der Arzneimittelhersteller (BAH) und Mitglied des Ausschusses für Verschreibungspflicht, plädiert für eine Prüfung, ob die vom Ausschuss getroffene Entscheidung den Bestimmungen des Arzneimittelgesetzes entspricht. Es gehe hier um seit Langem im Markt befindliche Wirkstoffe, für deren Beschränkung der Packungsgröße durch das Instrument Verschreibungspflicht ein Risiko oder ein Missbrauch vorliegen müsste, verursacht durch eine zu große Packung.
Die Hersteller wenden sich nicht gänzlich gegen eine Packungsgrößenbeschränkung. So hat Eberwein in der Sitzung des Sachverständigenausschusses einen Alternativantrag eingebracht, der eine Beschränkung darstellt, allerdings größere Packungen ermöglicht hätte (zum Beispiel bei Ibuprofen 400 mg eine 30er-Packung gegenüber einer 20er). Sein Antrag habe aber keine Mehrheit gefunden. Nach Eberweins Überzeugung hätte die Datenlage auch diese größeren Packungen gerechtfertigt.
Sollten Bundesgesundheitsministerium und Bundesrat der Empfehlung des Sachverständigenausschusses zustimmen, plädiert Eberwein für eine angemessene Übergangsregelung. Die medizinische Datenlage rechtfertige keinen übereilten Verkaufsstopp für größere OTC-Packungen, sagte er der PZ. Bereits im Handel befindliche Ware müsse deshalb abverkauft werden dürfen.
Hersteller Bayer Vital hat mit ASS und Ibuprofen zwei für die Selbstmedikation zugelassene Wirkstoffe in diesem Segment auf dem Markt. Die Empfehlung des Sachverständigenausschusses sei im Nachgang zu Paracetamol als eine Vereinheitlichung der derzeit unterschiedlichen Packungsgrößen von apothekenpflichtigen Schmerzmitteln zu sehen, betonte eine Sprecherin des Unternehmens gegenüber der PZ. Zudem zeigten apothekenbasierte Anwendungsbeobachtungen, dass rezeptfreie Schmerzmittel bereits heute in der Selbstmedikation therapiegerecht und bedarfsorientiert eingesetzt werden. Des Weiteren seien Wirksamkeit und Verträglichkeit der beiden Wirkstoffe in klinischen Studien und durch millionenfache Anwendung dokumentiert. /