Pharmazeutische Zeitung online
Interview

Es wird nicht langweilig für uns Apotheker

05.01.2010  17:42 Uhr

Von Daniel Rücker / Im Gespräch mit der Pharmazeutischen Zeitung gibt ADBA-Präsident Heinz-Günter Wolf einen Ausblick auf das neue Jahr und spricht über Herausforderungen und die Ziele der Apotheker für 2010.

PZ: Was ist aus Ihrer Sicht das wichtigste Ziel der Apotheker im neuen Jahr?

 

Wolf: Wir müssen unser langfristiges Ziel weiterverfolgen, nämlich die Apotheker als Heil- und Freiberufler zu positionieren, ihre pharmazeutische Kompetenz zu stärken und den Berufsstand auch intern voranzubringen. Zweifellos werden wir uns in gesundheitspolitische Debatten einschalten, um die konkrete Umsetzung des Koalitionsvertrages ebenso mitzugestalten wie die Modernisierung des Gesundheitssystems insgesamt. Das einheitliche Qualitätssiegel der Bundesapothekerkammer wird in diesem Jahr seine Verbreitung erleben, nachdem sich im Dezember die erste Apotheke danach hat zertifizieren lassen. Auf Verbandsseite werden wir sicherlich auch weiterhin mit den Kassen über eine angemessene Honorierung sprechen, ob es nun um den Mehraufwand durch die Rabattverträge geht oder um Sonderverträge über spezielle pharmazeutische Leistungen. Es wird also nicht langweilig im Jahr 2010.

PZ: Die Spitze des Bundesgesundheitsministeriums wurde völlig neu besetzt. Hatten Sie schon erste Gespräche im Ministerium?

 

Wolf: Als niedersächsischer Verbandsvorsitzender war mir der Name von Herrn Rösler als damaliger niedersächsischer Wirtschaftsminister auch schon vor der Bundestagswahl geläufig. Dass sich Herr Rösler nun aufgemacht hat, um im Bundesgesundheitsministerium die spannenden Themen rund um die Zukunftsfestigkeit des Gesundheitswesens zu besetzen, zeigt auch, welche Kenntnisse und politischen Fähigkeiten er in seiner jungen Karriere erworben hat. Und Frau Widmann-Mauz und Herr Bahr haben auf Apothekertagen und anderen Veranstaltungen auch schon bewiesen, dass sie den Dialog mit uns Pharmazeuten nicht scheuen. Kurzum: Natürlich sind wir mit dem Gesundheitsministerium in Kontakt. Übrigens nicht nur auf der sogenannten politischen Ebene, sondern vor allem auf Arbeitsebene. Aber über vertrauliche Gespräche spricht man einfach nicht in der Öffentlichkeit und noch nicht einmal in der PZ; das gebietet die Achtung vor dem Gegenüber.

 

PZ: Welche für die Apotheken wichtigen Themen sollte die Bundesregierung in diesem Jahr anpacken?

 

Wolf: Einige der wichtigsten Themen sind ja bereits im Koalitionsvertrag erwähnt. Nun geht es darum, sie auch anzupacken. Da geht es um die Frage, wie man einen sauberen ordnungspolitischen Kurs in der Arzneimittelpolitik einschlägt. Wie kann es sein, dass im Laufe der Jahre so viele Steuerungsinstrumente entstanden sind, dass niemand sie aus dem Kopf aufzählen kann? Wie kann es sein, dass Festbeträge auf Basis von Listenpreisen ermittelt werden, die immer weniger mit der Realität zu tun haben, weil intransparente Rabattverträge abgeschlossen werden?

 

Ein anderes ordnungs- und verbraucherschutzpolitisches Problem besteht in den sogenannten Pick-up-Stellen. Auch hier will die schwarz-gelbe Regierung Farbe bekennen und etwas dagegen tun. Ein Verbot von Pick-up-Stellen dürfte per se eigentlich überhaupt kein Problem sein, denn auch die Sozialdemokraten, Grünen und Linken sind meines Wissens keine großen Freunde dieses gefährlichen Schlupflochs. Grundsätzlich wird es aber darum gehen, sich nicht immer nur – wie in der Vorgängerregierung – auf minimale Facetten des Systems zu fokussieren. Wir brauchen Versorgungssicherheit und eine klare Linie bei der Kommunikation der Kosten und Aufwendungen, die hierfür nötig sind. Minister Rösler macht den Eindruck, als stehe er zur Selbstverwaltung und zu den hohen Qualitätsstandards. Er legt den Finger in die Wunde und scheut sich bislang nicht, die wahren Probleme, zum Beispiel auf der Finanzierungsseite, zu skizzieren.

 

PZ: Der Gesetzlichen Krankenversicherung wird für 2010 ein hohes Defizit prognostiziert. Welche Konsequenzen könnte dies für die Apotheker haben? Wird es ein Spargesetz geben?

 

Wolf: Hier sollte man nicht die Pferde scheu machen. Vor wenigen Wochen hat das Bundesgesundheitsministerium zumindest einen GKV-Überschuss für die ersten drei Quartale 2009 bekannt gegeben. Niemand kann bislang ernsthaft sagen, wie sich die Wirtschaft hierzulande entwickeln wird. Das mutet allzuoft wie Panikmache an. Zudem will man milliardenschwere Steuerzuschüsse gewähren, um die Situation zu entschärfen. Was die ganze Diskussion verdeutlicht, ist doch, dass es hierbei vor allem um ein Einnahmenproblem geht. Wirtschaftskrise, Arbeitslosenzahlen und demografischer Wandel haben demnach einen viel größeren Einfluss auf die GKV-Finanzen als die Ausgaben. Ich denke also, dass sich die Regierung vor allem der Herausforderung stellen wird, die Einnahmenseite auf feste Füße zu stellen. Bei den Ausgaben kann man natürlich auch immer zu sparen versuchen. Aber bedenken Sie: Seit Jahren machen die Apotheken nur etwa 2,6 Prozent aller GKV-Ausgaben aus, Tendenz sinkend. Wer es also ernst meint mit Ausgabendämpfung, wird sich wohl kaum mit den Apotheken beschäftigen. Natürlich helfen wir gerne bei der wirtschaftlichen Abgabe von Arzneimitteln mit. Aber auch hier muss klargestellt werden, dass die Probleme auf die Schultern der Apotheken abgewälzt werden.

 

PZ: Die ABDA und die KBV setzten auf mehr Kooperation und eine klare Rollenverteilung in der Arzneimittelversorgung. Wird sich dies schon in diesem Jahr in der Apotheke widerspiegeln?

 

Wolf: In der Rollenverteilung sehe ich eigentlich kaum Probleme: Die Ärzte verordnen Arzneimittel, und die Apotheker geben die verordneten Medikamente an die Patienten ab. Von der Politik wird nun – nicht zu Unrecht – eine immer stärkere Verzahnung von Gesundheitsleistungen gefordert. Auch Prävention soll eine größere Rolle spielen. Stichworte sind integrierte Versorgung, Medikationsmanagement oder Versorgungsverträge. Hier sind Apotheker und Kassen natürlich in Gesprächen.

 

Auch mit Ärzten gibt es schon Kooperationen. Denken Sie nur an das Projekt von Dermatologen und Bundesapothekerkammer zu den Vorschriften für Rezepturarzneimittel. Berührungsängste gibt es von unserer Seite also nicht. Es kann aber auch nicht sein, dass einzelne Ärzte um ihre Hoheit fürchten, wenn ein Apotheker mit Diabetes-Spezialisierung bei einem Patienten den Blutzucker misst und ihm daraufhin Ernährungs- und Verhaltenstipps gibt. Grundsätzlich müssen Apotheker und Ärzte lernen, dass eine enge Zusammenarbeit zu einem echten Mehrgewinn für den Patienten wie die Gesellschaft insgesamt führt. Ich glaube, wir sind da auf einem guten Weg.

 

PZ: Die AOK startet demnächst ihre vierte Rabattrunde. Apotheker, Ärzte und Patienten haben große Probleme mit Rabattverträgen. Auch die Bundesregierung ist kritisch. Wie groß sehen Sie die Chancen, dass dieses Kostendämpfungsinstrument bald abgeschafft oder zumindest für die Beteiligten erträglicher wird?

 

Wolf: Viele Verträge, zum Beispiel von der AOK, laufen ja bis 2011. Von daher werden sich diese Konstruktionen wohl kaum innerhalb der nächsten Monate in Luft auflösen. Wir Apotheker haben allerdings auch nie einen Hehl daraus gemacht, dass wir Festbeträge oder Zielpreisvereinbarungen bevorzugen würden. Wohlgemerkt als Alternative, nicht als Anhängsel. Dennoch haben wir die Rabattverträge von Anfang an gesetzestreu umgesetzt – trotz des immensen Aufwandes an Technik, Logistik und Personal. Immerhin hat ja auch die Schiedsstelle bei der Festsetzung des Apothekenabschlags für 2009 zu Kenntnis genommen, dass die Kosten groß sind. Was die Rabattverträge erträglicher machen kann, ist klar: mehr Transparenz bei den Einsparungen, mehr Information für die Versicherten, mehr lieferberechtigte Anbieter pro Wirkstoff und angemessene Übergangsfristen. Die enormen Einsparungen, die anscheinend erzielt werden, einige sprechen hier von mehr als 1 Milliarde Euro jährlich, werden kaum dazu führen, dass dieses Instrument ohne Ersatz abgeschafft wird. Auch wenn ich nicht nur unsere Kollegen, sondern auch Hersteller verstehe, die mit dieser Systematik alles andere als einverstanden sind.

 

PZ: Mit dem EuGH-Urteil zum Fremdbesitz und der Positionierung der Bundesregierung für ein von den Freien Berufen getragenes Gesundheitswesen sind die Rahmenbedingungen und Aussichten für die Apotheker auf den ersten Blick recht gut. Gibt es auch Risiken für den Berufsstand? Wo sehen Sie die größten Gefahren?

 

Wolf: Der EuGH hat das Fremdbesitzverbot juristisch bestätigt. Die neue Bundesregierung hat es nun noch einmal politisch bestätigt. Auch die Gesundheits- und Ordnungspolitiker fast aller Parteien sehen die Freiberuflichkeit als tragende Säule der sozialen Marktwirtschaft und des präventiven Verbraucherschutzes. Von daher wird die Diskussion um Apothekenketten wohl nur noch von interessierten Unternehmen aufgeworfen. Dieser Diskussion müssen wir uns aber jederzeit stellen. Das größte Risiko in unserer modernen Gesellschaft besteht wohl generell in der Trivialisierung von Gesundheit. Heutzutage glauben viele Menschen, dass Werbespots und Online-Fragebögen zur kompetenten Gesundheitsberatung ausreichen. Das ist ein Irrglaube. Deshalb müssen wir als Heilberufler immer wieder darauf hinweisen, dass Gesundheit unser höchstes Gut ist und dass sie deshalb mehr Aufmerksamkeit verdient als die Neuanschaffung eines Fernsehers. Es ist eine Aufgabe für alle Player in diesem System, allen voran die Politik, hier ebenso ehrlich wie nachhaltig für einen Umschwung bei der Wahrnehmung unseres Gesundheitssystems und seiner Leistungsfähigkeit zu sorgen. Trotzdem sollte uns allen bewusst sein, dass es eine bestimmte Interessenlage innerhalb der EU-Kommission gibt; und die widmet sich allzu positiv den Zielen international agierender Großkonzerne. Eben daraus resultiert das fortwährende Streben nach einer Abschaffung des Fremdbesitzverbotes und einer Änderung beispielsweise der Arzneimittelpreisverordnung durch irgendwelche Hintertüren. Auch hier werden wir weiter aufpassen.

 

PZ: Können Sie diesen Satz vervollständigen: »2010 wird für die Apotheker ein Jahr, in dem ...«

 

Wolf: 2010 wird für die Apotheker ein herausforderndes Jahr, in dem sie sich auf ihre pharmazeutischen Stärken konzentrieren müssen, ihre Fort- und Weiterbildung und damit die Qualität der Tätigkeit noch ernster nehmen sollten und den Patienten niemals aus dem Blick verlieren dürfen. / 

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