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Leichte Hoffnung auf halbe Mehrwertsteuer

02.01.2006  13:37 Uhr

Arzneimittel

Leichte Hoffnung auf halbe Mehrwertsteuer

von Daniel Rücker, Eschborn

 

Wenn die Arzneiausgaben steigen, verdient der Staat gutes Geld. Die hohe Mehrwertsteuer spült erhebliche Summen in die leere Staatskasse. Apotheker, Großhandel und Pharmaverbände fordern seit langem eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Arzneimittel. Dem schließen sich jetzt auch Koalitionspolitiker an.

 

Allgemein bewegen sich die deutschen Arzneimittelpreise im europäischen Vergleich weiter nach unten. Exporteure kaufen heute immer mehr Arzneimittel in der Bundesrepublik auf, um sie in Hochpreisländern zu verkaufen. Allein bei der Mehrwertsteuer hat sich in den vergangenen Jahren trotz zahlreicher Appelle nichts getan. Mit einem Satz von 16 Prozent liegt Deutschland im europäischen Vergleich auf dem dritten Platz. Nur in Dänemark und Österreich hält der Staat mit 25 und 20 Prozent die Hand noch weiter auf.

 

Fehlender Mut

 

Bislang waren die Fronten in Deutschland verhärtet. Natürlich wussten auch Politiker um den Unsinn, dass Tierarzneimittel geringer besteuert werden als Humanarzneimittel - von Comic-Heften und Schmudelliteratur ganz zu schweigen. Doch angesichts der Finanznot der öffentlichen Haushalte verloren die Entscheidungsträger den Mut, die richtigen Konsequenzen zu ziehen.

 

Mit der großen Koalition könnte jetzt jedoch Bewegung in die Diskussion kommen. Das Thema ist für Gesundheitspolitiker nicht mehr tabu. So kündigt die SPD-Gesundheitsexpertin Marlies Volkmer auf ihrer Website an, sich dafür einzustezen, »dass für Arzneimittel künftig der ermäßigte Steuersatz angewandt wird«. Wie sie der »Sächsischen Zeitung« mitteilte sei dies sogar Konsens unter den Gesundheitspolitikern der großen Koalition. Das gilt auch für Professor Dr. Karl Lauterbach, den die Nachrichtenagentur ddp mit dem Satz zitiert: »Eine Halbierung der Mehrwertsteuer für Arzneimittel ist ein geeignetes Mittel, um kurzfristig finanziellen Druck aus dem System herauszunehmen.«

 

Eher zurückhaltend reagiert das Bundesgesundheitsministerium (BMG) auf die Diskussion. Zwar behaupteten die »Ruhr Nachrichten« am 15. Dezember, auch Ministerin Ulla Schmidt strebe einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz auf Arzneimittel an. Dies wollte eine Ministeriumssprecherin dem Wirtschaftsdienst »DowJones Newswires« jedoch nicht bestätigen. Auch sei dem Ministerium unbekannt, dass sich die Gesundheitspolitiker bei diesem Thema einig seien. Ebenfalls dementiert wurde die Existenz eines Argumentationspapiers aus dem Ministerium, in dem ein ermäßigter Steuersatz gefordert werde. Dies hatten die »Ruhr Nachrichten« behauptet.

 

Die Zurückhaltung des BMG ist nachvollziehbar. Denn was die Krankenkassen durch die Senkung sparen würden, geht dem Fiskus verloren. Würde der ermäßigte Steuersatz von 7 Prozent für Arzneimittel gelten, würde dies die Krankenkassen um 1,8 Milliarden Euro entlasten und gleichzeitig ein Haushaltsloch in derselben Größenordnung verursachen. Würden dagegen Arzneimittel bei der bereits angekündigten Mehrwertsteuererhöhung einbezogen, stiegen die Einnahmen des Fiskus dagegen um 750 Millionen Euro.

 

Es geht also in der Summe um rund 2,5 Milliarden Euro jährlich. Auf so viel Geld wird Finanzminister Peer Steinbrück wohl nur sehr ungern verzichten, will er doch bis 2007 die Maastricht-Kriterien wieder einhalten. Auf der anderen Seite könnte das Gesundssystem den Betrag gut gebrauchen. Wenn die Mehrwertsteuer auf 19 Prozent steigt, werden dort die Finanznöte weiter steigen. Mit Marlies Volkmer hat eine nicht unbedeutende Gesundheitspolitikerin das Thema wieder auf die Tagesordnung gehoben. Ob sie genug Mitstreiter für eine Ermäßigung des Steuersatzes findet, ist sicherlich keinesfalls ausgemacht. Wenn sie aber zumindest erreichen könnte, dass Arzneimittel bei der nächsten Erhöhung wieder mit dabei sind, hätte sich ihr Einsatz schon gelohnt.

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