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Tramadol

Risiko Unterzuckerung

06.01.2015  16:03 Uhr

Von Annette Mende / Patienten, die das Schmerzmittel Tramadol einnehmen, laufen Gefahr, eine Hypoglykämie zu erleiden. Das Risiko ist auch dann erhöht, wenn der Betroffene nicht an Diabetes erkrankt ist.

 

Einer jetzt im Fachjournal »JAMA Internal Medicine« erschienenen Studie zufolge sind insbesondere die ersten 30 Tage einer Tramadol-Therapie in dieser Hinsicht problematisch.

 

Wie die Autoren um Dr. Jean-Pascal Fournier von der Universität Montreal in Kanada berichten, hatten in letzter Zeit mehrere Fallberichte und eine Auswertung französischer Pharmakovigilanz-Daten Tramadol mit Hypoglyk­ämien in Verbindung gebracht. Das gab für sie den Anstoß, die Fragestellung anhand eines großen Datenpools zu untersuchen. Sie nutzten dazu zwei britische Datenbanken, in denen Patienten von Allgemeinarztpraxen beziehungsweise Krankenhausfälle registriert sind.

 

Insgesamt umfasste die Studien­kohorte 334 034 Patienten, von denen 1105 wegen einer Hypoglykämie ins Krankenhaus kamen. Um in der Kon­trollgruppe möglichst ähnliche Patienten zu erfassen, bestand diese aus Personen, die mit dem Schmerzmittel Codein behandelt wurden (DOI: 10.1001/jamainternmed.2014.6512).

 

Im Vergleich zur Codein-Gruppe hatten mit Tramadol behandelte Patienten ein erhöhtes Risiko, wegen einer Hypoglykämie hospitalisiert zu werden (Odds Ratio 1,52). Besonders ausgeprägt war dieser Unterschied in den ersten 30 Behandlungstagen: In dieser Zeit war das Risiko mehr als doppelt so hoch (Odds Ratio 2,61). Diese Ergebnisse hatten in mehreren weiteren Auswertungen der Daten Bestand, in denen sie unter anderem auf Patienten ohne antidiabetische Medikation beschränkt wurden.

 

Wie kommt es dazu, dass der Blutzuckerspiegel unter Tramadol abfällt? Fournier und Kollegen schlagen als Antwort auf diese Frage zwei Mechanismen vor: die Aktivierung von μ-Opioid-Rezeptoren und die zentrale Hemmung der Serotonin- und Norepinephrin-Wiederaufnahme. Beide hätten in Tierstudien Hypoglykämien ausgelöst, müssten aber als Erklärung für die beobachtete Wirkung des Tramadols auf den Blutzucker in weiteren Untersuchungen überprüft werden.

 

Die Autoren schätzen, dass von 10 000 Patienten, die ein Jahr lang mit Tramadol behandelt werden, sieben eine Hypoglykämie erleiden. Die Nebenwirkung ist damit äußerst selten, was auch erklärt, warum sie in klinischen Studien bislang noch nie auffiel. Angesichts der Schwere der Komplikation – eine Hypoglykämie kann im schlimmsten Fall sogar tödlich enden – müsse das Ergebnis dennoch ernst genommen werden. Wie es sich auf die klinische Praxis auswirkt, sei in weiteren Studien zu untersuchen. /

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