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Pharmazeutische Industrie

»Es ist immer noch sehr schwierig«

06.01.2015  16:03 Uhr

Von Daniel Rücker, Leverkusen / Für den Pharmakonzern Bayer war 2014 ein gutes Jahr. Das Unternehmen ist deutlich gewachsen. Für den Chef von Bayer Healthcare Deutschland, Frank Schöning, ist der Erfolg hausgemacht. Das Klima in Deutschland sei nicht pharmafreundlicher geworden.

PZ: Die pharmazeutische Industrie hat sich in den vergangenen Jahren immer wieder über das vermeintlich unfreundli­che Klima für die pharmazeutische Industrie in Deutschland beschwert. Nun hat Bayer 2014 ein sehr erfolgreiches Jahr hingelegt mit einigen Zukäufen im OTC-Markt. Ist die Kritik am Pharmastandort Deutschland noch angebracht?

 

Schöning: Es ist erfreulich, dass Sie registriert haben, wie erfolgreich wir in diesem und den vergangenen Jahren waren. Wir haben aber nicht nur im OTC-Markt gepunktet, sondern auch bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln mit neuen Produkten in den ersten neun Monaten zugelegt. Das sind zum Beispiel Xofigo®, Adempas®, Eylea® und Indikationserweiterungen bei Xarelto®, um nur einige Präparate zu nennen. Es ist uns mit unseren neuen Produkten gelungen, organisch zu wachsen.

 

Unser Erfolg ist aber kein Indiz dafür, dass sich die Rahmenbedingungen verbessert haben. Das Klima ist für die pharmazeutische Industrie nicht innovationsfreundlicher geworden. Es ist immer noch sehr schwierig, Innovationen in den Markt zu bringen. Daran hat sich nichts geändert. Das AMNOG macht uns weiterhin zu schaffen. Die Substanzen, die heute auf den Markt kommen, sind schon seit mindestens 10 Jahren in der Entwicklung. Damals gab es noch kein AMNOG und keine Nutzenbewertung. Wir sehen uns heute mit Rahmenbedingungen konfrontiert, die damals nicht absehbar waren.

 

PZ: Also gibt es von Ihnen auch weiter keine Sympathie für das AMNOG?

 

Schöning: Gegen die Philosophie des AMNOG gibt es im Prinzip nichts einzuwenden. Bayer setzt auf Innovationen und kann dem Grundgedanken des AMNOG folgen: Innovationen sollten grundsätzlich besser sein als ältere Medikamente. Wir sind aber mit der konkreten Ausgestaltung der Nutzenbewertung und der Preisfindung für innovative Arzneimittel nicht einverstanden. Immerhin sieht die Politik das AMNOG als lernendes System. Wenn dies so ist, dann sind wir einver­standen.

 

PZ: Lernt es denn schon?

 

Schöning: Bislang sicher deutlich zu wenig.

 

PZ: Was kritisieren Sie vor allem?

 

Schöning: Es ist falsch, die klinische Nutzenbewertung mittelbar mit den späteren Preisverhandlungen zu verknüpfen. Beispielsweise stellt die Auswahl der Vergleichstherapie bereits in einem frühen Stadium Weichen für die Preisgestaltung. Bereits in der Nutzenbewertung versucht der GKV-Spitzenverband die späteren Preisverhandlungen in seinem Sinn zu beeinflussen. Das muss sich ändern. Die wissenschaftliche Nutzenbewertung muss von der Preisverhandlung getrennt sein. Es ist auch nicht nachzuvollziehen, warum der GKV-Spitzenverband überhaupt bei der Entscheidung über den Zusatznutzen mit am Tisch sitzt. Hier sollten nur neutrale Wissenschaftler ihre Arbeit machen. Die GKV verfolgt immer ökonomische Interessen, die an dieser Stelle gar nicht relevant sind. So kommt es auch zustande, dass neue Präparate sich häufig an einer Vergleichstherapie messen lassen müssen, die sehr preisgünstig ist. Das hat großen Einfluss auf die Preisverhandlungen. Es kann nicht sein, dass überwiegend Generika die Referenz für Preisverhandlungen sind.

 

PZ: Was sind Ihre Vorstellungen von einer aussagekräftigen Nutzenbewertung?

 

Schöning: Ein neues Präparat muss immer mit der in der jeweiligen Indikation klinisch relevanten Substanz verglichen werden. Dabei sind grundsätzlich die Zulassungsstudien zugrunde zu legen. Dieses Gebot aus der Arzneimittel-Nutzenverordnung wird bisher zu wenig beachtet. Im Übrigen ist der Nutzenbegriff viel zu eng definiert. Wir würden uns zusätzlich wünschen, dass die Zulassungsbehörde und die jeweiligen Fachgesellschaften systematischer in den Prozess eingebunden werden. Bei den anschließenden Preisverhandlungen muss die GKV als Einkäufer natürlich dabei sein. Hier darf aber nicht so getan werden, als ob keine Forschungs- und Entwicklungskosten angefallen wären. Auf dieser Basis könnte man tatsächlich ein lernendes System aufbauen.

 

PZ: Die Krankenkassen werden Ihre Vorstellungen zum AMNOG vermutlich nicht mittragen. Wie steht es denn mit der Politik? Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) hat den Pharmadialog ins Leben gerufen. Hat der vfa ihn schon mit dem Vorschlag konfrontiert?

 

Schöning: Die Bundesregierung erkennt die Bedeutung der Pharmaindustrie für den Innovationsstandort Deutschland durchaus an. Wir bieten innovative und hochwertige Produkte, zahlreiche Arbeitsplätze und eine ordentliche Wertschöpfung. Das kann einer Regierung nicht egal sein.

 

PZ: Die Politik muss daraus aber nicht zwingend Handlungen im Sinne der pharmazeutischen Industrie ab­leiten.

 

Schöning: Das ist richtig, aber die Bundesregierung ist am Dialog mit uns interessiert. Und sie weiß, die Bedeutung pharmapolitischer Themen wirtschaftlich einzuordnen. Ein Beispiel dafür war die Entscheidung zum Wegfall der Bestandsmarktbewertung. Deshalb haben wir die Hoffnung, dass sie auch bei der Nutzenbewertung unsere Sorgen um die zukünftige Versorgung mit innovativen Arzneimitteln teilt. Vielleicht auch bei Importarzneimitteln, deren einseitige Förderung dringend aus dem Gesetz gestrichen werden muss.

 

PZ: Das AMNOG hat die Hürde für neue Arzneimittel noch höher gemacht. Kann das nicht auch ein Vorteil sein? Wenn die Anforderungen größer sind, muss auch die Qualität steigen?

 

Schöning: Dem kann ich nicht folgen. Die Medikamente, die jetzt in der Nutzenbewertung sind, wurden vor zehn Jahren konzipiert. Da gab es noch keine Nutzenbewertung. Deshalb kann sie auch keinen Effekt auf die Qualität habe­n.

 

Ich sehe eher das Problem, dass es für Schrittinnovationen immer schwieriger wird, den Zusatznutzen zu belegen. Bei Sprunginnovationen ist dies kein Problem, die schaffen auch die Nutzenbewertung. Einen erheblichernTeil des medizinischen Fortschrittes verdanken wir aber Schrittinnovationen. Es wäre fatal, wenn diese zu häufig an der Hürde AMNOG scheitern. Wir dürfen uns hier nichts vormachen: Das AMNOG könnte bereits mittelfristig Konsequenzen für den Standort Deutschland haben. Bleibt es bei der aktuellen Nutzenbewertung, fehlt den Unternehmen die Planungssicherheit.

 

PZ: In den vergangenen 14 Monaten ist Bayer im OTC-Geschäft sehr aktiv gewesen. Sie haben den Phytopharmaka-Hersteller Steigerwald und die OTC-Sparte von Merck & Co übernommen. Welche Strategie verfolgen Sie im OTC-Geschäft?

 

Schöning: Wir wollen unsere Position als weltweit führender OTC-Anbieter behalten und wenn möglich ausbauen. Wenn man Markführer sein will, dann darf man sich nicht von den Erfolgen der Vergangenheit blenden lassen. Wir werden in dem Markt auch weiterhin sehr aktiv sein. In verschiedenen Marktsegmenten sind wir schon die Nummer eins, und wir wollen es bleiben.

 

PZ: Wie läuft es denn mit der Integration der beiden übernommenen Firmen? Sind Sie zufrieden?

 

Schöning: Ja, es funktioniert gut. Die Mitarbeiter von Steigerwald haben viel Kompetenz in der Herstellung pflanzlicher Arzneimittel und im Markt sind die Marken, insbesondere Iberogast, sehr erfolgreich unterwegs. Steigerwald passt hervorragend zu Bayer, und ich habe den Eindruck, dass die Mitarbeiter dies auch so sehen.

 

PZ: Steigerwald ist ein traditionsreicher Name im deutschen Arzneimittelmarkt. Wird er langfristig bestehen bleiben?

 

Schöning: Darüber steht im Moment keine Entscheidung an. Bis auf Weiteres bleibt es so, wie es ist. Steigerwald gehört zu Bayer, aber unter seinem alten Namen. Ob sich daran irgendwann etwas ändern wird, ist vollkommen offe­n.

 

PZ: Wollen Sie Ihre Stellung im OTC-Markt vor allem über Zukäufe aus­bauen?

 

Schöning: Das eine schließt das andere nicht aus. Einerseits können das strategische Akquisitionen sein und andererseits setzen wir auf die eigenen Innovationen – zum Beispiel das neue Aspirin®, das wir im Sommer eingeführt haben, oder das Bepanthen®-Narbengel. /

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