| Alexander Müller |
| 27.11.2025 15:30 Uhr |
Vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf wird über die Beitragsbescheide der Apothekerkammer Nordrhein verhandelt. / © Imago/snowfieldphotography
Bei der Kammerversammlung der Apothekerkammer Nordrhein am 5. November sollten die Delegierten auch über den aktuellen Stand im Rechtsstreit um die Beitragsordnung informiert werden. Das übernahm Rechtsanwalt Stefan Kobes von der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft.
Das erste ergangene Urteil zu Beitragsbescheiden von 2021 bis 2024 ging gegen die Kammer aus. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf monierte die Höhe bestimmter Rücklagen der AKNR und den darauf fußenden Haushaltsplan. Die Kammer würde diese Entscheidung gerne von der nächsten Instanz überprüfen lassen und hat einen Antrag auf Zulassung der Berufung beim Oberverwaltungsgericht Münster gestellt. Hierüber ist noch nicht beschieden.
Es gibt aber drei weitere Klagen gegen die Bescheide zu diesen Jahren – sowie rund 90 neue Klagen gegen die Beitragsbescheide für 2025. Rechtsanwalt Joachim Wüst vertritt Apotheker in den Ausgangsverfahren, Rechtsanwalt Bernhard Bellinger hat seinen Mandanten ebenfalls zu Klagen geraten, damit die aktuellen Bescheide nicht rechtskräftig werden.
Bei der Kammerversammlung in Neuss berichtete Kobes, dass man die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde als Schriftsatz auch in einem anderen Verfahren beim VG Düsseldorf eingereicht habe. Die Verschiebung des Verhandlungstermins deutete Kobes dann als Zeichen, die Richter am Verwaltungsgericht würden es sich nicht so leicht machen und die Sache womöglich neu überdenken.
Diese Interpretation ruft Wüst und Bellinger auf den Plan. Denn die Verschiebung des Termins sei, und das müsse Kobes wissen, einzig und allein der Tatsache geschuldet, dass die Kammer einen Befangenheitsantrag gegen den Richter gestellt habe.
Tatsächlich geht aus Gerichtsunterlagen, die der PZ vorliegen, hervor, dass die Kammer zunächst einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nicht zugestimmt hatte. Damit sich der Vorsitzende Richter am VG die rund 100 Seiten Antragsbegründung im OVG-Verfahren in Ruhe zu Gemüte führen kann, wurde zudem eine Verschiebung beantragt. Denn bei der Kammer ist man überzeugt, gute Argumente gegen die Entscheidung der ersten Instanz vorgelegt zu haben.
Doch der Richter hielt die Sache für »entscheidungsreif«, terminierte und handelte sich damit einen Befangenheitsantrag der Kammer ein. Denn während die etwa 90 neuen Verfahren zu den 2025-Bescheiden auf Anregung der AKNR ruhend gestellt wurden, solle nun ausgerechnet im Parallelverfahren zu den Beitragsbescheiden von 2021 bis 2024 eine schnelle Entscheidung her? Im Befangenheitsantrag wird ausgeführt, es gehe dem Richter nur um die eigene Erledigungsstatistik, sodass er aus persönlichem Ehrgeiz Altverfahren »abräumen« wolle.
Dazu kontert der Richter in seiner Stellungnahme augenzwinkernd, »dass ich nach 30 Berufsjahren als Richter und Vollendung des 60. Lebensjahres keine Karriereabsichten mehr verfolge«. Für ein Aussetzen des Verfahrens hätten die Voraussetzungen nicht vorgelegen, einem Ruhen habe der klagende Apotheker nicht zugestimmt.
»Im Übrigen hielt ich es für sachgerecht, wenn die Beklagte noch vor dem Beschluss über ihren Haushalt 2026 eine rechtliche Einschätzung zu ihren Berufungszulassungsgründen erhält«, schreibt der Richter. Er habe im Gespräch mit der Vertreterin der Kammer zudem angedeutet, dass er Berufung in diesem Verfahren zulassen könnte.
Das Verwaltungsgericht lehnte den Befangenheitsantrag der AKNR ab. Dass eine am Streit beteiligte Seite eine andere Rechtsauffassung vertrete als der Richter, komme regelmäßig vor – begründe aber noch keine Besorgnis der Befangenheit. Ebenso wenig in der Tatsache, dass andere Verfahren ruhend gestellt wurden, denn in diesen Fällen hätten alle Beteiligten dem zugestimmt.
Auswirkungen auf das Verfahren hatte das Ganze dennoch: Der eigentlich für den 29. Oktober vorgesehene Verhandlungstermin wurde aufgehoben. »Grund: Entscheidung über Ablehnungsgesuch«, wie es in der Benachrichtigung unzweideutig heißt. Von neuer Prüfung der Sachlage keine Rede.
Aus Sicht der Apothekervertretern Wüst und Bellinger hatte die Kammer dennoch ein Ziel erreicht: Aufgrund der zwangsläufigen Verschiebung bestand keine Gefahr mehr, dass vor der Kammerversammlung am 5. Dezember ein zweites Urteil ergehen würde, das womöglich wieder zu Ungunsten der Kammer ausgegangen wäre – mit der zusätzlichen Erschwernis, dass das VG diesmal schon die Nichtzulassungsbeschwerde der AKNR gekannt hätte.
Rechtsanwalt Wüst kommentiert: »Wem die Sachargumente ausgehen, stellt einen Befangenheitsantrag.« Und sein Kollege Bellinger wird noch deutlicher: »Ich finde dies Verhalten der Kanzlei Luther rundheraus irreführend und schäbig«, heißt es in einer Mail an Apotheken. Rechtsanwalt Kobes ließ über die Kammer ausrichten, dass man sich „zu Einzelheiten laufender verwaltungsgerichtlicher Klageverfahren grundsätzlich nicht öffentlich äußern“ werde. Nach der Posse um die Verschiebung sind jetzt alle Augen auf Münster gerichtet, ob das OVG im Parallelverfahren Berufung zulässt.