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Europäischer Gerichtshof

Auch Doc Morris darf nur in Grenzen werben

Auch ausländische Versandapotheken müssen sich an das deutsche Heilmittel-Werbegesetz halten. Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg am heutigen Donnerstag entschieden. Damit dürfen deutsche Gerichte Gewinnspiele untersagen, bei denen Versender die Teilnahme an eine Rezepteinlösung binden.
Stephanie Schersch
15.07.2021  12:45 Uhr

2016 hatte der EuGH EU-Versandapotheken von der deutschen Rx-Preisbindung befreit. In seiner Begründung hatte er eine übermäßige Belastung der Versender ins Feld geführt. Eine solche Einschränkung können die Luxemburger Richter mit Blick auf das Heilmittel-Werbegesetz (HWG) nicht erkennen. Im Gegenteil: Auch Doc Morris und Co müssen die im HWG verankerten Vorschriften für Werbung respektieren. Das hat der EuGH entschieden und damit einen deutschen Fall geklärt.

Der reicht zurück bis ins Jahr 2015. Damals hatte Doc Morris mit einem Gewinnspiel geworben und als Hauptgewinn ein Elektrofahrrad im Wert von 2500 Euro ausgelobt. Teilnehmen konnte nur, wer ein Rezept bei dem Versender eingereicht hatte. Die Apothekerkammer Nordrhein sah darin einen Verstoß gegen das Heilmittelwerbegesetz und mahnte Doc Morris ab. Die Klage allerdings hatte vor dem Landgericht keinen Erfolg. Erst das Oberlandesgericht Frankfurt gab der Kammer recht und verurteilte die Versandapotheke. Doc Morris ging in Revision und brachte das Verfahren vor den Bundesgerichtshof (BGH). Dort jedoch sahen sich die Richter aufgrund unionsrechtlicher Fragen nicht in der Lage , eine Entscheidung zu fällen. Stattdessen riefen sie im Februar 2020 den Europäischen Gerichtshof in Luxemburg an und baten um eine Klärung des Falls .

Richter sehen keinen Widerspruch

Im Kern ging es um die Frage, ob das Heilmittel-Werbegesetz auch für EU-Versender gilt. Nach Paragraf 11 HWG ist Werbung für Arzneimittel über Verlosungen oder Preisausschreiben außerhalb von Fachkreisen eigentlich untersagt, sofern damit der Gebrauch von Medikamenten unzweckmäßigen oder übermäßigen gefördert wird. Paragraf 7 verbietet zudem Zugaben bei der Rezepteinlösung.

Aus Sicht des EuGH sticht das HWG Unionsrecht. Einen Widerspruch zu ihrem Rx-Boni-Urteil von 2016 sehen die Richter nicht. »Das Verbot von Gewinnspielen zur Förderung des Verkaufs von Arzneimitteln hat für die Versandapotheken wesentlich geringere Auswirkungen als das absolute Verbot eines Preiswettbewerbs«, erklären sie in ihrer Entscheidung. Hinzu kommt: Die Regelung des HWG trifft in- und ausländische Marktteilnehmer gleichermaßen. 2016 hatte der EuGH den Wegfall der Preisbindung als eine Art Ausgleich deklariert, da Versender nicht vor Ort über die Beratung in den Wettbewerb gehen könnten und damit im Nachteil seien. Beim Heilmittel-Werbegesetz sind die Spieße aus Sicht des EuGH hingegen gleich lang. So betreffe das Werbeverbot »auch die herkömmlichen Apotheken, die ebenfalls ein Interesse an der Förderung des Verkaufs ihrer Arzneimittel durch Werbegewinnspiele gehabt hätten«. Damit stehe das Europarecht der deutschen Regelung nicht entgegen.

Die Apothekerkammer Nordrhein zeigte sich erfreut über das EuGH-Urteil und sprach von einem guten Tag für die Patienten. »Der Verbraucherschutz steht ganz offensichtlich über wirtschaftlichen Interessen von Konzernen«, sagte Kammerpräsident Armin Hoffmann. Nach der Entscheidung aus Luxemburg liegt der Ball nun wieder im Spielfeld des BGH. Dort müssen die Richter auf Grundlage de Luxemburger Urteils den Fall neu aufrollen. In ihrem Beschluss aus dem Februar 2020 hatten sie ihren inhaltlichen Standpunkt bereits deutlich gemacht und sich insbesondere auf Paragraf 7 HWG gestützt. Dabei sieht das Gericht die Gefahr, dass Patienten auf eine für sie eigentlich wichtige Beratung in der Apotheke vor Ort verzichten, nur um an einem Preisausschreiben teilnehmen zu können.


 

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