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Wechselwirkung

Arzneistoffe können in Darmbakterien akkumulieren

Die von Mensch zu Mensch unterschiedlich gute Wirksamkeit beispielsweise von Antidepressiva könnte auch am Mikrobiom liegen. Das zeigt eine aktuelle Forschungsarbeit, die sich mit der Wechselwirkung zwischen Darmbakterien und Arzneistoffen beschäftigt hat.
Annette Rößler
14.09.2021  09:00 Uhr

Zur Interaktion zwischen dem Mikrobiom und der Wirkung von Arzneistoffen gab es schon diverse Publikationen. Demnach können Darmbakterien etwa Arzneistoffe metabolisieren und so die Wirksamkeit mitbestimmen. Anders herum hemmen viele Wirkstoffe bestimmte Bakterien, sodass sich durch die Einnahme die Zusammensetzung des Mikrobioms verändert. Alle diese Wechselwirkungen sind jedoch komplex und die praktische Anwendung der Erkenntnisse, etwa in Form von Tests, die vor einer Therapie die Wirksamkeit vorhersagen, noch lange nicht etabliert.

Auch eine aktuelle Veröffentlichung im Fachjournal »Nature« fällt in die Kategorie Grundlagenforschung. Wie Wissenschaftler des European Molecular Biology Laboratory (EMBL) in Heidelberg und der University of Cambridge dort berichten, akkumulieren zahlreiche Arzneistoffe in Dambakterien, ohne chemisch modifiziert zu werden. Teilweise verändert sich dadurch der Stoffwechsel des betroffenen Bakteriums und es werden vermehrt Metabolite freigesetzt, die wiederum das Wachstum anderer Bakterienarten begünstigen, sodass sich am Ende das Gleichgewicht der verschiedenen Bakterienspezies verschiebt. Letzteres konnten die Forscher am Beispiel des selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmers Duloxetin zeigen. Fadenwürmer, die mit den durch die Duloxetin-Gabe begünstigten Bakterien behandelt wurden, zeigten ein anderes Verhalten als vor der Behandlung.

»Zusammengenommen zeigen unsere Ergebnisse, dass die Bioakkumulation in Darmbakterien ein gängiger Mechanismus sein könnte, über den nicht nur die Verfügbarkeit von Arzneistoffen beeinflusst wird, sondern auch der bakterielle Stoffwechsel. Dies könnte sich auf die Zusammensetzung des Mikrobioms, die Pharmakokinetik, Nebenwirkungen und das Ansprechen auf Arzneistoffe auswirken, wahrscheinlich auf individueller Ebene«, fassen die Autoren um Dr. Martina Klünemann vom EMBL zusammen.

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