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Nachhaltigkeit

Arzneimittelrückstände: Risiko für Umwelt und Gesundheit

Wie können die Auswirkungen von Medikamentenrückständen auf Natur, Menschen und Tiere reduziert werden? Die Juristin und Umweltwissenschaftlerin Kim Teppe fordert Informationen zu Umweltverhalten und -toxizität von Wirkstoffen und hat dagegen geklagt, dass Arzneimittelhersteller bisher keine Studienergebnisse aus Umweltrisikobewertungen veröffentlichen müssen. 
Melanie Höhn
09.02.2023  10:30 Uhr
Arzneimittelrückstände: Risiko für Umwelt und Gesundheit

Ein Bericht des Think-Tanks »Centre for Planetary Health Policy« (CPHP) und der Bucerius Law School zeigte erst kürzlich, dass das Arzneimittelwesen erheblich zu den Umwelt- und Klimabelastungen beiträgt. Klar ist: Kontinuierlich gelangen Tonnen von Humanarzneimittelwirkstoffen und deren Abbauprodukte mit dem Abwasser über die Kläranlagen in die Umwelt – vor allem in die Gewässer – und können dort Schaden anrichten, wie das Umweltbundesamt informiert. Viele Wirkstoffe können auch in Kläranlagen nur wenig zurückgehalten werden. Tierarzneimittel kommen überwiegend mit Mist und Gülle, die als Dünger verwendet werden, in die Umwelt

Laut Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) liegen die gemessenen Konzentrationen der Wirkstoffe von Arzneimitteln unterhalb der Dosierungen, die therapeutische Auswirkungen haben. Auch Tiere werden jedoch durch Medikamentenrückstände beeinflusst, zwar in geringen Konzentrationen, jedoch nehmen sie die Wirkstoffe über Nahrung, Haut und Schleimhäute auf. Es kann zu verändertem Verhalten und Fortpflanzungsstörungen kommen, was wiederum große Auswirkungen auf die Ökosysteme haben kann.

Informationen über Arzneimittel der Öffentlichkeit bereitstellen

Mit den Auswirkungen von Arzneimitteln auf die Ökosysteme beschäftigt sich die interdisziplinäre Forschungsgruppe PharmCycle der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) Hamburg. Im Rahmen des PharmCycle-Projekts hat die Juristin und Umweltwissenschaftlerin Kim Teppe an der HAW Hamburg in Kooperation mit der Universität Hamburg zum Umweltrecht promoviert. Im Rahmen ihrer Promotion klagte die Juristin in einem Verfahren am Verwaltungsgericht Köln dagegen, dass Arzneimittelhersteller bisher keine konkreten Studienergebnisse aus Umweltrisikobewertungen veröffentlichen müssen und machte den Anspruch der Öffentlichkeit auf Zugang zu diesen Bewertungen geltend. Derzeit läuft das Verfahren noch, doch in diesem Jahr könnte es zu einer Entscheidung kommen, wie Kim Teppe auf Nachfrage der PZ erklärte. 

Laut Teppe berufen sich die Hersteller auf Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse. »Zudem ›gehört‹ das Umweltrisikowissen über ein Arzneimittel bisher weder Staat noch Gesellschaft, sondern vielmehr der Arzneimittelindustrie«, erläuterte sie gegenüber der Körber-Stiftung. Die Wissenschaftlerin konnte in ihrer Arbeit zeigen, dass Umweltrisikobewertungen von Arzneimitteln »Informationen über Emissionen im Sinne des Umweltinformationsrechts« sind– diese seien »unabhängig von etwaigen betroffenen Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen der Industrie auf Antrag zugänglich zu machen«, so die Juristin weiter. Das Verfahren läuft derzeit noch. Für ihre Dissertation zum Thema »Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse verhindern einen effektiven Schutz unserer Umwelt vor Arzneimittelrückständen« im Projekt Pharmcycle erhielt sie 2022 den Deutschen Studienpreis

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