Pharmazeutische Zeitung online
Preisunterschiede

Arzneimittelmangel trifft Frankreich härter als die Schweiz

In Frankreich sind die Regale in den Apotheken leer, in der Schweiz voll. Während die Franzosen die niedrigen Arzneimittelpreise für Versorgungsengpässe verantwortlich machen wollen, fordern die Schweizer das hohe Preisniveau im eigenen Land dringend abzusenken.
Jennifer Evans
18.01.2023  12:30 Uhr

In Frankreich ist es für Apotheken derzeit schwierig, das Breitbandantibiotikum Amoxicillin oder das Schmerzmittel Paracetamol zu bekommen, wie der französische Fernsehsender TF1 berichtete. Neben dem Problem von Lieferengpässen ist ein weiterer Grund für den aktuellen Engpass offenbar, dass kaum ein Franzose noch eine Maske trägt und die Infektionsraten dadurch in die Höhe schnellen. Zudem wirft die Pharmabranche der französischen Regierung in dieser Angelegenheit Untätigkeit vor.

Einige Pharmazeutinnen und Pharmazeuten im Land nutzen daher (wie hierzulande) laut TF1 ihr apothekeneigenes Labor und stellen die Mittel selbst her, um dringenden Anfragen nachzukommen. Ein Labor in der südfranzösischen Stadt Agen habe seine Produktion sogar inzwischen verdoppelt und laufe nun Tag und Nacht, heißt es. Die dort verwendeten Rohstoffe stammten allerdings aus den USA und nicht aus China. Die Kosten für diese Produktion ließen sich in Frankreich nur schwer amortisieren, zitiert TF1 den Unternehmer. Sein Efferalgan will er demnach künftig im Ausland verkaufen, weil die Preise in Frankreich zu niedrig sind.

Anders sieht es hingegen in Genf aus. Dort sind die Apothekenregale voll mit Paracetamol-Packungen, die dort aber für den doppelten Preis über den HV-Tisch gehen. Dem TF1-Bericht zufolge will die französische Regierung aber die Preise für Medikamente erst einmal nicht erhöhen, um die Bestände wieder aufzufüllen, sondern fährt eine andere – und langfristigere – Strategie. Wie der Fernsehsender berichtete, wollen die Franzosen die Arzneimittelproduktion wieder ins eigene Land verlagern, um sie unabhängiger vom Ausland zu machen.

Generika in der Schweiz extrem teuer

Umgekehrt sind die markanten Preisunterschiede zum EU-Ausland den Schweizern ein Dorn im Auge. Patentgeschützte Medikamente sind im europäischen Ausland durchschnittlich 8,8 Prozent günstiger als in der Schweiz. Und Originalpräparate, bei denen das Patent bereits abgelaufen ist, kosten im Ausland 15,4 Prozent weniger. Zu diesem Ergebnis kam im vergangenen Jahr ein Auslandpreisvergleich des Krankenkassenverbands Santésuisse und Interpharma, dem Interessenverband der forschenden Pharmaunternehmen in der Schweiz.

Die größten Preisdifferenzen finden sich allerdings im Bereich der Generika. Diese sind anderswo durchschnittlich fast 50 Prozent günstiger als in der Schweiz, bei den Biosimilars liegen die Schweizer gut 33 Prozent über dem Durchschnitt des europäischen Umfelds. Interpharm zufolge liegt das auch an den »massiven Verzögerung bei der Aufnahme innovativer Medikamente auf die Spezialitätenliste«. Der Verband schlägt daher »einen rückvergüteten Innovationszugang« vor. Santésuisse sieht ebenfalls die Politik in der Pflicht und plädiert für einen neuen Anlauf, um die überhöhten Preise auf das europäische Niveau abzusenken.

Grundlage für den inzwischen 13. Auslandpreisvergleich waren die Fabrikabgabepreise in der Schweiz von Anfang 2022. Diese stellten Santésuisse und Interpharma denjenigen aus Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Großbritannien, den Niederlanden, Österreich und Schweden für patentgeschützte und patentabgelaufene Originalpräparate sowie Generika und Biosimilars gegenüber.

Mehr von Avoxa