Arzneimittel im Entzug und danach |
Brigitte M. Gensthaler |
24.07.2020 08:00 Uhr |
Der Psychiater verwies auf die besondere Verantwortung der Apotheker bei der Beratung von Alkoholkranken nach einem Entzug. »Viele Patienten beschreiben, dass schon der Geschmack von Alkohol, zum Beispiel in einer Mundspüllösung, einem Medikament oder einer Weinsauce, ein Trigger für einen Rückfall war.« Der Suchtexperte empfahl, Betroffene auf den Alkoholgehalt von Arzneimitteln hinzuweisen. Dann könnten sie selbst entscheiden, ob sie dieses oder ein alkoholfreies Präparat nehmen möchten.
Apotheker sollten zudem hellhörig werden, wenn jemand häufiger alkoholhaltige Präparate kauft, zum Beispiel Melissengeist. »Fragen Sie den Kunden, wofür er dieses Mittel nimmt und bieten Sie Unterstützung an«, riet der Suchtexperte. Eventuell gebe es Alternativen für eine behandlungsbedürftige Störung wie Unruhezustände oder Schlafprobleme. Der Apotheker als Arzneimittelfachmann könne zudem im Gespräch die Grenzen der Selbstmedikation ausloten.
Alkohol ist in Deutschland nahezu überall verfügbar und der Konsum sozial anerkannt. Obwohl der Konsum seit Jahren langsam sinkt, zählt Deutschland international zu den Hochkonsumländern. Laut der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen trinkt durchschnittlich jeder Bundesbürger (ab 15 Jahren) 10,5 Liter Reinalkohol pro Jahr. 2018 hatten etwa 3 Millionen Erwachsene zwischen 18 und 64 Jahren eine alkoholbezogene Störung: 1,4 Millionen missbrauchten Alkohol und 1,6 Millionen waren abhängig. Etwa 74.000 Menschen sterben jedes Jahr durch Alkohol oder den kombinierten Konsum von Tabak und Alkohol.
Alkohol kann eine psychische und körperliche Abhängigkeit erzeugen. Diese wird in der Regel diagnostiziert, wenn während des letzten Jahres mindestens drei von sechs Kriterien der »Diagnostischen Leitlinien für das Abhängigkeitssyndrom« erfüllt sind:
Seit 1968 gilt Alkoholismus als Krankheit. Die Behandlung fällt seit 1978 in die Zuständigkeit der Krankenkassen und der Rentenversicherung.
Quelle: www.dhs.de/suchtstoffe-verhalten/alkohol.html