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Infektion

Arsentrioxid trickst Adenoviren aus

Arsentroxid ist für jeden Pharmazeuten gedanklich mit der Marshschen Probe verknüpft und wird seit Langem in der Leukämie-Behandlung eingesetzt. Münchner Virologen konnten jetzt zeigen, dass der Arzneistoff in vitro eine Infektion mit Adenoviren stoppen kann.
Brigitte M. Gensthaler
15.07.2020  13:00 Uhr

Humane Adenoviren (HAdV) können Bindehautentzündung, Magen-Darm-Beschwerden, Pneumonie oder eine Hepatitis auslösen. Bei gesunden Erwachsenen verläuft eine Infektion meist mild. Anders bei Menschen mit geschwächtem Immunsystem: Hier kann es zu schweren und sogar tödlichen Verläufen kommen. Bei Kindern nach einer Stammzelltransplantation liegt die Mortalität bei 80 Prozent. Bisher gibt es noch kein Medikament, das spezifisch gegen Adenoviren wirkt.

Ein Team um Privatdozentin Dr. Sabrina Schreiner vom Institut für Virologie der Technischen Universität München und des Helmholtz Zentrums München untersuchte, wie sich HAdV, von denen aktuell mehr als 85 verschiedene Varianten bekannt sind, in der Zelle vermehren. Dabei beobachteten die Virologen, dass sich die sogenannten PML-Kernkörperchen, ein intrazellulärer Komplex aus mehreren Proteinen, bei einer Infektion stark verändern. Die sonst runden Strukturen lösen sich auf und es entstehen langgezogene Fibrillen. »Es wird vermutet, dass die PML-Kernkörperchen eine antivirale Funktion haben«, erklärt Schreiner in einer Pressemeldung der TUM. »Die Viren zerstören die runden Strukturen der Proteinkomplexe und nutzen diese Manipulation der Zelle dann für die eigene Vermehrung.«

Einen ähnlichen Prozess beobachteten die Wissenschaftler auch bei Krebspatienten: Auch hier lösen sich die Strukturen der PML-Kernkörperchen auf. Wurden die Patienten jedoch mit Arsentrioxid behandelt, bildeten sich die runden Strukturen wieder zurück. »Es handelt sich bei Arsentrioxid um einen bekannten Wirkstoff, der zugelassen ist und in der Klinik zur Behandlung von Patienten mit akuter Promyelozytenleukämie eingesetzt wird«, informierte Schreiner.

Daher testeten die Virologen Arsentrioxid in HAdV-infizierten Zellkulturen. Mit Erfolg: Die PML-Kernkörperchen bildeten wieder runde Strukturen und die Viruskonzentration ging zurück. »Arsentrioxid blockierte die virale Proteinexpression und könnte sich als hoch potenter Wirkstoff bei lebensbedrohlichen Adenovirus-Infektionen erweisen«, heißt es in der Publikation im Fachmagazin »Advance Science«.

Die Virologin sieht einen großen Vorteil in diesem Wirkmechanismus: »Da das Virus keine direkte Wechselwirkung mit dem Wirkstoff hat, kann es keine Abwehrmechanismen entwickeln.« Im nächsten Schritt solle das Medikament bei mit Adenoviren infizierten Patienten eingesetzt werden.

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