Apotheker verfassen Brandbrief an die Politik |
Die Apotheken von »Verbund Starke Apotheke« kritisieren: Erst sind sie Helden in der Coronavirus-Krise genannt worden und jetzt würden sie von der Politik im Stich gelassen. / Foto: Screenshot
Am Sonntag wird das Insolvenzverfahren gegen das Düsseldorfer Abrechnungszentrum AvP eröffnet. Der Insolvenzverwalter Jan-Philipp Hoos räumte vor wenigen Tagen jedoch Zweifel ein, dass die Apotheken bald an ihr Geld kommen werden. In der Zwischenzeit plant die Bundesregierung, abgesehen von KfW-Krediten, keine zusätzlichen Hilfen für die betroffenen Apotheken, die unter finanziellen Existenznöten leiden.
Jetzt verfasste die Apothekerin Beatrice Guttenberger im Namen »aller Apotheken, die über Abrechnungszentren abrechnen« einen Brandbrief. Bereits wenige Tage nach der Firmenpleite wandte sich die Apothekerin bereits allein an Bayerns Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) mit einem wütenden Brief. Guttenberger selbst rechnete nicht mit AvP ab, sie setzt sich für ihren Bruder und weitere Kollegen ein, die von der AvP-Pleite direkt betroffen sind. Jetzt hat sie für einen Brandbrief 77 Apothekerkollegen um sich gesammelt. Die Idee des Briefs stammt aus einer Whatsapp-Gruppe, in der knapp 100 betroffene Apotheken Mitglied sind und die aufgrund der AvP-Pleite erstellt wurde, erklärte Guttenberger gegenüber der PZ. An die Bundeskanzlerin Angela Merkel, die Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) und Armin Laschet (CDU) sowie die Bundesminister Jens Spahn (CDU), Peter Altmaier (CDU) und Olaf Scholz (SPD) wendet sich nun der »Verbund Starke Apotheke« und eröffnet den Brief mit den Worten: »Wir sind enttäuscht, empört, fassungslos über Ihre Untätigkeit.«
Der Verbund kritisiert auf knapp zwei Seiten das Verhalten der Bundesregierung. In der Coronavirus-Krise wären die Apotheker erst »noch zu systemrelevanten Helden ernannt« worden, jetzt würden die betroffenen Apotheker im Stich gelassen. Der Brief betont, dass Apotheker zwar Kaufleute sind, allerdings eingebunden in Auflagen. Dazu zählen die Apotheker auch das Abrechnen via Apothekenrechenzentren. Aus diesem Grund sei jetzt »Solidarität« von denen gefordert, die für diese Auflagen verantwortlich sind.
Konkret fordert der Brief: »Das Mindeste, was wir aktuell erwarten, ist die Ausschüttung der zugesicherten Quote aus der AvP-Insolvenzmasse in Form eines Fonds.« Dies würde die Apotheker »enorm« entlasten. Fraglich ist jedoch, ob die Bundesregierung in ein laufendes Insolvenzverfahren eingreifen und diesen Wunsch ermöglichen kann. Auf das Angebot der KfW-Kredite, auf die die Bundesregierung mehrmals hinwies, reagiert der Verbund empört. Laut Brandbrief sind im neuen Verbund auch junge Apotheker, die noch keine Rücklagen haben und »unter der Last der Kredite zusammenbrechen.«
Darüber hinaus erklärt das Schreiben, dass es »moralisch richtig wäre« einen Rettungsschirm für die fehlenden Gelder einzurichten. Der Brief appelliert daran, dass es wichtig sei gerade den jungen Kollegen diesbezüglich Sicherheiten zu bieten und spielt damit auf den Trend an, dass viele junge Pharmazeuten lieber in der Industrie oder Forschung Geld verdienen als eine eigene Apotheke zu übernehmen oder aufzubauen.
Mehrfach betonen Guttenberger und ihre Kollegen, dass sie gerne die Sorgfaltspflichten als Apotheker ausführen und laden die Politiker in ihre Apotheken ein, um sich davon vor Ort ein Bild machen zu können. Der Brief endet mit der Aufforderung: »Handeln Sie jetzt« und die Bemerkung, dass sich der Verbund über eine Gelegenheit zum Gespräch freuen würde.
Der »Verbund Starke Apotheke« ist aktuell noch in der Gründungsphase, erklärte Guttenberger im Gespräch mit der PZ. Noch sei nicht klar, ob der Verbund etwa als Genossenschaft oder Verein ins Leben gerufen werden soll. Das Ziel sei aber eine gemeinsame Plattform für alle Apotheker zu schaffen, die sich in gemeinsamen Aktionen engagieren wollen. Sieben Gründungsmitglieder möchten mit dem Verbund demnach für mehr Aufmerksamkeit für die Belange der Apotheken sorgen. Denn von den Apothekerverbänden ist Guttenberger enttäuscht: »Wir bekommen keine Hilfe für gemeinsame Aktionen.«
Einen weiteren Brief schrieben der baden-württembergische Landesapothekerverband und die Landesapothekerkammer Ende September und wandten sich an ihren Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Die Grüne). Darin forderten sie die Prüfung von finanzieller Unterstützung der ungefähr 2400 betroffenen Apotheken in Baden-Württemberg.