Apothekensterben in England – 155 Betriebe zu |
Jennifer Evans |
04.11.2020 15:30 Uhr |
Dass einige englische Apotheken dem aktuellen Kostendruck nicht mehr Stand halten könnten, war dem »The Pharmaceutical Journal« zufolge bekannt. / Foto: Imago/Jürgen Schwarz
Im Jahr 2020 stehen den 154 Schließungen englischer Apotheken 19 Neueröffnungen entgegen. Die Daten, die der nationale Gesundheitsdienst National Health Service (NHS) Digital vor Kurzem veröffentlicht hatte, nahm das Fachblatt »The Pharmaceutical Journal« (PJ) genau unter die Lupe. Der Nettoverlust von 136 Offizinen entspricht demnach einem Zuwachs von 77 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitrum. Laut NHS Digital sind von den Schließungen 79 Apotheken der Kette Boots, neun von LloydsPharmacy und jeweils fünf von Well und Rowlands betroffen.
»Um zu überleben, haben die Apotheken das Unvermeidliche herausgezögert, indem sie zu wenig in ihr Unternehmen investierten und Vermögenswerte liquide machten«, zitiert das Fachblatt Leyla Hannbeck, Vorstandsvorsitzende der Association of Independent Multiple Pharmacies.
Ähnliches hatten bereits die Analysten des Wirtschaftprüfunternehmens Ernst and Young (EY) im September 2020 prognostiziert. Sie berechneten, dass bis zum Jahr 2024 in England 85 Prozent der Offizinen in Finanznöte kommen. Insbesondere vor einem Verlust von Betriebsstätten unter den Apotheken-Ketten hatte auch das Pharmaceutical Services Negotiating Committee (PSNC) gewarnt. Die Repräsentanten dieses Komitees verhandeln mit dem Gesundheitsministerium über die Belange der Apotheken vor Ort.
Damit nicht genug: Ein Gutachten zum sogenannten Community Pharmacy Framework Contract, über das heute das PJ berichtete, soll ebenfalls bereits auf den steigenden Kostendruck für die Apotheken hingewiesen haben. Die Vereinbarung aus dem Jahr 2019 zwischen dem Department of Health and Social Care (DHSC), dem NHS England und dem PSNC sichert den öffentlichen Apotheken in England jährlich eine Summe von rund 2,5 Milliarden Britische Pfund (gut 2,7 Milliarden Euro) vom Staat zu und gilt für einen Zeitraum von fünf Jahren.
Laut PJ-Bericht heißt es in dem Gutachten von 2019 bereits: »Es existiert das Risiko, dass die Einführung neuer Services, weitere Anforderungen sowie Veränderungen der aktuellen Marktsituation während es fünfjährigen Deals zu weiterem Kostendruck führen können.« Die Regierung sei also gewarnt gewesen, dass unter den Rahmenbedingungen des aktuellen Vertrags einige Apotheken künftig in Finanznöte geraten oder womöglich sogar schließen könnten, so das PJ.
Den Beleg dafür sieht das Fachblatt im Datum des Gutachtens, das mit dem 11. Juli 2019 datiert ist, kurz vor Veröffentlichung des vollständigen Rahmenplans am 22. Juli 2019. In dem Plan ist dann von der Einführung zusätzlicher Dienstleistungen in den Apotheken vor Ort die Rede – allerdings bei gleichbleibender staatlicher Förderung. Das Gutachten allerdings war laut PJ-Bericht aber zu dem Schluss gekommen, dass einige Offizinen ihre Betriebsstruktur aufgrund steigender Kosten verändern müssen, andernfalls drohe Betrieben in einigen Regionen das Aus.