AOKen machen Front |
Die AOKen fühlen sich bei den geplanten neuen Regelungen zur freien Kassenwahl außen vor. / Foto: Foto: imago/Niehoff
Wer den Wettbewerb für eine bessere Versorgung stärken wolle, müsse Kassen mehr Spielräume für regionale Lösungen mit Ärzten und Kliniken einräumen, sagte der Chef des AOK-Bundesverbands, Martin Litsch, am Mittwoch. Dem Minister falle aber nur ein, regionale Kassen »als maßgebliche Player platt zu machen«. Damit greife er bewährte föderale Strukturen an und schwäche auch massiv die Gesundheitsversorgung in der Fläche.
AOK-Chef Litsch kritisierte, die Pläne setzten einen einseitigen Fokus auf den Preiswettbewerb. »Einfach nur mehr Wechselmöglichkeiten für diejenigen zu schaffen, die vor allem an den Zusatzbeitrag denken und in günstigere Kassen abwandern wollen, ist noch lange nicht fair«. Dies zeige ein elitäres Wettbewerbsverständnis, das junge und gesunde Versicherte privilegiere. »Was aber bietet das Gesetz Menschen in unterversorgten Regionen, die chronisch krank sind und eine Krankenkasse als Ansprechpartner vor Ort brauchen?« Die Gebiete der elf selbstständigen AOKs entsprechen etwa den Ländern.
Um den Wettbewerb zwischen den Krankenkassen fairer zu gestalten, hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Montag einen Referentenentwurf vorgelegt. Das sogenannte Gesetz für eine faire Kassenwahl in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) soll Patienten freien Zugang zu allen Krankenkassen bundesweit ermöglichen. Die bisherigen gesetzlichen Regionalbegrenzungen der AOK, aber auch bestimmter Betriebskrankenkassen und Innungskrankenkassen will Spahn streichen. Dies soll Wahlmöglichkeiten für Versicherte und den Wettbewerb unter den Kassen erweitern. Geplant ist auch eine einheitliche Rechtsaufsicht.
Spahn hält es für einen Fehler, dass die Möglichkeit, die Krankenkasse frei zu wählen, noch immer eingeschränkt ist: »So stehen unter den zehn größten Krankenkassen lediglich vier bundesweit zum Beitritt offen«, schrieb der CDU-Politiker in einem am Sonntag veröffentlichten Gastbeitrag für das »Handelsblatt«. Zurzeit beschränke sich der Wettbewerb immer noch weitgehend auf den Preis, also den Zusatzbeitragssatz, so Spahn. »Das ist zu wenig.« Es sei schwer zu vermitteln, warum einem gesetzlich Versicherten attraktive Zusatzleistungen, bestimmte Wahltarife oder günstigere Beiträge verwehrt würden, weil er scheinbar am falschen Ort wohne.
Gleichzeitig will Spahn mit der Weiterentwicklung des Risikostrukturausgleichs (RSA) immer wieder kritisierte Wettbewerbsverzerrungen beseitigen. Insbesondere die Ersatzkassen sehen in dem jetzigen System eine Bevorzugung der AOKen. Denn die Kosten für Patienten in manchen strukturstarken Gegenden, wie um München, sind höher als etwa in strukturschwachen. Um dies aufzufangen, verlangen die Kassen seit längerem eine Regionalkomponente im Strukturausgleich. Dem will Spahn nun nachkommen. Zudem will er einen Risikopool einführen. Daraus sollen dann Kassen Gelder erhalten, die etwa durch besonders viele chronisch Erkrankte belastet werden, die kostspielige Medikamente brauchen.
Insbesondere die Ersatzkassen sehen in dem jetzigen System eine Bevorzugung der AOKen. Die neuen Regelungen dürften insbesondere denen entgegenkommen, die bereits bundesweit tätig sind. Jens Baas, Vorstandsvorsitzender der Techniker Krankenkasse (TK) erklärte: «Die Eckpunkte zeigen, dass der Gesundheitsminister die wesentlichen Probleme des RSA aufgreift und entschlossen ist, für Fairness im Wettbewerb der Kassen zu sorgen. Das Eckpunktepapier skizziert ein sinnvolles Gesamtkonzept.«
Christoph Straub, Vorstandschef der Barmer argumentierte: «Spahn setzt die richtigen Impulse für einen fairen Wettbewerb der Krankenkassen um die beste Versorgung der Versicherten. Vor allem mit der geplanten Einführung einer Regionalkomponente wird gewährleistet, dass die Beitragsgelder dort hinfließen, wo sie für die Versorgung der Patientinnen und Patienten tatsächlich benötigt werden.«
Der Vorstandsvorsitzende der KKH Kaufmännische Krankenkasse, Wolfgang Matz, erläuterte, der Minister verfolge das Ziel, endlich eine gerechtere Verteilung der Finanzmittel an die einzelnen Kassen zu gewährleisten. Ersatz-, Betriebs- und Innungskrankenkassen beklagen seit langem, dass der 2009 eingeführte Ausgleich einseitig die AOKen bevorteile.
Und der Vorstandsvorsitzende der DAK-Gesundheit, Andreas Storm, erklärte: «Nur durch eine umfassende Reform der Wettbewerbsordnung kann der solidarische Wettbewerb unter den gesetzlichen Krankenkassen auf eine neue und faire Grundlage gestellt werden. Die DAK, eine der größten gesetzlichen Kassen in Deutschland, begrüße eine bundesweite Öffnung und die damit verbundene bundesweite Aufsicht.
Die Betriebskrankenkassen äußerten sich ebenfalls lobend über Spahns Pläne. Damit würden Mängel im GKV-Finanzsystem angegangen und das »antiquierte Organisationsrecht der Krankenkassen« modernisiert, erklärte Franz Knieps, Vorstand des BKK-Dachverbands. »Damit kommen wir einem fairen und auf die Verbesserung der Versorgung ausgerichteten Wettbewerb der Krankenkassen ein gutes Stück näher.«
Über die gesetzlichen Kassen sind hierzulande rund 72 Millionen Menschen versichert, das entspricht 90 Prozent der Bevölkerung. Die 110 Kassen sind nach Angaben des Spitzenverbands als Körperschaften des öffentlichen Rechts finanziell und organisatorisch unabhängig. Seit 2015 beträgt der allgemeine Beitragssatz 14,6 Prozent und es wird ein Kassenindividueller Zusatzbeitrag von 0,2-1,7 Prozent erhoben.