Antikörper mit Blockbuster-Potenzial |
Sven Siebenand |
28.05.2019 12:04 Uhr |
Juckreiz ist eines der Symptome der atopischen Dermatitis, das die Betroffenen stark belastet. / Foto: iStockphoto/simarik
Die Neurodermitis wird auch als atopische Dermatitis bezeichnet und ist eine nicht ansteckende, immunvermittelte, chronische beziehungsweise chronisch-rezidivierende entzündliche Hauterkrankung. Die Lebensqualität der Patienten ist durch den Juckreiz und die Sichtbarkeit der betroffenen Stellen oft eingeschränkt. Gemäß der aktuellen Leitlinie wird die atopische Dermatitis in vier Stufen behandelt. Die vierte Stufe ist durch eine systemische Therapie definiert. Dafür war in Deutschland viele Jahre lang nur das Immunsuppressivum Ciclosporin A zugelassen.
Dupilumab ist eine neue Behandlungsoption bei erwachsenen Patienten im mittelschweren bis schweren Krankheitsstadium, die für eine systemische Therapie in Betracht kommen. Es ist der erste Antikörper in dieser Indikation. Er blockiert die α-Untereinheit des Interleukin (IL)-4-Rezeptors, die sowohl Teil des IL-4- als auch des IL-13-Rezeptors ist. Deshalb werden durch Dupilumab sowohl der IL-4- als auch der IL-13-Signalweg gehemmt.
Nach derzeitigem Kenntnisstand nehmen die beiden proinflammatorischen Interleukine IL-4 und IL-13 eine Schlüsselrolle in der Pathophysiologie der Erkrankung ein. So wurden unter anderem Polymorphismen bei Genen für IL-4 und IL-13 gefunden, die mit einem erhöhten Risiko für eine Neurodermitis-Erkrankung assoziiert werden konnten. Zudem korreliert bei Neurodermitis-Patienten die Expression von IL-4 und IL-13 mit der Aktivität der Erkrankung. Deshalb sind hohe Spiegel der Zytokine meistens während eines Krankheitsschubes zu finden. Die gleichzeitige Blockade von IL-4 und IL-13 ist deshalb ein geeignetes Target, um die Symptome der Neurodermitis zu bekämpfen. Die Zulassungsstudien belegen zum Beispiel, dass der Antikörper den Juckreiz lindert und das Hautbild der Patienten verbessert.
Dupilumab ist in der Erhaltungsphase alle zwei Wochen subkutan zu injizieren. Momentan darf die Substanz nur bei erwachsenen Neurodermitis-Patienten zum Einsatz kommen. Eine Ausweitung des Anwendungsgebietes ist aber gut möglich. In den USA darf der Antikörper bereits bei Jugendlichen ab zwölf Jahren zur Neurodermitis-Behandlung angewendet werden. Auch die Verwendung im pädiatrischen Bereich strebt der Hersteller an.
Zudem sieht es ganz danach aus, dass Dupilumab ein Blockbuster mit Zulassungen in vielen weiteren Indikationen werden kann. Erst kürzlich erteilte die Europäische Arzneimittelbehörde EMA dem Antikörper die Zulassung als Add-on-Therapie in der Indikation schweres Asthma mit einer Entzündung vom Typ 2 bei Erwachsenen und Jugendlichen ab zwölf Jahren. Dupilumab könnte zudem eine Indikation für die schwer kontrollierbare chronische Rhinosinusitis mit Nasenpolypen erhalten. In den USA wurde bereits ein Zulassungsantrag für dieses Einsatzgebiet eingereicht. Auch im Bereich eosinophile Ösophagitis sowie Lebensmittel- und Pollenallergien laufen klinische Studien. Bei chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) ist eine Studie in Planung.
Seit fast einem Vierteljahrhundert vergibt die Pharmazeutische Zeitung den PZ-Innovationspreis und würdigt damit das jeweils innovativste Arzneimittel eines Jahres. Beim diesjährigen Pharmacon-Kongress in Meran wird der Preis zum 25. Mal verliehen. Das Jubiläum nimmt die PZ zum Anlass, alle bisherigen Preisträger Revue passieren zu lassen und sie kritisch zu beleuchten. Ließen sie sich in den Therapiealltag integrieren? Haben sie neue Therapierichtungen induziert? Als Autoren fungieren die beiden PZ-Chefredakteure Professor Dr. Theo Dingermann und Sven Siebenand sowie Professor Dr. Manfred Schubert-Zsilavecz, Mitglied der externen PZ-Chefredaktion.