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Tierversuche

Antikörper als Nasenspray schützen vor Corona-Ansteckung

Die derzeit verfügbaren Impfstoffe induzieren eine systemische IgG-Antwort, die exzellent die Erkrankung Covid-19 verhindert. Vor einer SARS-CoV-2-Infektion schützen sie jedoch weniger. Die Hoffnung liegt hier auf nasal applizierten Impfstoffen, die eine mukosale Immunität in den Schleimhäuten des oberen Respirationstrakts über IgM induzieren sollen – auch gegen resistentere Virusvarianten.
Theo Dingermann
07.06.2021  18:00 Uhr

Auf dem Weg zu einer sterilen Immunität, die auch vor der Infektion schützt, ist einem Team um Erstautor Zhiqiang Ku vom UT-Health Texas Therapeutics Institute in Houston ein großer Schritt gelungen: Die Forscherinnen und Forscher konnten zeigen, dass IgM-Antikörper, die Mäusen nasal appliziert wurden, deutlich stärker am S-Protein von SARS-CoV-2 binden als die homologen IgG-Antikörper, die bei einer intramuskulären Impfung gebildet werden.

Die Arbeit, die jetzt in »Nature« publiziert wurde, lässt aufhorchen. Dort beschreiben Zhiqiang Ku und Kollegen die Optimierung eines Immunglobulin-M- (IgM-)neutralisierenden Antikörpers (IgM-14). IgM-14 scheint SARS-CoV-2 etwa 230-mal potenter neutralisieren zu können als der homologe IgG-14-Antikörper, der als Ausgangspunkt für die Weiterentwicklung diente. Zudem neutralisiert IgM-14 auch sehr potent resistente Virusvarianten, darunter die Varianten Alpha (B.1.1.7), Beta (B.1.351), Gamma (P.1) und Delta (B.1.617.2), sowie 21 andere RBD-Mutanten (Rezeptorbindedomäne), von denen viele resistent gegen therapeutische Antikörper sind, die zur Behandlung von Covid-19 eine Notfallzulassung erhalten hatten.

Ein Grund für diese wichtige Beobachtung könnte darin bestehen, dass IgM-Antikörper Multimere aus fünf oder sechs Einheiten mit jeweils zwei Bindungsstellen bilden. Sie können deshalb Viren und andere Erreger im Prinzip besser abfangen als IgG-Antikörper, die als Monomere nur zwei Bindungsstellen aufweisen. Andererseits sind IgM-Antikörper, die bei der Bildung dieser Molekülklassen ganz am Beginn der Reifungskaskade stehen und daher die Ausgangsstruktur für alle anderen Antikörper der gleichen Klasse (IgA, IgG, IgE, IgD) bilden, nicht die besten »Binder«, da die Reifung der Antikörper in diesem Fall alles andere als abgeschlossen ist.

Diesem Problem begegnen die texanischen Wissenschaftler dadurch, dass sie nicht etwa IgM-Antikörper isolieren, sondern diese durch gentechnische Manipulation eines gut bindenden IgG-Antikörpers in den entsprechenden IgM-Typ umwandeln.

Neben der multimeren Struktur und dem daraus folgenden Potenzial zur Antigenvernetzung bieten IgM-Antikörper einen weiteren Vorteil: Sie können lokal auf die Schleimhäute des oberen Respirationstrakts appliziert werden. Dort sucht auch SARS-CoV-2 seinen initialen Zugang im Rahmen einer Infektion, sodass die dort lokalisierten Antikörper ein ideales Abwehrsystem bilden und letztlich vor einer Ansteckung schützen. Das ist das Konzept zur Entwicklung von Impfstoffen, die eine sterile Immunität initiieren, sich der Geimpfte also gar nicht erst ansteckt.

Zhiqiang Ku und Kollegen konnten nun mit ihrer Arbeit an Mäusen zeigen, dass dieses Konzept zu tragen scheint. Die lokale Applikation speziell optimierter IgM-Antikörper schützte Mäuse vor einer Ansteckung mit SARS-CoV-2 mit der Folge, dass nach einer Exposition die Virusmenge in Nase und Lungengewebe deutlich gesenkt wurde. Eine Resorption in den systemischen Kreislauf fand nur in sehr geringem Ausmaß statt, was andeutet, dass das Konzept eines lokalen Schutzes sehr sicher zu sein scheint.

Natürlich möchte das Unternehmen den von ihm entwickelten Antikörper auch im Sinne einer passiven Immunisierung in den Markt bringen. Die ersten klinischen Studien sind für den Herbst geplant.

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