Pharmazeutische Zeitung online
Verjüngungskur gegen Corona

Antiaging für das Immunsystem

Antiaging-Wirkstoffe, die das Immunsystem verjüngen, könnten besonders bei Älteren nicht nur das Risiko für schwere Verläufe von Covid-19 senken, sondern auch die Wirksamkeit von Corona-Impfstoffen erhöhen. Entsprechende Ansätze werden derzeit in Studien geprüft.
Theo Dingermann
21.10.2020  18:25 Uhr

Es ist ein ganz bestimmter Aspekt des Alterns, der sich in diesen Zeiten der Corona-Pandemie so unerbittlich zeigt: Das Immunsystem verliert bei den Älteren an vielen Stellen ein Großteil seiner Schlagkraft. Fast alle Komponenten dieses wichtigen Abwehrsystems sind betroffen, entweder weil bestimmte Zellpools erschöpft sind (beispielsweise T-Zellen) oder weil sie zahlenmäßig schrumpfen (beispielsweise B-Zellen).

Als Konsequenz manifestiert sich bei älteren Menschen ein chronisches, niederschwelliges Entzündungsgeschehen. Dieses Phänomen wir als »Inflammaging« bezeichnet. Es beschleunigt den Prozess der Immunseneszenz mit der Folge, dass das Immunsystem schlechter auf Infektionen aber auch auf eine Impfung reagiert.

Antiaging-Wirkstoffe könnten aber nicht nur helfen, vor SARS-CoV-2-Infektionen zu schützen oder den Covid-19-Verlauf abzumildern. Sie könnten auch vor einer Impfung gegen das Coronavirus das Immunsystem auf Trab bringen, um die Wirksamkeit der Impfung zu erhöhen. Dieser Ansatz sei praktikabler – gerade in einer Pandemie – als spezielle Impfstoffe für Senioren zu entwickeln und diese auch zu verabreichen, sagte Professor Dr. Claire Chougnet vom Cincinnati Children‘s Hospital gegenüber »Nature«.

Das alternde Immunsystem in den Fokus zu nehmen, sei ein lohnendes Unterfangen – nicht nur in Bezug auf Covid-19, sondern auch auf eine Reihe anderer Krankheiten, darunter andere Virusinfektionen und sogar Krebs. Covid-19 habe nur noch einmal aufgezeigt, wie wichtig es wäre, einer Immunseneszenz etwas entgegenzusetzen.

Wirksamkeit von Covid-19-Impfstoffen bei Senioren

Im Juni gab die US-amerikanische Food and Drug Administration (FDA) bekannt, dass ein Covid-19-Impfstoff mindestens die Hälfte der geimpften Personen schützen müsse, um als wirksam zu gelten. Das ist schon recht niedrig angesetzt, doch bei älteren Menschen könnte die Effektivität noch schlechter ausfallen. Noch ist zur Wirksamkeit der Impfstoffkandidaten offiziell bei Älteren nichts bekannt. Grobe Abschätzungen lassen sich aber dennoch aus frühen klinischen Studien treffen.

  • Die Firma Moderna zeigte in einer Phase-I-Studie an 40 Personen im Alter von 56 Jahren und älter, dass der Impfstoff-Kandidat mRNA-1273 ähnlich hohe Antikörperspiegel induzierte wie bei einer jüngeren Probandengruppe.
  • Auch das chinesische Biotech-Unternehmen Sinovac erprobte seinen CoronaVac-Kandidaten in einer Phase-I/II-Studie an 421 Erwachsenen zwischen 60 und 89 Jahren und berichtete, dass dieser Impfstoff bei älteren Erwachsenen ebenso gut zu funktionieren scheint wie bei jüngeren.
  • Dagegen zeigte sich in einer Phase-I-Studie der Kooperation Pfizer/Biontech, dass deren Impfstoff BNT162b2 bei älteren Erwachsenen eine Immunantwort induziert, die nur etwa halb so stark ist wie die bei jüngeren Erwachsenen. Zwar produzierten auch die älteren Probanden deutlich mehr Antikörper als Covid-19-Patienten . Allerdings ist nicht bekannt, wie sich diese Werte auf den Schutz vor dem Virus auswirken.

Sollte sich der Verdacht bestätigen, dass Covid-19-Impfstoffe bei älteren Erwachsenen weniger gut wirksam sind als bei jüngeren, müsste nach Wegen zur Lösung dieses Problems gesucht werden.

  • Dazu könnten man beispielsweise den Impfstoffen für Ältere ein Adjuvans zusetzen .
  • Man könnte auch in Erwägung ziehen, bei Senioren höhere Dosen des Antigens zu verimpfen.
  • Die dritte Idee ist, das generelle Ansprechen älterer Menschen auf Impfstoffe dadurch zu verbessern, dass man versucht, deren alterndes Immunsystem einer »Verjüngungskur« zu unterziehen.

Dieser letzte Aspekt ist aktuell in dem Artikel  »Wie Anti-Aging-Medikamente Covid-Impfstoffe bei älteren Menschen verstärken könnten« im Fachjournal »Nature« beschrieben. 

Für immer jung dank mTOR-Hemmern

Schon seit Längerem versucht eine steigende Zahl von Forschern und die von ihnen gegründeten Startups, Wege zur Umkehr des Alterungsprozesses zu entdecken. Etliche Zielstrukturen wurden in den vergangenen Jahren identifiziert, die als molekulare Targets für Interventionsstrategien geeignet sein könnten. Über diese Entwicklung hat auch die Pharmazeutische Zeitung berichtet.

Eine Klasse von Antiaging-Entwicklungskandidaten zielt darauf ab, das Zellwachstum zu modulieren. Etliche dieser Wirkstoffe hemmen die Aktivität der Serin/Threonin-Kinase mTOR. Im Labor führt die Hemmung dieses Steuerproteins zu einer teils deutlichen Lebensverlängerung von Tieren, darunter die Fruchtfliege oder die Maus.

In einer 2018 in »Science Translational Medicine« veröffentlichten Studie konnte gezeigt werden, dass eine Hemmung des mTOR-Signalwegs sich positiv auf Alterungsprozesse auswirkt und für ältere Menschen positive Effekte zeigt, einschließlich einer Verbesserung der Immunfunktion und einer Verringerung der Infektionsraten.

Dazu erhielten 264 Probanden sechs Wochen lang eine niedrigdosierte Kombination aus einem katalytischen (BEZ235) und einem allosterischen (RAD001) mTOR-Inhibitor. Dadurch wurde auch der Rapamycin-Komplex 1 (TORC1) stromabwärts von mTOR selektiv gehemmt.

Zudem erwies sich die Anwendung als sicher, und es zeigte sich ein statistisch signifikanter Rückgang der Infektionsrate bei den älteren Probanden während eines Jahres nach Beginn der Einnahme der Studienmedikation. Auch zeigten die Probanden eine verbesserte Reaktion auf den damals aktuellen saisonalen Grippeimpfstoff.

Auf der Grundlage dieser Arbeiten wurde 2019 eine Phase-III-Studie initiiert, um zu prüfen, ob ein ähnlicher mTOR-Hemmer namens RTB101 Atemwegserkrankungen bei älteren Erwachsenen verhindern kann. Diese Studie zeigte nicht die erwünschte Wirkung.

Und dennoch legten die Daten aus dieser und einer früheren Studie nahe, dass Menschen, die den mTOR-Inhibitor erhalten, weniger schwer an Covid-19 erkranken und sich auch schneller von der Krankheit erholen könnten. Diese Annahme prüft der Hersteller resTORbio zusammen mit der Brown University in Providence, Rhode Island, seit Ende Mai in einer Phase-III-Studie mit 550 Pflegeheimbewohnern im Alter von 65 Jahren und älter.

RTB101 ähnelt einem bereits zugelassenen mTOR-Hemmer, dem Immunsuppressivum Rapamycin. Mindestens vier weitere Forschergruppen testen Rapamycin (Sirolimus) an einer kleinen Zahl von Infizierten als mögliche Covid-19-Therapie; eine dieser Gruppen erprobt das Medikament ausschließlich an Erwachsenen im Alter von 60 Jahren und darüber.

Metformin gegen Immunseneszenz und Covid-19

Auch das Antidiabetikum Metformin inhibiert mTOR, wenn auch indirekt. Einige Studien deuten darauf hin, dass Menschen, die mit Metformin behandelt werden, weniger schwere Covid-19-Verläufe haben und auch seltener sterben.

Eine kleine retrospektive Studie in China ergab, dass die Mortalität unter hospitalisierten Covid-19-Patienten, die Metformin einnahmen, 2,9 Prozent betrug, verglichen mit 12,3 Prozent bei Patienten, die das Medikament nicht einnahmen.

Forscher an der Universität von Minnesota in Minneapolis analysierten Daten von hospitalisierten Covid-19-Patienten mit einem Durchschnittsalter von 75 Jahren, von denen einige Metformin gegen Adipositas oder Diabetes einnahmen. Diese Wissenschaftler fanden eine signifikante Reduktion der Mortalität bei den weiblichen, nicht jedoch bei den männlichen Patienten.

Offensichtlich sind Diabetes und Adipositas mit ähnlichen Immundefiziten assoziiert wie ein hohes Alter. Diese Hypothese scheint es zu rechtfertigen, weitere größere Studien zu planen, um zu klären, ob eine Metformin-Einnahme vor einer Infektion oder einem schweren Verlauf von Covid-19 schützt.

Derzeit wird auch untersucht, ob Metformin die Reaktion auf einen Grippeimpfstoff verstärken könnte. Diese Hypothese leitet sich aus Arbeiten an Mäusen ab, die gezeigt haben, dass Metformin den Energiestoffwechsel der T-Zellen des Immunsystems verbessern kann. Dies könnte sich funktionell positiv auswirken. Zwar wurde die Datenerhebung dieser interessanten Studie bereits abgeschlossen. Allerdings verzögert sich Pandemie-bedingt die endgültige Auswertung der Ergebnisse.

Senolytika aus der Erdbeere als Infektionsschutz

Eine weitere interessante Gruppe von Wirkstoffen zur Verlangsamung der Immunseneszenz sind die sogenannten Senolytika. Diese zielen darauf ab, Zellen aus dem Körper zu eliminieren, die zwar noch nicht abgestorben sind, die aber auch nicht mehr produktiv arbeiten. Diese seneszenten Zellen entfernt in der Regel das Immunsystem. Das alternde Immunsystem versagt hier aber. Das hat fatale Konsequenzen, denn die seneszenten Zellen produzieren immer noch Entzündungsmediatoren.

Im September startete ein Team der Mayo Clinic in Rochester eine Phase-II-Studie mit 150 Personen, um zu testen, ob ein senolytischer Wirkstoff namens Fisetin, der in Erdbeeren vorkommt und in manchen Nahrungsergänzungsmitteln enthalten ist, die Schwere von Covid-19 bei älteren Menschen positiv beeinflussen könnte. Außerdem soll getestet werden, ob Fisetin Bewohner von Pflegeheimen zumindest teilweise vor SARS-CoV-2-Infektionen schützt.

Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
 
FAQ
SENDEN
Wie kann man die CAR-T-Zelltherapie einfach erklären?
Warum gibt es keinen Impfstoff gegen HIV?
Was hat der BGH im Fall von AvP entschieden?
GESAMTER ZEITRAUM
3 JAHRE
1 JAHR
SENDEN
IHRE FRAGE WIRD BEARBEITET ...
UNSERE ANTWORT
QUELLEN
22.01.2023 – Fehlende Evidenz?
LAV Niedersachsen sieht Verbesserungsbedarf
» ... Frag die KI ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln. ... «
Ihr Feedback
War diese Antwort für Sie hilfreich?
 
 
FEEDBACK SENDEN
FAQ
Was ist »Frag die KI«?
»Frag die KI« ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums versehen, in denen mehr Informationen zu finden sind. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung verfolgt in ihren Artikeln das Ziel, kompetent, seriös, umfassend und zeitnah über berufspolitische und gesundheitspolitische Entwicklungen, relevante Entwicklungen in der pharmazeutischen Forschung sowie den aktuellen Stand der pharmazeutischen Praxis zu informieren.
Was sollte ich bei den Fragen beachten?
Damit die KI die besten und hilfreichsten Antworten geben kann, sollten verschiedene Tipps beachtet werden. Die Frage sollte möglichst präzise gestellt werden. Denn je genauer die Frage formuliert ist, desto zielgerichteter kann die KI antworten. Vollständige Sätze erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer guten Antwort.
Wie nutze ich den Zeitfilter?
Damit die KI sich bei ihrer Antwort auf aktuelle Beiträge beschränkt, kann die Suche zeitlich eingegrenzt werden. Artikel, die älter als sieben Jahre sind, werden derzeit nicht berücksichtigt.
Sind die Ergebnisse der KI-Fragen durchweg korrekt?
Die KI kann nicht auf jede Frage eine Antwort liefern. Wenn die Frage ein Thema betrifft, zu dem wir keine Artikel veröffentlicht haben, wird die KI dies in ihrer Antwort entsprechend mitteilen. Es besteht zudem eine Wahrscheinlichkeit, dass die Antwort unvollständig, veraltet oder falsch sein kann. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung übernimmt keine Verantwortung für die Richtigkeit der KI-Antworten.
Werden meine Daten gespeichert oder verarbeitet?
Wir nutzen gestellte Fragen und Feedback ausschließlich zur Generierung einer Antwort innerhalb unserer Anwendung und zur Verbesserung der Qualität zukünftiger Ergebnisse. Dabei werden keine zusätzlichen personenbezogenen Daten erfasst oder gespeichert.

Mehr von Avoxa