Anti-CD38-Antikörper im Test |
Sven Siebenand |
12.08.2024 13:00 Uhr |
Die Antikörper-vermittelte Abstoßung ist eine bekannte Ursache für das Versagen von Organtransplantaten. Bisher steht keine Behandlung zur Verfügung, mit der diese Komplikation nachhaltig bekämpft werden könnte. / Foto: Imago Images/epd
Zu einer Antikörper-vermittelten Abstoßungsreaktion (Antibody-Mediated Rejection, AMR) kommt es, wenn das Immunsystem eines Organempfängers erkennt, dass das Transplantat fremde HLA-Eigenschaften aufweist und infolgedessen Antikörper gegen dieses entwickelt. Die Folge davon kann ein Funktionsverlust des Organs sein, was eine erneute Dialysetherapie oder die Notwendigkeit einer weiteren Transplantation nach sich ziehen kann. AMR zu behandeln, ist daher nicht nur für die Gesundheit der Patienten, sondern auch für den effizienten Einsatz der ohnehin knapp verfügbaren Spenderorgane essenziell.
Therapieoptionen wie die intravenöse Gabe von Immunglobulinen, Plasmapherese oder der Einsatz des Anti-CD20-Antikörpers Rituximab erzielen zwar Teilerfolge, aber keine zufriedenstellenden Langzeitergebnisse. Es gibt daher eindeutig einen medizinischen Bedarf für bei AMR zugelassene Therapeutika.
In der Vergangenheit wurden unter anderem der Proteasomen-Inhibitor Bortezomib, der Komplement-Inhibitor Eculizumab und der IL-6-Antikörper Clazakizumab bei AMR getestet – ohne den gewünschten Erfolg zu erzielen. Der IL-6-Rezeptor-Antikörper Tocilizumab wird aktuell in einer Studie erprobt.
Einen anderen Wirkmechanismus weisen gegen das Glykoprotein CD38 gerichtete Antikörper auf. CD38 befindet sich auf der Oberfläche vieler Immunzellen. Die Depletion bösartiger Plasmazellen mit Anti-CD38-Antikörpern wie Isatuximab und Daratumumab ist für die Behandlung des multiplen Myeloms zugelassen. CD38 hat sich aber auch als vielversprechendes therapeutisches Ziel bei AMR herauskristallisiert, um die Depletion von Plasmazellen, die donorspezifische Antikörper produzieren, und von natürlichen Killerzellen, die vermutlich für mikrovaskuläre Entzündungen entscheidend sind, herbeizuführen. Sowohl Isatuximab als auch Daratumumab sollen bei AMR in Studien getestet werden – der erste Antikörper bei Lungentransplantierten, der zweite bei Nierentransplantierten.
Ebenfalls bei Nierentransplantierten mit AMR wurde ein neuer noch nicht zugelassener Anti-CD38-Antikörper in einer Phase-II-Studie getestet: Felzartamab. Die Ergebnisse sind im »New England Journal of Medicine« veröffentlicht.
In die placebokontrollierte Studie wurden 22 nierentransplantierte Patienten mit AMR aufgenommen. Die Verumgruppe erhielt in den ersten vier Wochen wöchentlich eine Infusion mit Felzartamab (16 mg/kg Körpergewicht), danach eine Infusion pro Monat. An die sechsmonatige Behandlungsphase schloss sich eine ebenso lange Beobachtungsphase an. Im primären Endpunkt wurde auf Sicherheit und das Nebenwirkungsprofil des neuen Antikörpers geschaut. Die Studienautoren kommen zu dem Schluss, dass es keine Evidenz für das Auftreten schwerer Nebenwirkungen gibt.
Zu den sekundären Endpunkten zählten unter anderem die Ergebnisse von Nierenbiopsien nach 24 und 52 Wochen. Bei der ersten Kontrollbiopsie zeigten sich bei neun von elf Patienten (82 Prozent) im Felzartamab-Arm morphologische Hinweise auf eine Rückbildung der AMR. Dies war in der Placebogruppe nur bei zwei von zehn Patienten zu beobachten (20 Prozent). Auch ein molekularer Score, der die Wahrscheinlichkeit einer AMR angibt, war im Vergleich zur Placebogruppe niedriger (0,17 versus 0,77). Bei drei der neun Patienten, die zunächst auf Felzartamab angesprochen hatten, zeigte sich in Woche 52 ein Wiederauftreten der AMR, was ein Hinweis darauf sein kann, dass eine regelmäßige Therapie mit dem Antikörper nötig ist.
Größere Studien müssen nun überprüfen, ob dem so ist und ob es dadurch möglicherweise negative Effekte gibt. Denn eine Anti-CD38-Therapie kann auch andere Zelltypen beeinträchtigen, etwa regulatorische T-Zellen. Das könnte die Patienten dann wiederum für eine T-Zell-vermittelte Abstoßung prädisponieren.
In einer Pressmitteilung der Medizinischen Universität Wien äußert sich der Seniorautor der Publikation, Professor Dr. Georg A. Böhmig, aber optimistisch. Die Erkenntnisse gäben Anlass zur Hoffnung, dass Felzartamab auch der Abstoßung von anderen Spenderorganen wie Herz oder Lunge entgegenwirken könnte. Auch Xenotransplantationen von genetisch modifizierten Schweineorganen könnten dadurch vielleicht weiter in den Bereich des Möglichen rücken, so der Mediziner.