Alte Erkrankung mit vielen Unbekannten |
Brigitte M. Gensthaler |
24.01.2020 17:00 Uhr |
Wird eine Lepra-Erkrankung nicht rechtzeitig behandelt, können bleibende Behinderungen entstehen. Von den 2018 neu registrierten Lepra-Patienten hatten 6 Prozent bereits schwere Behinderungen. / Foto: DAHW/Mario Schmitt
Lepra ist wenig ansteckend, relativ einfach zu diagnostizieren, mit einer Medikamenten-Kombination heilbar und die Medikamente gibt es kostenlos für Betroffene. Und dennoch sorgt die Erkrankung in vielen armen Ländern der Welt für Angst und Schrecken.
Laut der Weltgesundheitsorganisation WHO, die die Lepra zu den 20 vernachlässigten Tropenkrankheiten (Neglected Tropical Diseases, NTD) zählt, wurden 2018 knapp 209.000 neue Fälle in 127 Ländern der Welt registriert, allen voran in Indien, Indonesien und Brasilien. Im Vergleich zu 2009 entspricht das immerhin einem Rückgang von 15 Prozent. Dennoch werden die Triple-Zero-Ziele der globalen Lepra-Strategie der WHO (keine Ansteckung – keine Behinderung – keine Diskriminierung) 2020 verfehlt, schreibt das Robert-Koch-Institut (RKI) im aktuellen Epidemiologischen Bulletin.
In Europa gilt die Lepra als ausgerottet. 95 Prozent aller Neuerkrankungen traten laut WHO in Ländern des »globalen Südens« auf; die Erkrankung gilt klar als armutsassoziiert. Viele Patienten werden nach wie vor erst dann entdeckt, wenn die Infektion bereits zu Behinderungen geführt hat. 2018 waren das rund 11.000 Menschen, darunter mindestens 350 Kinder.
Die Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe (DAHW) sieht die WHO-Statistik kritisch und vermutet eine hohe Dunkelziffer. Viele Menschen verheimlichten ihre Erkrankung aus Angst vor Stigmatisierung und sozialer Ausgrenzung oder hätten gar keinen Zugang zu Diagnostik und medizinischer Behandlung – sei es wegen einer (leprabedingten) Behinderung oder fehlender Infrastrukturen in der Gesundheitsversorgung. In etlichen Ländern gebe es auch noch diskriminierende Gesetze gegen Leprakranke. Zudem hielten manche Regierungen die nationalen Statistiken unter Verschluss oder führten keine verlässlichen Register oder es fehlten funktionierende Kontrollprogramme, um alle Patienten zu erfassen, moniert die DAHW.
Lepra ist eine der ältesten bekannten Krankheiten in der Menschheitsgeschichte. Der Erreger Mycobacterium leprae wurde 1873 von dem norwegischen Arzt Gerhard Armauer Hansen entdeckt. Dennoch ist die »Hansen's Disease«, wie sie international genannt wird, bis heute nicht umfassend erforscht. So ist es bislang nicht gelungen, das Mycobakterium auf Kulturböden zu züchten. Und es gibt noch keinen etablierten Lepra-Impfstoff.
Der vom Infectious Disease Research Institute in Seattle entwickelte Subunit-Impfstoff LepVax soll in einer randomisierten Placebo-kontrollierten Phase-1b/2a-Studie in Brasilien geprüft werden. Auch der Ansteckungsweg ist nicht genau bekannt. Die WHO hat Lepra als Tröpfcheninfektion klassifiziert. Doch der Kontakt zu einem erkrankten Menschen muss eng und längerfristig sein; eine Berührung allein führt nicht zu einer Infektion.
Ähnlich wie der Tuberkulose-Erreger ist Mycobacterium leprae ein säurefestes, grampositives Stäbchen, das sich langsam vermehrt. Die Inkubationszeit beträgt im Durchschnitt drei bis vier Jahre, kann aber auch bis zu 30 Jahre betragen. Infizierte können den Erreger jedoch verbreiten, bevor sich die Krankheit klinisch manifestiert (sogenannte Silent Transmitters).