Alles beginnt im Darm |
Besonders in den ersten Lebensjahren scheint die enterale Mikrobiota für Störfaktoren sensibel zu sein. Vermutlich entwickeln sich die Enterotypen bezüglich ihrer Diversität bis zum dritten Lebensjahr. Und in dieser Zeit scheint das Zusammenspiel von Immunsystem und Darmbakterien sehr prägend zu sein. Klinische Studien dokumentieren, dass Antibiotika – eine fünftägige Antibiotikaeinnahme dezimiert die Darmflora um 30 Prozent – in den ersten sechs Lebensmonaten mit einem erhöhten Risiko für Allergien, Asthma oder Ekzemen im Kindesalter verbunden ist. Ein ähnlicher Zusammenhang konnte für die Antibiotikaeinnahme im ersten Lebensjahr und der Entwicklung einer entzündlichen Darmerkrankung gezeigt werden, gleiches gilt für Übergewicht und Typ-2-Diabetes.
Die Gabe von Probiotika scheint auch ein vielversprechender Ansatz in der Therapie von Pollenallergikern zu sein. So zeichnete etwa die Europäische Stiftung für Allergieforschung (ECARF) an der Charité das Präparat Pollagen® – ein Nahrungsergänzungsmittel, das Lacto- und Bifidobakterien sowie prebiotische Fructo-Oligosaccharide enthält – mit dem ECARF-Qualitätssiegel für Allergikerfreundlichkeit aus.
»Nach unseren Untersuchungen ist es möglich, durch die perorale Zufuhr lebender Bakterien die Symptomatik bei Gräserpollen-Allergikern zu beeinflussen – und zwar positiver als noch vor ein paar Jahrzehnten gedacht«, sagte Professor Dr. Karl-Christian Bergmann in seiner Funktion als klinischer Studienleiter der ECARF-Stiftung bei der jüngsten Pressekonferenz. Die Symptomlinderung durch eine dreiwöchige Einnahme scheine längerfristig zu sein. Noch Monate später hätten die Studienteilnehmer von der Einnahme des Probiotikums profitiert, sagte der Allergologe.
Privat beauftragte Mikrobiomanalysen per Stuhltests seien zu oberflächlich und nicht zweifelsfrei interpretierbar. Deshalb rät die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) von kommerziellen Mikrobiomtests ohne ärztliche Beratung ab.
Ein aktuell in »Science« publiziertes Paper belegt: Viele der von den Unternehmen behaupteten Fähigkeiten, von der Norm abweichende Mikrobiome erkennen zu können, sind nicht durch Forschungsergebnisse gestützt. Vor dem Hintergrund, dass »derzeit keine Einigkeit darüber besteht, was eine gesunde Zusammensetzung des menschlichen Mikrobioms in einer Bevölkerung oder Bevölkerungsgruppe ausmacht«, sei mit den Tests eine kommerzielle Ausnutzung von Verbrauchern zu befürchten, schreibt die US-amerikanische Forschungsgruppe. In der Tat: Bei ihren Recherchen fanden die Wissenschaftler weltweit 31 kommerzielle Anbieter, von denen rund die Hälfte eigene Nahrungsergänzungsmittel aufgrund ihrer Testergebnisse empfehlen.
Um Verbraucher vor Schaden durch irreführende Testergebnisse zu schützen, sollten Regulierungsbehörden Anforderungen entwickeln, um die Konsistenz und Validität von Methoden und Behauptungen zu dokumentieren und nachzuweisen. Die Studie empfiehlt, dass Unternehmen ihre Testmethoden offenlegen und die analytische Gültigkeit ihrer Tests nachweisen müssen.