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Apotheken-Stärkungsgesetz

Ärzte sehen keinen Mehrwert in pharmazeutischen Dienstleistungen

Die Ärzte halten wenig von den Plänen der Politik, pharmazeutische Dienstleistungen der Apotheker künftig zu honorieren. Sie fürchten ein Gerangel um Kompetenzen und die Mittel der Krankenkassen. Die AOK möchte die Arbeit der Apotheker derweil ohnehin nicht pauschal besser bezahlen.
Stephanie Schersch
15.09.2020  15:00 Uhr
Ärzte sehen keinen Mehrwert in pharmazeutischen Dienstleistungen

Für die Apotheker wäre es ein großer Schritt: In Zukunft sollen sie erstmals ein Honorar für bestimmte pharmazeutische Dienstleistungen bekommen. So zumindest ist es im Entwurf des Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetzes (VOASG) geplant, über das morgen der Gesundheitsausschuss im Bundestag beraten wird. Apotheker und Krankenkassen sollen auf Bundesebene demnach verhandeln und entsprechende Leistungen vereinbaren. Insgesamt 150 Millionen Euro sollen dafür jährlich zur Verfügung stehen, finanziert über eine zusätzliche Pauschale von 20 Cent pro abgegebener Rx-Packung.

In der Ärzteschaft stößt das Vorhaben allerdings auf deutliche Kritik. Dort sieht man vor allem die Gefahr, »dass originär ärztliche Leistungen in den Bereich der Apotheke verlagert werden«, wie die Kassenärztliche Bundesvereinigung in einer Stellungnahme zum VOASG schreibt. Dabei verweisen die Mediziner auf Aufgaben wie Medikationsanalyse und-management, für die Apotheker aus ihrer Sicht zu wenig Fachkenntnis mitbringen. So lägen den Pharmazeuten kaum Informationen über Begleiterkrankungen oder Laborbefunde des Patienten vor. »Ohne diese Kenntnisse und die zur Beurteilung notwendige ärztliche Expertise ist eine sinnvolle Interpretation und Einordnung der Arzneimitteltherapie der Versicherten jedoch nicht möglich«, schreibt die KBV.

Ärzte sehen Adhärenz in Gefahr

So könnte der Apotheker in der Verordnung des Arztes etwa ein vermeintliches Risiko sehen, das im konkreten Fall jedoch mit Blick auf weitere Befunde von untergeordneter Bedeutung ist oder vom Arzt bewusst in Kauf genommen werden musste. Informiere der Apotheker den Patienten über diese Bedenken, führe das lediglich zu Verunsicherung und einer schlechteren Adhärenz. Die Kommunikation mit dem Arzt über das scheinbare Risiko bedeute zudem mehr Bürokratie. »Mit der Einführung dieser pharmazeutischen Dienstleistungen in der vorliegenden Form ist daher kein wesentlicher Beitrag zur Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit verbunden.« Aus Sicht der KBV macht die Einbindung der Apotheker in das Medikationsmanagement lediglich dann Sinn, wenn es eine klare Aufgabenteilung zwischen Arzt und Apotheker gibt, so wie es etwa beim Modellprojekt ARMIN in Sachsen und Thüringen der Fall ist. Im Entwurf des VOASG allerdings fehlten entsprechende Vorgaben.

Wenig Erfolg verspricht nach Meinung der Mediziner auch die Erhebung von Gesundheitsparametern wie Blutdruck und Cholesterinwerten durch Apotheker. Dies führe lediglich »zu einer Doppelerbringung und Doppelhonorierung von Leistungen ohne einen relevanten Mehrnutzen«. Ein Dorn im Auge ist den Ärzten darüber hinaus die geplante Finanzierung der Leistungen über eine zusätzliche Pauschale pro Packung. Schließlich belaste eine solche Regelung das ohnehin bereits angespannte Arzneimittelbudget der Mediziner. Dies habe somit eine »nicht sachgerechten Verschärfung des Wirtschaftlichkeitsrisikos« zur Folge, so die KBV. Insbesondere bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist die Beweislage jedoch groß, dass die Dienstleistungen von Apothekern zur Senkung der Mortalitätsrate sowie zur Steigerung der Lebensqualität von Betroffenen beitragen können.

Auch bei den Krankenkassen stößt die Vorstellung zusätzlich honorierter Dienstleistungen auf wenig Gegenliebe. Aus Sicht der AOK geht das Vorhaben am konkreten Bedarf der Versicherten vorbei. »Im Ergebnis dürfte mit der Regelung vielmehr eine Versorgung von Apotheken als die von Versicherten im Vordergrund stehen«, schreibt der AOK-Bundesverband in einer Stellungnahme. Zudem erwarten die Ortskrankenkassen mit Verweis auf den Fachkräftemangel ein regional sehr unterschiedliches Angebot der Dienstleistungen. »Hier über eine Erweiterung des Leistungsportfolios Versicherten Ansprüche in Aussicht zu stellen, die sie gegebenenfalls nicht eingelöst bekommen, leistet einer Benachteiligung von Versicherten möglicherweise gerade an den Orten Vorschub, an denen eine Verbesserung der Versorgung in besonderem Maße erforderlich ist.«

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