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Lauterbach-Sparpläne

Ärzte schließen Praxen wegen geplanter Bonus-Streichung

Seit 2019 werde Kassenärzte für die Aufnahme von Neupatienten extrabudgetär vergütet. Das soll nun wieder abgeschafft werden, so sieht es der Kabinettsentwurf zum GKV-Finanzstabilisierungsgesetz vor. Alle Akteure im Gesundheitsweisen müssten ihren Beitrag leisten, um die schwer defizitären Krankenkassen zu entlasten. Dagegen laufen die Ärzte Sturm und protestieren am heutigen Mittwoch in Berlin mit geschlossenen Praxen.
Cornelia Dölger
07.09.2022  17:30 Uhr
Ärzte schließen Praxen wegen geplanter Bonus-Streichung

Die Krankenkassen sind schwer in Geldnot. Um das erwartete 17-Milliarden-Euro-Loch zu stopfen, will Bundesgesundheitsminister Professor Karl Lauterbach (SPD) neben der Pharmaindustrie etwa auch Apotheker und Ärzte zum Sparen verdonnern; das entsprechende GKV-Finanzstabilisierungsgesetz wurde im Juli von der Bundesregierung beschlossen und wird Ende kommender Woche erstmalig im Bundesrat besprochen werden. Dieser kann es zwar nicht blockieren, aber Gegenposition beziehen und an den Bundestag appellieren.

Vor dem Termin gibt es insbesondere in dieser Woche einigen Protest seitens der Leistungserbringer – besonders die Ärzteschaft geht auf die Barrikaden, weil ihnen mit dem Spargesetz eine seit 2019 gewährte Zusatzvergütung gestrichen werden soll: die mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) eingeführte Neupatientenregelung, nach der Ärzte für die Aufnahme neuer Patienten eine extrabudgetäre Vergütung in voller Höhe erhalten. So hat die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Berlin Niedergelassene für den heutigen Mittwoch dazu aufgerufen, an einer Online-Fortbildung zum »GKV-Finanzstabilisierungsgesetz und seine Folgen« teilzunehmen – und zu diesem Zweck die Praxis zu schließen.

Patienten von rund 2000 Praxen in Berlin müssen demnach heute auf einen Arztbesuch verzichten, Notdienstpraxen seien eingerichtet, heißt es auf der Homepage der Berliner KV. Die große Resonanz zeige, wie ernst die Lage in den Praxen sei, sagte die Vorsitzende der KV-Vertreterversammlung, Christiane Wessel, der Nachrichtenagentur dpa zum Auftakt des Protesttags in einer HNO-Praxis in Charlottenburg. Eine Streichung der Regelung würde für die Arztpraxen finanzielle Einbußen bedeuten. HNO-Ärztin Kerstin Zeise wies darauf hin, dass die niedergelassenen Ärzte mit der Einführung der Regelung 2019 zugestimmt hätten, fünf zusätzliche Sprechstunden pro Woche anzubieten. »Wir erwarten von der Politik, dass sie diese Steigerung würdigt und entsprechend vergütet.« Berlins KV-Vorsitzender Burkhard Ruppert ergänzte, bei den niedergelassenen Ärzten stoße es auf absolutes Unverständnis, dass der Gesetzgeber ausgerechnet bei den Praxen sparen wolle. Der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, kommentierte unlängst in den KBV-Praxisnachrichten, mit der geplanten Streichung werde den Ärzten Honorar weggenommen und mithin die ambulante Versorgung gefährdet.

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