Physiotherapeut: Verletzungen nicht zu stark kühlen |
Prellungen, Zerrungen und andere Verletzungen: Viele greifen dann sofort zum Kühlkissen. Das dämpft aber nicht nur den Schmerz, sondern auch das Immunsystem, warnt jetzt der Karlsruher Physiotherapeut Nils E. Bringeland in der Fachzeitschrift «Physiopraxis». Es gebe keine wissenschaftlichen Belege, dass eine Kryotherapie bei Sport- und anderen Verletzungen tatsächlich hilft. «Der Effekt der Kühlung wird dabei jedoch deutlich überschätzt», sagt Bringeland in einer Mitteilung des Verlags. Es sei nicht nachgewiesen, dass Kälte eine Schwellung im Verletzungsgebiet tatsächlich signifikant reduziert. Umgekehrt ist auch noch zu wenig über mögliche Schäden bekannt. Bei übermäßiger Kälteanwendung sei es möglich, dass Lymphgefäße geschädigt werden und Wundheilungsstörungen auftreten können, so der Physiotherapeut. Ist der Lymphabfluss gestört, könne es sogar zu einer länger anhaltenden Schwellung kommen.
Unter Kälteeinwirkung würden weniger Zytokine ausgeschüttet und einige Immunzelltypen geringer aktiviert. Dadurch wird zwar eine Entzündung unterdrückt. Aber: «Die Immunzellen leisten wichtige Aufräumarbeiten, die zu einer physiologischen Wundheilung gehören», sagt Bringeland. Sie beseitigen beispielsweise geschädigtes Gewebe. Zudem verliere das Gewebe durch Kühlung seine Elastizität und werde weniger beweglich. Durch das reduzierte Schmerzempfinden würde der verletzte Bereich aber unter Umständen zu früh oder zu stark bewegt. «In der Folge nimmt die mechanische Belastung im Wundgebiet zu», sagt der Physiotherapeut und warnt vor Spätfolgen wie wulstigen (hypertrophen) oder verhärteten (sklerotischen) Narben.
Entgegen der weit verbreiteten PECH-Regel für Sportverletzungen (Pause, Eis, Compression, Hochlagern) rät Bringeland von einer Kälteanwendung ab. Er empfiehlt, das verletzte Gebiet mit einer Kompresse und Mullbinde mit leichtem Druck zu umwickeln. Bei intakter Haut könne die Mullbinde befeuchtet werden. Die leichte Kühlung werde meist als angenehm empfunden, werde aber nicht so kalt, dass eine Schädigung auftreten kann. Auch eine Wärmebehandlung mit Infrarot-A-Strahlung könne eine Alternative sein. Der Einsatz von Schmerzmitteln sollte auf ein Minimum begrenzt bleiben. Zusätzlich gibt es physiotherapeutische Maßnahmen wie Lymphdrainage oder myofasziales Release. (dh)
06.02.2018 l PZ
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