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Gescheitertes Krebsmedikament

Zweite Karriere als Mittel gegen Coronaviren?

Das spanische Unternehmen Pharma Mar meldet heute, sein Medikament Aplidin® mit dem Wirkstoff Plitidepsin an Patienten mit Covid-19 testen zu wollen. Ursprünglich wurde der Naturstoff als Krebsmedikament entwickelt.
Daniela Hüttemann
13.03.2020  12:36 Uhr

Pharma Mar kündigte heute an, die Zulassungsbehörden zu kontaktieren, um zu evaluieren, Plitidepsin (Aplidin®) bei Patienten mit Covid-19 einzusetzen. Plitidepsin, auch Dehydrodidemnin B genannt, ist ein zyklisches Peptid, das aus der Seescheide Aplidium albicans extrahiert wird. Dem Naturstoff werden antitumor, antivirale und immunsuppressive Wirkungen nachgesagt. Er hemmt den Elongationsfaktor 1-alpha (EF1A), einem für die Translation genetischer Information an den Ribosomen wichtigen menschlichen Protein. Interessant ist, dass EF1A, anders als die Isoform alpha-2, unter anderem in der Lunge exprimiert wird. Dem Protein werden sehr viele weitere Funktionen zugeschrieben. Unter anderem scheint es in den Abbau fehlgefalteter Proteine involviert zu sein, die für Myelomzellen toxisch sind.

So wurde der Arzneistoff ursprünglich auch für die Indikation Multiples Myelom entwickelt. In Australien und Südostasien ist es dafür auch zugelassen. Die Europäische Arzneimittelagentur hatte den diesbezüglichen Zulassungsantrag allerdings gleich zweimal abgelehnt, im Dezember 2017 sowie im März 2018. Hintergrund der Entscheidung war, dass das progressionsfreie Überleben der Myelom-Patienten durch Plitidepsin nur um rund einen Monat gesteigert wurde. Auch die Daten zur Verbesserung des Gesamtüberlebens überzeugten die EU-Zulassungsbehörde nicht. Dagegen traten schwere Nebenwirkungen auf.

Laut Pharma Mar spielt das Target EF1A auch eine Schlüsselrolle bei der Multiplikation und Verbreitung von Coronaviren. Demnach braucht das Virus EF1A in seiner menschlichen Wirtszelle, um sein Nucleoprotein N für die Reproduktion zu translatieren.

Das Nationale Biotechnologie-Zentrum der Spanischen Forschungsgemeinschaft habe In-vitro-Studien mit Plitidepsin und dem humanen Coronavirus HCoV-229E durchgeführt. Dieser Coronavirus-Subtyp habe einen ähnlichen Multiplikations- und Verbreitungsmechanismus wie das Pandemie-Virus SARS-CoV-2. Auf dieser Datenbasis wolle man nun mit den Aufsichtsbehörden über die Möglichkeit klinischer Studien sprechen.

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